Protest gegen den Massentourismus

Das Geschäft mit der Hochsaison

In zahlreichen Tourismuszentren protestieren Anwohner gegen die negativen Folgen des Massentourismus. Doch dieser ist wirtschaftlich bedeutend, der sogenannte nachhaltige Tourismus bleibt ein Nischenangebot.

Der Massentourismus wächst und wächst, auch wenn vielen Besuchern Venedig und Sevilla oder Inseln wie Mallorca längst überfüllt erscheinen und die Bewohner der Urlaubsparadiese gegen den touristischen Ausverkauf auf die Straße gehen. »Die liebste Urlaubsinsel der Deutschen erlebt einen der größten Proteste ihrer Geschichte«, schrieb die Nachrichtenagentur DPA schon im Mai. Rund 25.000 Menschen skandierten auf den Straßen der Inselhauptstadt Palma: »Mallorca steht nicht zum Verkauf«.

Ähnliche Proteste gibt es auf den Kanaren und in touristischen Städten auf dem Festland, in Barcelona machten diese Woche Demonstranten sogar mit Wasser­pistolen Jagd auf Touristen. Denn manche Orte werden zu Tode geliebt. Dazu gehören klassische Urlaubsziele wie Mallorca und die Kanaren, Venedig oder Dubrovnik, aber auch neue Orte, die eine schnelle Instagram-Karriere hinlegen. Ob eine Wiese am Königs­see oder ein teures Restaurant in Singapur – einige Posts von Influencern können in Windeseile neue touristische Anziehungspunkte schaffen.

Hohe Lebenshaltungskosten, wegen der Ferienwohnungen knapper und überteuerter Wohnraum, das Verschandeln der Landschaft, Städte, die außerhalb der Hochsaison aussterben, der gewaltige Ressourcenverbrauch – all das kritisieren Bürgerinitiativen und Umweltgruppen schon lange, nicht nur auf Mallorca.

Wie als Symbol für den überreizten Tourismus, unter dem Mallorca leidet, stürzte wenige Tage vor den Protesten im Mai ein Restaurant am sogenannten Ballermann ein. 

Wie als Symbol für den überreizten Tourismus, unter dem die Insel leidet, stürzte wenige Tage vor den Protesten im Mai ein Restaurant am sogenannten Ballermann ein. Als Ursache werden Baumängel und Überlastung vermutet. Für die Terrasse des »Medusa Beach Club« gab es keine Betriebslizenz und sie war ohne Genehmigung ausgebaut worden, was bei den schnell hochgezogenen touristischen Anlagen nicht selten ist. Bei dem Unglück gab es vier Tote, darunter zwei junge Frauen aus Deutschland.

Das Unglück am Ballermann, der als massentouristische Vergnügungsmeile verschrien ist, lenkt die Kritik auf Billigurlauber, die gerne zum Buhmann stilisiert werden, obwohl der eigentlich bestimmende Faktor das Profitstreben der Tourismusindustrie ist. Urlaub am Ballermann, im Viersternehotel, in der All-inclusive-Anlage, auf dem Luxusdampfer oder in der schicken Airbnb-Unterkunft, ist nicht nur eine Stil-, sondern vor allem eine Preisfrage; aber vor allem der sogenannte Qualitätstourismus – das heißt der teure Tourismus – belastet die Landschaft und die knappen Wasserressourcen mit dem obligatorischen Schwimmbad oder dem üppig begrünten Golfplatz.

Vermietung von Ferienwohnungen verbieten

Die lokalen Regierungen ergreifen nur zaghaft Maßnahmen, um die Interessen von Anwohnern zu schützen. Oft betrifft das den Wohnungsmarkt. Der sozialdemokratische Bürgermeister von Barcelona, Jaume Collboni, will bis Ende 2028 die Vermietung von Ferienwohnungen verbieten. Das soll den Mietsteigerungen entgegenwirken und die Wohnungsnot bekämpfen. Eintrittsgelder für Städte oder Plätze, wie sie in Venedig oder Sevilla verlangt werden, dürften hingegen nur wenige Urlauber abschrecken. Sie belasten die Urlaubskasse kaum mehr als ein Aperol Spritz am Nachmittag.

Geht es um den Umweltschutz, hat das Argument, dass der Tourismus Arbeitsplätze und Investoren bringe, meist die Bemühungen ökologisch orientierter Kräfte ausgehebelt. Die Tausenden Demonstranten fordern deshalb vielerorts nicht nur einen anderen, verträglicheren Tourismus, sondern auch Mitbestimmung.

Eine Branche mit Wachstumspotential 

Doch ob in Spanien, Italien oder Griechenland – zumeist wird das Ziel der Vollbeschäftigung zur Hochsaison angestrebt und der Tourismus gilt vielerorts als eine der wenigen Branchen, die noch Wachstumspotential haben. Beschränkungen sind dementsprechend unpopulär. Touristische Großketten verfügen über etablierte Geschäftsmodelle und fertige Konzepte, die Initiativen für nachhaltigen und regionalen Tourismus sich erst mühsam erarbeiten müssen. Diese wirken dann oft auch eher wie eine marginale Erweiterung der touristischen Angebotspalette für eine auf ökologischen Konsum konzen­trierte Klientel denn als grundsätzliche Alternative.

Ein Tourismus, der nicht auf Kosten der Natur und der lokalen Bevölkerung geht, ist mühsam, auch für die Reisenden selbst. Er erfordert mehr Suche bei der Wahl der Ziele. Es sind nicht nur die Tourismusunternehmen, die ein Interesse an leicht vermarktbarem Massentourismus haben, sondern auch die Urlauber selbst, die ­ihrem stressigen Alltag durch eine unkomplizierte Reise entfliehen wollen – beispielsweise indem sie schnell auf die Kanaren fliegen.