Die Mullahs spielen auf Zeit
Seit einigen Monaten kursieren Gerüchte, dass die USA mit dem Regime in Teheran geheime Verhandlungen führen. Mitte Juni berichtete die New York Times über konkrete Eckpunkte einer angeblich bevorstehenden neuen Vereinbarung. Den Berichten zufolge, die der Zeitung von drei hochrangigen israelischen Amtsträgern, einem iranischen und einem US-amerikanischen Regierungsvertreter bestätigt worden seien, geht es den USA um eine Eindämmung des Atomprogramms, um die Freilassung von US-amerikanisch-iranischen Geiseln und generell um den Abbau von Spannungen sowie die Verhinderung einer militärischen Konfrontation. Konkret soll Iran die Urananreicherung bei einem Anreicherungsgrad von 60 Prozent einfrieren und die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) verstärken. Des Weiteren soll der Iran für ein Ende der Angriffe auf US-Personal in Syrien und im Irak durch terroristische Gruppen sorgen und keine ballistischen Raketen an Russland verkaufen, sagten iranische Regierungsvertreter der Zeitung.
Als Gegenleistung verlangt der Iran die Freigabe von Milliarden US-Dollar an iranischen Einnahmen aus Energieexporten, die im Ausland durch US-Sanktionen blockiert werden. Ein erstes Zugeständnis wurde bereits gemacht: Anfang Juni genehmigten die Vereinigten Staaten dem Irak, ausstehende Schulden in Höhe von 2,76 Milliarden US-Dollar für Gas- und Stromkäufe an den Iran zu zahlen, ohne Sanktionen fürchten zu müssen. Der Iran verlangt auch, dass die USA keine weiteren Resolutionen der IAEA oder der UN gegen den Iran wegen dessen Atomprogramms anstreben und keine weiteren iranischen Öltanker beschlagnahmen wie zuletzt im April.
Die Zugeständnisse an das Regime wären gravierend, was in den USA politisch sehr umstritten ist. Die New York Times vermutet, dass die US-Regierung auch deshalb nicht von einem neuen Nuklearabkommen spricht, sondern nur eine »informelle Übereinkunft« anstrebt, weil einer solchen der US-Kongress nicht zustimmen müsste.
Sollte sich der Iran entscheiden, den letzten Schritt zur Herstellung von Atomwaffen zu gehen, bleibt sehr wenig Zeit, um dagegen Maßnahmen zu ergreifen.
Es handelt sich also mitnichten um das »dauerhafte und starke Abkommen«, welches US-Präsident Joe Biden zu Beginn seiner Amtszeit versprochen hatte. Im Gegenteil legitimiert diese neue Übereinkunft den Iran nun endgültig als nukleare Schwellenmacht. Der Iran verfügt über ein Atomprogramm »auf Abruf«, wie es der bekannte Kritiker des iranischen Atomprogramms, David Albright, Präsident des Institute for Science and International Security, formuliert. Albright wies kürzlich darauf hin, dass der Iran ausreichend hochangereichertes Material besitze, um innerhalb von drei Monaten waffenfähiges Uran für insgesamt acht Atomwaffen herzustellen. Zum Zusammenbau der fertigen Bomben brauche der Iran unterschiedlichen Schätzungen zufolge zusätzlich noch sechs bis 24 Monate.
Mit anderen Worten: Sollte sich der Iran entscheiden, den letzten Schritt zur Herstellung von Atomwaffen zu gehen, bleibt sehr wenig Zeit, um dagegen Maßnahmen zu ergreifen. Die Zeit spielt dem Regime in die Hände. Denn auch an den unterirdischen Anlagen, die einem möglichen Angriff mit bunkerbrechenden Bomben standhalten können, arbeitet der Iran weiter, so dass es immer schwieriger wird, das Atomprogramm militärisch aufzuhalten. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat sich deshalb kategorisch gegen die neue Vereinbarung ausgesprochen.
Problematisch ist aber vor allem das Prinzip, das der Minivereinbarung zugrunde liegt. Diese hilft der Stabilisierung des Regimes – gegen die Interessen der iranischen Bevölkerung im Land, die gegen das brutale Terrorregime kämpft. Die Menschen im Iran, in Israel und in der Region werden die Leidtragenden der neuen Vereinbarung sein.