Einige Konservative würden im Europaparlament gern Bündnisse mit faschistischen Parteien schließen

Das italienische Modell lockt

Die Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament ändern sich nach den jüngsten Wahlen kaum. Allerdings zieht es viele Konservative zu einer Koalition mit Rechtspopulisten und Rechtsextremen.

Rechtsextreme holen in Frankreich bei den Wahlen zum Europäischen Parlament einen Erdrutschsieg, in Österreich werden sie stärkste Partei und in Deutschland zweitstärkste. Diese Ergebnisse laden dazu ein, von einer deutlichen Rechtsentwicklung in der EU zu sprechen – aber das wäre falsch.

Denn bei der Sitzverteilung im Europaparlament ändert sich nach der Wahl gar nicht viel. Die Parteien rechts der Konservativen holen einige Sitze mehr, vor allem Liberale und Grüne verlieren Sitze – aber die Mehrheitsverhältnisse bleiben im Großen und Ganzen, wie sie sind. Den Wahlerfolgen der extremen Rechten in einigen Teilen Europas stehen Wahlerfolge von Grünen und Linken in Nordeuropa und Irland gegenüber. Und auch die deutsche AfD und die österreichische FPÖ schnitten nicht so stark ab, wie Umfragen vor einigen Monaten prognostiziert hatten.

Koalition aus Konservativen, Rechtspopulisten und Rechtsextremen

Die Fraktionen der Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen verfügen zusammen über eine komfortable Mehrheit im Europaparlament. In Fragen, bei denen sie sich einig sind, können sie leicht Mehrheiten organisieren. Da es keinen Fraktionszwang gibt, wäre man manchmal auf die Stimmen der Grünen angewiesen, damit es für Mehrheiten ohne Rechtsextreme reicht.

So die Theorie. In der Realität wirbt der Partei- und Fraktionsvorsitzende der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), seit über einem Jahr für das »italienische Modell« – eine Koalition aus Konservativen, Rechtspopulisten und Rechtsextremen. Vor allem die italienische Präsidentin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) wird umworben und von Konservativen als »proeuropäische Politikerin« dargestellt, weil sie auf der Seite der Ukraine stehe.

Die Konservativen könnten gemütlich ihre »Koalition der Mitte« anführen – wahrscheinlich auch weiter mit Ursula von der Leyen (CDU) als Kommissionspräsidentin –, aber viele wollen das nicht. Sie würden lieber mit manifest rechtsextremen, rassistischen und faschistischen Parteien zusammenarbeiten als mit Sozialdemokraten oder Grünen.

Gründen AfD und FPÖ eine eigene Fraktion? 

Praktikabel wäre dieses Modell, wenn sich eine neue, umfassende rechtspopulistische Fraktion bilden würde, die dann die drittstärkste im Parlament wäre. Dazu müsste sich der französische Rassemblement national von Marine Le Pen und andere rechtsextreme Parteien der Parlamentsfraktion »Identität und Demokratie« (ID) mit der nationalkonservativen Parlamentsfraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) zusammenschließen, in der die Fratelli d’Italia und die polnische Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS) den Ton angeben.

Ob eine solche geeinte rechtspopulistische Fraktion die AfD aufnehmen würde, ist unklar. Gerade erst wurde sie wegen der SS-Relativierung ihres EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah aus der ID-Fraktion ausgeschlossen. Krah wird zwar sein Mandat im Europaparlament wahrnehmen, aber künftig nicht mehr zur AfD-Delegation im Europaparlament gehören; das beschloss die Delegation am Montag mehrheitlich.

Ein Bündnis mit Meloni – und eventuell sogar mit Le Pen – auf europäischer Ebene wäre für CDU und CSU immer noch leichter zu verkaufen als eines mit einer Fraktion, in der die AfD sitzt.

Die AfD könnte nun versuchen, Teil der großen Fraktion rechts der Konservativen zu werden, aber auch eine eigene rechtsextreme Fraktion gründen. Dafür bräuchte sie 25 Abgeordnete aus sieben Staaten, die FPÖ und einzelne Abgeordnete aus anderen EU-Staaten stünden dem Vernehmen nach bereit. Es wäre eine rechtsextreme Fraktion, bestehend aus Abgeordneten, die selbst den anderen Rechtsextremen zu durchgeknallt sind.

Der Aufnahme der AfD in eine mögliche künftige rechtspopulistische Einheitsfraktion steht aber nicht nur das Parteipersonal entgegen, sondern auch die sogenannte Brandmauer, welche die in der EVP mächtigen deutschen Unionsparteien CDU und CSU derzeit noch gegen die AfD aufrechterhalten. Ein Bündnis mit Meloni – und eventuell sogar mit Le Pen – auf europäischer Ebene wäre für CDU und CSU immer noch leichter zu verkaufen als eines mit einer Fraktion, in der die AfD sitzt. Dabei stellt sich sowieso die Frage, wie lange diese »Brandmauer« in Deutschland überhaupt noch hält. Im September finden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg statt. In all diesen Bundesländern wurde die AfD bei den Europawahlen stärkste Kraft – mit großem Abstand.