Philosophisch angehauchter Rechtsextremismus
In der Nacht des 20. August 2022 explodierte auf einer Straße knapp außerhalb der Moskauer Stadtgrenze ein Auto. Der Sprengsatz tötete Darja Dugina, Tochter des russischen Ultranationalisten Aleksandr Dugin, auf der Stelle. Knapp drei Wochen später, am 8. September, wurde Charles III. zum britischen König gekrönt.
Auf den ersten Blick scheint die russische Propagandistin und den englischen Monarchen wenig zu verbinden, tatsächlich aber teilen beide ein Interesse am Traditionalismus, einer reaktionären Denkströmung, die in den vergangenen Jahren immer mehr Einfluss in der globalen Rechten gewonnen hat – im Fall von Charles am deutlichsten erkennbar in seinem 2010 erschienen Buch »Harmony: A New Way of Looking at Our World«.
Es handelt sich um die umfangreichste, allerdings auch sehr akademische Darstellung der Geschichte des Traditionalismus.
Der Gründer der Bewegung, René Guénon (1886–1951), verband ab den zwanziger Jahren antimodernes Denken mit einer religiösen Philosophie, die einen gemeinsamen Satz metaphysischer Wahrheiten im Inneren verschiedener Religionen proklamierte: die Tradition. Das Christentum habe aber den Zugang zu dieser verloren, weshalb die westliche Zivilisation bald untergehen werde. Für die Europäer bleibe nur die Hoffnung, diese Apokalypse durch Import einer östlichen Tradition abzuwenden oder von einer östlichen Kultur assimiliert zu werden. Nötig für die erste Option und in gewissem Maße auch die zweite sei eine Elite, die mittels östlicher, esoterischer Religiosität Zugang zur Tradition finde. Dieses Denken entfaltete auf verschiedensten Wegen seinen Einfluss im 20. Jahrhundert – trotzdem fehlt bisher eine populäre Einführung in diese Schule rechten Denkens.
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