Die Tücken der Urananreicherung

Aus der Welt der Zentrifugen

Die hohe Anreicherung von Uran dient nicht nur zur Produktion von Atomwaffen wie im Iran, sondern auch zum Betrieb neu entwickelter Kleinreaktoren.
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Von einem Rekord zum nächsten eilt das Atomprogramm des Iran. In seinem Zentrum steht dabei nicht die Erzeugung von elektrischem Strom, sondern die Verarbeitung von Uran zu immer höherer Anreicherung des spaltbaren Isotops U235. In Natururan hat es lediglich einen Anteil von 0,7 Prozent.

Für den Betrieb der herkömmlichen Atomkraftwerke benötigt man drei Prozent bis fünf Prozent des Isotops in den Brennelementen. Diese niedrige Anreicherung (LEU: low enriched uranium) wird am effektivsten mit Gaszentrifugen erreicht. Der Iran besitzt davon derzeit 11.000 Geräte mit unterschiedlicher Leistung, die in drei Anreicherungsanlagen betrieben werden. Ihr weiterer Ausbau schreitet zügig voran.

Ist es eine Ironie der Geschichte oder zwangsläufiges Produkt der inneren Logik der Nukleartechnik? Parallel zum Iran unternehmen die USA beträchtliche Anstrengungen in der (fast) gleichen Angelegenheit.

Mit dem gleichen technischen Verfahren und den gleichen Zen­trifugen lässt sich Uran immer weiter anreichern, bis eine bombentaugliche Konzentration von U235 erreicht wird, die in der Regel bei 90 Prozent angesetzt wird. Auf dem Weg dorthin gibt es Zwischenschritte von 20prozentiger Anreicherung (HALEU: high-assay low-enriched uranium) und 60prozentiger Anreicherung (HEU: highly enriched uranium). Uran mit diesen höheren Anreicherungsgraden produziert der Iran zurzeit, was das Zeug hält, obwohl sie für seinen kommerziellen Atomreaktor in Bushehr völlig überflüssig sind.

Den letzten Schritt bis zur Waffenfähigkeit (weapons-grade uranium) hat das Regime offenbar noch nicht vollzogen. Doch je höher die Anreicherungsgrade der Vorstufen sind, desto geringer wird der Aufwand für den Rest der Strecke.

Ist es eine Ironie der Geschichte oder zwangsläufiges Produkt der inneren Logik der Nukleartechnik? Parallel zum Iran unternehmen die USA beträchtliche Anstrengungen in der (fast) gleichen Angelegenheit. Die Regierung von Präsident Joe Biden glaubt, mit Atomenergie das Klima retten zu können, und fördert insbesondere die Entwicklung neuer Kleinreaktoren (SMR: small modular reactors). Dabei arbeiten fast alle bisher in den USA vorgestellten Projekte mit höheren Anreicherungsgraden als die herkömmlichen Leichtwasserreaktoren.

Um die SMR-Pläne zu verwirklichen, muss also HALEU in kommerziellem Maßstab verfügbar sein. Entsprechende Fabriken gibt es in der zivilen westlichen Atomindustrie bisher nicht. HALEU für Forschungsreaktoren kaufte man von Russland, und bei diesem Lieferanten – Tenex, eine Tochter des Staatskonzerns Rosatom – wäre es auch geblieben, hätte nicht der Ukraine-Krieg die Pläne durchkreuzt.

Seitdem hakt es gleich doppelt. Eine einheimische HALEU-Produktion soll aus dem Boden gestampft werden, aber die Investoren zögern, solange der tatsächliche Bedarf nicht absehbar ist. Die Energieunternehmen wiederum wollen sich mit Bestellungen von SMR nicht festlegen, solange noch kein solches Kraftwerk seine Betriebstauglichkeit bewiesen hat und sogar die Brennstoffversorgung unsicher ist. Wegen des Engpasses beim HALEU hat Terrapower, die Nuklearfirma des Microsoft-Milliardärs Bill Gates, bereits mitgeteilt, die geplante Inbetriebnahme ihres Natriumreaktors in Kemmerer, Wyoming, müsse um zwei Jahre auf 2030 verschoben werden.

Die iranischen Vorräte an Uran mit 20prozentiger Anreicherung betrugen im Februar bereits rund 750 Kilogramm bei einem Zugewinn von 145 Kilogramm im vorigen Quartal.

Anfang dieses Jahres hat das US-Energieministerium Aufträge für Urananreicherungsdienstleistungen ausgeschrieben und zum wiederholten Mal großzügige finanzielle Anreize in Aussicht gestellt. Trotzdem gibt es bisher erst einen HALEU-Produzenten in den USA, nämlich die Firma Centrus Energy mit ihrer American Centrifuge Plant in Piketon, Ohio. Sie meldete, im November und Dezember 2023 erstmals 20 Kilogramm HALEU angereichert zu haben. In diesem Jahr sollen 900 Kilogramm dazukommen.

Da kann der Iran mithalten. Seine Vorräte an Uran mit 20prozentiger Anreicherung betrugen im Februar bereits rund 750 Kilogramm bei einem Zugewinn von 145 Kilogramm im vorigen Quartal. Auf ein Jahr hochgerechnet wären das 500 bis 600 Kilogramm. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Hauptaugenmerk des Iran den noch höheren Anreicherungsgraden gilt.

Freilich sind in den US-amerikanischen Angaben die militärisch verwendeten Uranmengen nicht enthalten. Hier stößt man auf schwindelerregende Dimensionen. 487 Tonnen unverbrauchtes HEU besäßen die USA, wovon 361 Tonnen für Nuklearwaffen verfügbar seien, bilanziert der International Panel on Fissile Materials (IPFM), eine unabhängige Gruppe von Experten für Rüstungskontrolle, die die Meldungen der Staaten an die IAEA auswertet. Russland hortet sogar 680 Tonnen. Daran kann man sehen, was die Abrüstungsverträge letztlich wert waren. Nichts wurde weggeschmissen. »Die Atomwaffenstaaten haben in ihren Waffenlagern noch immer genügend spaltbares Material für Zehntausende von Atomwaffen«, stellt IPFM fest.