Wladimir Putin ist zu Xi Jinping nach Peking gereist

Umarmung unter ungleichen Freunden

Der russische Präsident Wladimir Putin hat seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping besucht. Zum Abschluss seiner China-Reise betonte Putin die Partnerschaft beider Länder – dabei ist die viel eher eine einseitige Abhängigkeit.

Noch nie waren die Beziehungen zwischen Russland und China so gut, gefestigt und stabil, trotz internationaler Turbulenzen. Diese Formulierung fand Eingang in eine offizielle gemeinsame Erklärung der beiden Länder anlässlich des zweitägigen russischen Staatsbesuchs in Peking Mitte Mai. Präsident Wladimir Putin war vergangene Woche Donnerstag mit einer riesigen Delegation angereist, darunter fünf stellvertretende Ministerpräsidenten, diverse Minister und Vertreter der Atombehörde Rosatom sowie der staatlichen Stelle für militärisch-technische Zusammenarbeit. Zum Abschluss nahm der chinesische Staatspräsident Xi Jinping seinen russischen Kollegen sogar kurz in den Arm.

Der Kreml bewertete das Treffen als gelungen. Etwas anderes wäre auch nicht zu erwarten gewesen. Erstmals besuchte Putin bei seiner ersten Auslandsreise nach einer Wiederwahl kein westliches Land, was unter den gegebenen Umständen ohnehin nicht in Frage gekommen wäre. Zudem stattete Xi Jinping seinerseits 2023 nach Antritt seiner dritten Amtszeit Russland einen Besuch ab, und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der damals neu gegründeten Volksrepublik China und der Sowjetunion vor 75 Jahren bot einen zusätzlichen Anlass. Doch der Hauptgrund für die betont positive Außendarstellung liegt woanders: Ohne China läuft in Russlands Wirtschaft nicht mehr viel.

Als gemeinsame Handelswährung dominiert der chinesische Yuan – auch das ein Resultat des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. 

Während der Außenhandel mit der Europäischen Union seit Beginn der großen Militärinvasion in die Ukraine stark rückläufig ist, stieg der Warenaustausch mit China rasant an. Im März kam diese Tendenz allerdings erstmals seit 2022 ins Stocken, was daran lag, dass chinesische Großbanken keine Zahlungen aus Russland mehr annehmen, während kleinere regionale Banken Transaktionen nur mit Verzögerungen abwickeln. Mittlerweile macht der Import chinesischer Waren über 40 Prozent der russischen Einfuhren aus; im Jahr 2021 waren es noch weit unter 30 Prozent. Das Handelsvolumen hat im vorigen Jahr rund 240 Milliarden US-Dollar erreicht.

Umgekehrt spielt Russland 2023 als Handelspartner Chinas mit vier Prozent des Handelsvolumens insgesamt eine relativ bescheidene Rolle, wobei China jedoch davon profitiert, dass die Einkaufspreise für russische Energieträger wegen der Sanktionen von EU und verbündeten Staaten niedrig sind. In einzelnen Bereichen, beispielsweise der Automobilbranche, erwirtschaftet China zudem in Russland dank dem Rückzug westlicher Konkurrenten gute Gewinne. So erhöhte sich 2023 im Vergleich zum Vorjahr der chinesische Export von Kleinkraftwagen nach Russland um sagenhafte 545 Prozent.

Nichtoffizielle Bewertungen der China-Reise swenig enthusiastisch

Als gemeinsame Handelswährung dominiert im Übrigen der chinesische Yuan – auch das ein Resultat des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Dazu kommt, dass sich im vergangenen Jahr 23 russische Banken dem chinesischen Cross-Border Interbank Payment System (Cips) angeschlossen haben. Die russisch-chinesische Freundschaft beruht also eher auf einem Abhängigkeitsverhältnis, in dem Russlands Größe sich unweigerlich weitaus bescheidener darstellt, als es Putin lieb sein dürfte.

Beide Länder haben nun zehn zweitrangige Kooperationsabkommen in unterschiedlichen Bereichen unterzeichnet, doch der ganz große Wurf lässt auf sich warten. So sehr Putin auch das russische Interesse am Bau der Gaspipeline »Kraft Sibiriens 2« bekundete, die durch die Mongolei bis nach China führen soll – es kam immer noch nicht zu einem Vertragsabschluss. Der Vorstandsvorsitzende des russischen Staatskonzerns Gazprom, Aleksej Miller, war in Peking gar nicht erst erschienen, sondern zu Gesprächen in den Iran gereist. Dafür gibt sich der stellvertretende Ministerpräsident Aleksandr Nowak optimistisch, dass der Vertragsabschluss bald bevorstehe.

Nichtoffizielle Bewertungen der China-Reise fallen weniger enthusiastisch aus. Andrej Kosyrew beispielsweise, von 1990 bis 1996 Russlands Außenminister, schrieb auf der Online-Plattform X, dass trotz der Großartigkeit von Putins Besuch in China »die Ergebnisse wenig überzeugend waren«. Unverbindliche politische Erklärungen hätten im Zen­trum gestanden, während es vor allem darum gegangen sei, günstige Konditionen für den Öl- und Gasverkauf auszuhandeln.

Der Kreml zeigte sich zufrieden mit der Haltung von Chinas Führung in Hinblick auf den Ukraine-Krieg.

Einen kleinen Bonus hatte China für Putin dennoch parat. So durfte er in der Polytechnischen Universität Harbin auftreten, die für ihre militärische Forschung bekannt ist. Markus Garlauskas zufolge, dem Sicherheitsexperten der Denkfabrik Atlantic Council, kann dies als Zeichen für Chinas grundsätzliche Bereitschaft gedeutet werden, Militärtechnologien mit Russland zu teilen, wie er der New York Times mitteilte. Der Kreml jedenfalls zeigte sich zufrieden mit der Haltung von Chinas Führung in Hinblick auf den Ukraine-Krieg.

Aus der selbstgeschaffenen Notlage heraus – schließlich erfolgten die westlichen Sanktionen als Reaktion auf den russischen Angriff – könnte Russland theoretisch seine internationalen Wirtschaftsbeziehungen diversifizieren und auf längere Sicht sogar gestärkt aus dem Konflikt hervorgehen. Doch an der russisch-chinesischen Freundschaft führt kein Weg vorbei. Und so ist es wohl vor allem China, dem die andauernde europäische Kriegsrealität in erster Linie zugutekommt.