Nach den »Wahlen« in der Islamischen »Republik«

Erneute Wahlfarce im Iran

Nach offiziellen Angaben lag die Beteiligung an den Wahlen zum Pseudoparlament und zum Expertenrat des Iran bei nur 41 Prozent. Innen- und außenpolitisch verfolgen die Ayatollahs eine immer ­rücksichtslosere Linie, Repressionen und Hinrichtungen nehmen weiter zu.

Gut geschützt verliefen die Wahlen am 1. März im Iran. Revolutionsgardisten und andere Sicherheitskräfte hatten sich mehr als demonstrativ vor den Lokalen postiert, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Anschließend konnten sie die erfolgreiche Erledigung ihres Auftrags melden. Viel zu tun gab es freilich nicht. Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler hatte es vorgezogen, zu Hause zu bleiben.

Nach offiziellen Angaben beteiligten sich nur 41 Prozent an den Wahlen zum Parlament und Expertenrat, die niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte der Islamischen Republik. Da verwundert es nicht, dass die reaktionären Kräfte des Regimes einen haushohen Sieg einfuhren, allenfalls getrübt durch vereinzelte Erfolge rechtsextremer Kandidaten, denen sogar die drakonische und aggressive Politik des Präsidenten ­Ebrahim Raisi noch zu liberal ist.

Nach Dokumentationen zweier Menschenrechtsgruppen wurden im vorigen Jahr 834 Personen im Iran hingerichtet. Nach China verzeichnet das Land absolut die meisten Hinrichtungen weltweit.

Der Wächterrat, das religiös legitimierte Gremium zur Kontrolle des Parlaments, hatte alle nicht hundertprozentig loyalen Kandidat:innen von vornherein ausgesiebt. Für den Expertenrat, dem die Aufgabe übertragen ist, nach dem Tod des Obersten Führers Ali Khamenei einen Nachfolger zu bestimmen, durfte nicht einmal der vermeintlich gemäßigte frühere Präsident Hassan Rohani kandidieren – obwohl er dem Gremium 20 Jahre lang angehört hatte.

Khamenei hat darauf verzichtet, selbst so geringe Differenzen zwischen den Wahlangeboten zuzulassen, wie es früher üblich war. Ihm ging es nur noch um eine Machtdemonstration, wonach das Regime alles unter Kontrolle habe und die Opposition nicht mehr existent sei. Seine Untertanen nehmen ihm das nicht ab – es wird wohl niemanden beeindruckt haben, dass sich die Machthaber in Moskau und in Teheran gegenseitig zu ihren großartigen Wahlergebnissen gratulierten.

Repression und Hinrichtungen

Seit dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 und der darauf folgenden Bewegung »Frauen, Leben, Freiheit« ist das Regime mit aller Härte gegen Proteste, Demonstrationen und Aufstände vorgegangen. Armita Garavand, 16 Jahre alt, starb ein Jahr später nach Misshandlungen durch Hijab-Wächterinnen in der Teheraner Metro. Von »Verbrechen gegen die Menschheit« spricht ein UN-Bericht, der am 8. März erschien: Mord, Inhaftierung, Folter, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt, Belästigung und Verfolgung. Die unmenschlichen Akte seien mit großem Aufwand von staatlichen Einrichtungen organisiert worden und richteten sich gegen Frauen, Mädchen und allgemein gegen Verteidiger der Menschenrechte.

Im gleichen Zeitraum stieg auch die Zahl der im Iran vollstreckten Todes­urteile stark an. Nach Dokumentationen zweier Menschenrechtsgruppen wurden im vergangenen Jahr 834 Personen hingerichtet, eine Bilanz des Grauens, wie der Autor Helmut Ortner schreibt. Nach China exekutiert das Land die meisten Hinrichtungen weltweit. Gemessen an der Bevölkerungszahl nimmt der Iran sogar den ersten Platz ein. Schon dafür müsste die Klerikaldiktatur geächtet werden, aber die internationale Öffentlichkeit nimmt nur wenig Notiz davon.

Vor nunmehr drei Jahren hat der Iran ein lückenloses Monitoring seiner nu­klearen Aktivitäten durch die IAEA unterbrochen und nicht wieder zugelassen.

In der iranischen Diaspora ist man davon überzeugt, dass die nicht enden wollenden Repressionen in der Bevölkerung dazu geführt hätten, den Glauben an eine Reformierbarkeit des Systems zu verlieren. Die Kölner Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur sagte dem Deutschlandfunk, rund 90 Prozent der Bevölkerung seien unzufrieden mit dem politischen System, 70 Prozent plädierten sogar für seine Abschaffung. Das sei nicht ihre persönliche Meinung, sondern gehe aus geleakten Umfragen hervor, die das Regime selbst in Auftrag gegeben habe. Im Übrigen bezweifeln viele Oppositionelle die offiziellen Angaben über die Wahlbeteiligung. In Wirklichkeit seien noch weniger Menschen wählen gegangen.

Die innenpolitische Delegitimierung dürfte das Ansehen des Iran und seiner Satelliten in der Nahost-Region nicht gerade stärken. Die Lage wird dadurch eher noch gefährlicher. Denn das ramponierte Prestige führt nicht zum Einlenken der herrschenden Ayatollahs in ihrer Innen- und Außenpolitik, sondern geht mit wachsender Rücksichtslosigkeit einher. Dies zeigt sich besonders deutlich am iranischen Atomprogramm, zu dem die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) neue Zahlen vorgelegt hat. Die Vierteljahresberichte der Agentur werden regelmäßig von dem kleinen und sehr kompetenten Washingtoner Institute for Science and International Security (ISIS) analysiert und erklärt. Derzeit kommen die Proliferationsexperten um David Albright zu Schlussfolgerungen, die für sich sprechen.

