Das Bündnis Sahra Wagenknecht legt ein dürftiges Parteiprogramm vor

Weder links noch rechts

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat sein Programm veröffentlicht. Auf gerade mal vier Seiten beweist es, dass die neue Partei inhaltlich nichts zu bieten hat.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bleibt weiter im Ungefähren. Und das hat Strategie. Die Partei soll ein Auffangbecken für all diejenigen sein, die aus welchen Gründen auch immer unzufrieden sind. Dafür braucht es einen diffusen Populismus, der klare Aussagen scheut. Das jüngst veröffentlichte vage formulierte Programm für die Europawahl zeugt davon. Und dass der Leipziger Stadtratskandidat Eric Recke kein Porträt von sich in der Zeitung ­sehen will, weil im BSW Einzelpersonen nicht im Vordergrund stünden, spricht auch für sich – wohlgemerkt bei einer Partei, die nach einer Einzelperson ­benannt ist.

Dem BSW scheint gerade die erste erfolgreiche Parteigründung seit der AfD zu gelingen. Dementsprechend groß ist das Medieninteresse, das der Partei zugutekommt. Wären jetzt Bundestagswahlen, würde das Bündnis Umfragen zufolge zwischen fünf und sieben Prozent erzielen und steht somit besser da als die Linkspartei mit drei bis vier Prozent. Bei der sächsischen Landtagswahl werden dem BSW zehn bis elf Prozent prognostiziert, der Linkspartei fünf.

Und auch bei den Landtagswahlen in Brandenburg stünde die neugegründete Partei (zehn bis zwölf Prozent) vor der Linkspartei (sechs bis sieben Prozent). In Thüringen ist das BSW in Umfragen mit 13 bis 15 Prozent die viertstärkste Partei hinter der Linkspartei (16 bis 18 Prozent). Die AfD ist hier noch immer an erster Stelle (29 bis 31 Prozent), gefolgt von der CDU (20 bis 21 Prozent). Dabei besitzt die Partei nur rudimentäre Strukturen. Landesverbände existieren bislang nur im Saarland, in Sachsen und in Thüringen. Für Ende Mai wurde die Gründung ­eines vierten in Brandenburg angekündigt.

Die mediale Dauerpräsenz lässt Sahra Wagenknecht als politisch besonders kompetent erscheinen.

Bei der Personalauswahl ist man konsequent. Sahra Wagenknecht hatte angekündigt, Mitgliedsanträge prüfen zu lassen. Die Partei dürfe nicht »von Spinnern gekapert« werden. Zum Gründungsparteitag Ende Januar waren daher erst etwa 450 Mitglieder aufgenommen worden. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Diether Dehm, etwa war nicht dabei – sei es, weil er offenbar keine Probleme damit hat, dem rechtsextremen Magazin Compact und dem rechten Medienportal »Auf1.tv« Interviews zu geben, oder sei es, weil er während der Covid-19-Pandemie regelmäßig durch Querfront-Auftritte auffiel. Für den 1. Mai waren er und der rechtsextreme ehemalige AfD-Politiker André Poggenburg als Redner einer Veranstaltung unter dem Motto »Frieden, Freiheit, soziale Gerechtigkeit« in Zeitz ­angekündigt.

Gleichzeitig gewann das Bündnis bekannte Gesichter für sich. Fabio De Masi (ehemals Linkspartei) etwa wollte sich nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 2021 für einige Zeit aus der Politik zurückziehen und tritt nun als einer der Spitzenkandidaten des BSW bei der Europawahl an. Vorne auf der Wahlliste erscheint auch Thomas Geisel, ehemaliger SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf. Auch die Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf wechselte von der Linkspartei zum BSW, für das sie im September bei der Thüringer Landtagswahl antreten wird.

Die sächsische Landesvorsitzende Sabine Zimmermann hingegen ist we­niger bekannt, obwohl sie einst für die Linkspartei im Bundestag saß. In einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung verortete sie die Partei »links der CDU, rechts der SPD«. Wagenknecht hingegen sagte, die Partei stünde weder links noch rechts. Und De Masi teilte dem Magazin Jacobin mit: »Ich würde nicht sagen ›wir sind weder links noch rechts‹.« Der Begriff »links« werde heute anders wahrgenommen als in der Vergangenheit. Viele verstünden dar­unter mittlerweile »elitäre und weltfremde Diskurse und Lifestyles«. Es gehe nicht mehr um den »Konflikt zwischen Kapital und Arbeit«. Das habe zu einer »Entfremdung linker Parteien von bestimmten sozialen Schichten« beigetragen. Mit den Bezeichnungen rechts und links komme man daher nicht weiter. Man bemerkt jedenfalls eine gewisse Uneinigkeit in der Wortwahl.

Der AfD-Spruch zur vergangenen Bundestagswahl »Deutschland. Aber normal« könnte auch vom BSW stammen.

Durch die Schlagworte Vernunft, Gerechtigkeit und Frieden bleibt das Bündnis inhaltlich unbestimmt. Zugleich lassen diese Begriffe aber den ­politischen Gegner als ungerecht, unvernünftig und kriegsbereit erscheinen. Das vierseitige Parteiprogramm, das Ende April veröffentlicht wurde, zeugt davon. Viele Menschen »haben zu recht den Eindruck, nicht mehr in dem Land zu leben, das die Bundesrepublik einmal war«, heißt es dort. Von den etablierten Parteien fühlten sie sich nicht mehr vertreten.

Der AfD-Spruch zur vergangenen Bundestagswahl »Deutschland. Aber normal« könnte auch vom BSW stammen. Beim iden­titätspolitischen Kulturkampf mischt das Bündnis eifrig mit. Das zeigt die Überbetonung des Arbeitsbegriffs: »Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der das Gemeinwohl höher steht als egoistische Interessen und in der nicht Trickser und Spieler gewinnen, sondern diejenigen, die sich anstrengen und gute, ehrliche und solide Arbeit leisten.«

Das Programm ist letztlich im Wesentlichen die Verschriftlichung der Talkshow-Auftritte Wagenknechts. Die mediale Dauerpräsenz lässt sie als ­politisch besonders kompetent erscheinen und die Umfrageergebnisse beweisen, dass sie von dieser kostenlosen Wahlwerbung profitiert.