Das Ergebnis der AfD bei der Europawahl

Rechtsextreme Konsolidierung

Die AfD hat im Osten und bei jungen Wähler:innen abgeräumt. Nazi-Skandale, SS-Verharmlosung und Korruptionsaffären haben der Partei nicht geschadet.

15,9 Prozent bundesweit, ein deutlicher Stimmenzuwachs bei Wähler:innen unter 24 Jahren, und in allen ostdeutschen Bundesländern um die 30 Prozent – nach der Europawahl am Sonntag wurde bei der AfD gefeiert. Dabei hat die extrem rechte Partei eigentlich einen miserablen Wahlkampf gehabt. Er war bestimmt von ebenso breiter wie kritischer Berichterstattung über die »Remigrationspläne« von AfD-Politikern und von großen bundesweiten Protesten gegen die AfD.

In den ostdeutschen CDU-Landesverbänden warten genug Leute darauf, mit der AfD zu regieren, sobald die CDU-Bundesführung das erlaubt.

Die Skandale um ihre beiden Spitzenkandidaten für das Europaparlament, Maximilian Krah und Petr Bystron, kamen noch hinzu, denen in deutschen Medien »Landesverrat« zugunsten von Russland und China vorgeworfen wurde. Der AfD-Spitzenkandidat Krah verharmloste kurz vor der Wahl in einem Interview mit einer italienischen Zeitung die SS, was sogar den rechtsextremen Bündnispartnern wie Le Pen zu weit ging. Krah musste sich aus dem Wahlkampf zurückziehen und wurde nun nicht einmal in die AfD-Delegation im Europaparlament aufgenommen.

Anhaben konnte der AfD all das wenig. Sie erhielt zwar einige Prozentpunkte weniger als noch vor einigen Monaten in Umfragen, aber ihr Wahlergebnis ist dennoch nur als gut zu bezeichnen. Nazi-Skandale und die öffentliche, behördliche und mediale Einschätzung der Partei als rechtsextrem schaden der AfD nicht.

AfD wählen aus Überzeugung

Das zeigen auch Zahlen, die Infratest Dimap anlässlich der Europawahl für die ARD erhoben hat. 82 Prozent der AfD-Wähler:innen stimmten der Aussage zu: »Es ist mir egal, dass sie (die AfD, Anm. d. Red.) in Teilen als rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspricht.« Die richtigen Themen, das sind der Umfrage zufolge: Angst vor Kriminalität, vor Fremden, dem Islam und davor, dass »sich unser Leben in Deutschland zu stark verändern wird«. Was außerdem auffällt: Mittlerweile gibt eine Mehrheit der AfD-Wähler:innen an, die Partei aus Überzeugung gewählt zu haben, nicht aus Enttäuschung über andere Parteien.

Die AfD ist in dem Teil der Bevölkerung fest verankert, dem Studien bereits seit Jahrzehnten ein extrem rechtes Weltbild attestieren. Bei der AfD freut man sich schon auf Dienstwagen und Machtbeteiligung. Selbstbewusst verkündete die Co-Vorsitzende Alice Weidel nach der Europawahl, dass die »Brandmauer« in den östlichen Bundesländern bald fallen werde.

Damit könnte sie recht haben. Auf kommunaler Ebene wird schon längst mit der AfD kooperiert. Im September sind zudem Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. In allen drei Bundesländern war die AfD bei der Europawahl deutlich stärkste Kraft. 

Angesichts dieser Ergebnisse ist viel Phantasie nötig, um sich Regierungskonstellationen ohne die AfD vorzustellen. In den ostdeutschen CDU-Landesverbänden warten genug Leute darauf, mit der AfD zu regieren, sobald die CDU-Bundesführung das erlaubt.

Einig dürften die CDU-Rechten mit AfD und BSW in der Frage sein, wer alles nicht zur Gesellschaft gehört. Und das sollte Sorge bereiten.

Das sind düstere Aussichten. Der rechte Flügel der CDU und Teile von Sahra Wagenknechts Partei BSW – die bei der Europawahl solide abschnitt und bei den ostdeutschen Landtagswahlen ein echter Machtfaktor werden könnte – stehen gesellschaftspolitisch im besten Fall für Stillstand, die AfD möchte rechte Systemveränderung. Einig dürften die CDU-Rechten mit den beiden anderen Parteien in der Frage sein, wer alles nicht zur Gesellschaft gehört. Und das sollte Sorge bereiten.

Es wird in der Regel darüber diskutiert, was droht, wenn die AfD völkische Forderungen durchsetzen kann – nämlich Millionen von Deportationen. Doch falls die AfD Teil einer Landesregierung wird oder eine solche toleriert, wäre zunächst anderes zu befürchten.

Rechter Umbau der Gesellschaft fängt im Kleinen an

Solche Bündnisse würden eher im Kleinen anfangen, die Gesellschaft umzubauen. Die Straßenbahnstation soll saniert werden – der barrierefreie Umbau wird eingespart. Die Förderung für ein Jugendzentrum, in dem queere Menschen Programm machen? Nicht verlängert. Moscheen werden wieder in die Hinterhöfe gedrängt. Die Kultur- und Bildungspolitik behandeln die NS-Zeit als »Vogelschiss« in der deutschen Geschichte. Behörden erhalten ein Signal von oben, dass Diskriminierung stillschweigend toleriert oder allenfalls wie früher als Kavaliersdelikt behandelt werden soll. Flüchtlinge werden noch strenger als bisher in ihren Unterkünften kaserniert und zum Arbeitsdienst gezwungen, Sozialleistungsempfänger werden noch aggressiver schikaniert. Im neuesten Podcast aus Schnellroda stellte der Ideologe des Höcke-Flügels der AfD, Götz Kubitschek, die Eignung von Frauen für den Polizeidienst grundsätzlich in Frage.

Solange sie sich einreden können, dass am Ende nicht der handfeste Faschismus wartet, könnten Teile der Union, aber auch der FDP und des BSW der AfD dorthin den Weg bereiten. Zunächst würde es vor allem Minderheiten treffen. Die Bevölkerungsmehrheit könnte sich wohl noch eine Weile einreden, dass die AfD ja doch irgendwie normal sei – vor allem wenn in anderen EU-Staaten Rechtsextreme an die Macht kommen, die ebenfalls von den etablierten Konservativen als Partner umgarnt werden. So wie es jetzt schon im Falle von Giorgia Melonis Fratelli d’Italia geschehen ist.