Die ISIS-Analyse

Hier eine Zusammenfassung: Irans Vorräte an angereichertem Uran reichen zusammen mit seiner Zentrifugenkapazität aus, um genug waffenfähiges Uran für sieben Atomwaffen in einem Monat, neun in zwei Monaten, elf in drei Monaten, zwölf bis 13 in vier Monaten und 13 Atombomben in fünf Monaten herzustellen.

Mit seinem gewachsenen Know-how und der Verwendung eines Teils seines Bestands an Uran mit 60prozentiger Anreicherung könnte der Iran den nuklearen Sprengstoff für eine erste Atombombe in nur sieben Tagen produzieren. Ein solcher Ausbruch wäre für die IAEA schwer zu erkennen, weil der Iran ihren Inspektoren den Zugang erschwert.

Der Gesamtbestand an angereichertem Uran, einschließlich aller Anreicherungsstufen und in allen chemischen Formen, stieg von 4.486,8 Kilogramm im Oktober 2023 auf 5.525,5 Kilogramm im Februar.

Der iranische Vorrat an 60prozentigem hochangereichertem Uran (HEU) betrug am 10. Februar 121,5 Kilogramm. Dabei hat sich die durchschnittliche Produktionsrate im Vergleich zum vorigen Quartal mehr als verdoppelt. Bei dieser Rate kann der Iran jährlich etwa 87 Kilogramm Uran mit 60prozentiger Anreicherung produzieren.

In der Anreicherungsanlage von Fordo wurde eine Kaskade von fortgeschrittenen Zentrifugen wieder so konfiguriert wie im Januar 2023, als IAEA-Inspektoren bei der Entnahme von Proben Uranpartikel mit 84prozentiger Anreicherung entdeckten.

Früheren IAEA-Berichten zufolge lagert ein Großteil der Vorräte an höher angereichertem Uran bei einer Fabrik in Isfahan, die es technisch erlaubt, Uran in metallische Form zu überführen. Diese Konversion wird für eine militärische Verwendung benötigt.

Der Iran hat den Status einer latenten Atommacht erlangt. Inwieweit seine Fähigkeiten ausreichen, um tatsächlich nukleare Sprengköpfe herzustellen und sie auf Raketen zu montieren, ist weitgehend unbekannt.

Der Einsatz fortschrittlicher Zentrifugen im Iran hat deutlich zugenommen. Im Berichtszeitraum wurden sechs zusätzliche Kaskaden installiert.
Im Widerspruch zu seiner Behauptung, die Urananreicherung diene der Versorgung von Atomreaktoren mit Kernbrennstoff, nutzt der Iran seine Vorräte hauptsächlich dafür, 20prozentige und 60prozentige Anreicherungen zu erzielen, weit über den zivilen Bedarf hinaus.

Vor nunmehr drei Jahren hat der Iran ein lückenloses Monitoring seiner nu­klearen Aktivitäten durch die IAEA unterbrochen und nicht wieder zugelassen. Die Agentur besitzt keinen Zugang mehr zu den von ihren Überwachungsgeräten aufgezeichneten Daten. Sie sieht sich ausdrücklich nicht im Stande, einen friedlichen Charakter des iranischen Atomprogramms zu bestätigen.

Immer besorgniserregender und realistischer wird ein Szenario, in dem der Iran hochangereichertes Uran unentdeckt abzweigt und das Material mit Hilfe von drei oder vier heimlich hergestellten Kaskaden fortschrittlicher Zentrifugen auf Waffenqualität anreichert.

Breakout Time nur noch eine Woche

Summa summarum hat der Iran alle Schranken eingerissen, die das Wiener Abkommen von 2015 (JCPOA) seinem Atomprogramm gesetzt hatte. Jene als Erfolg der Friedensdiplomatie gefeierte Vereinbarung verfolgte das Ziel, dass die Frist, die der Iran benötigen würde, um waffenfähiges Uran für eine Atombombe herzustellen, nicht unter zwölf Monate sinken sollte.

Nun schätzen renommierte Proliferationsexperten diese sogenannte breakout time auf nur noch eine Woche. Ready in one week war übrigens auch das diskrete Ziel des westdeutschen Atomprogramms in den siebziger und achtziger Jahren, bevor die Bundesrepublik im Zwei-plus-Vier-Vertrag, der den Beitritt der DDR zur BRD ermöglichte, auf atomare, biologische und chemische Waffen verzichtete.

Der Iran hat den Status einer latenten Atommacht erlangt. Inwieweit seine Fähigkeiten ausreichen, um tatsächlich nukleare Sprengköpfe herzustellen und sie auf Raketen zu montieren, ist weitgehend unbekannt. Ein Atomtest, möglicherweise in Zusammenarbeit mit Nordkorea, ist eine denkbare Option.

Nimmt man hinzu, dass das iranische Regime nicht nur die mit ihm verbündeten Milizen im Libanon, Irak, Syrien, Jemen sowie im Gaza-Streifen ausrüstet und finanziert, sondern auch die russischen Truppen im Ukraine-Krieg mit seinen Shahed-Drohnen beliefert, so kann es nur verwundern, welche geringe Bedeutung dem Thema in der internationalen Politik beigemessen wird. Umso mehr gilt das für eine Außenpolitik, die sich als feministisch versteht, aber für Frauen, Leben, Freiheit nur ein paar warme Worte übrig hat.