Antisemitismus in Polen

Denkmal für die Warschauer Ghettokämpfer:innen teilweise zerstört

In Warschau haben Unbekannte Ende Februar das erste Denkmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto gegen die deutschen Besatzer beschädigt. Es war 1946 von den überlebenden polnischen Juden und Jüdinnen gestiftet worden.

Am 19. April 1946 weihten die wenigen polnischen Juden und Jüdinnen, die die Shoah überlebt hatten, auf dem Gebiet des ehemaligen Geländes des Warschauer Ghettos ein Denkmal für die Kämpfer und Kämpferinnen des dortigen Aufstands gegen die deutschen Besatzer ein, der am 19. April 1943 begonnen hatte. Es war der erste bewaffnete Widerstand einer Stadtbevölkerung im deutsch besetzten Europa.

Das Denkmal wurde in einer Landschaft aus Trümmerbergen und in unmittelbarer Nähe zu einem der wenigen erhalten gebliebenen Gebäude im nördlichen Teil Warschaus, der dem Erdboden gleichgemacht worden war, auf einem Platz an der Ecke Gęsia-Straße errichtet, die nach dem Kommandanten des Aufstands, Mordechaj Anielewicz, benannt ist, und der Zamenhof-Straße, die zum sogenannten Umschlagplatz führte. Dort hielten die Deutschen und ihre Helfer in den Jahren 1942 und 1943 Juden und Jüdinnen aus dem Ghetto in Vorbereitung auf die Deportation gewaltsam fest. Die Züge wurden von Warschau in das 90 Kilometer entfernt gelegene Vernichtungslager Treblinka gefahren.

Die Überlebenden, die das Denkmal stifteten, glaubten im April 1946 trotz der präzedenzlosen NS-Vernichtungspolitik noch an die Möglichkeit eines Wiederaufbaus jüdischen Lebens in einem freien Polen.

Das vom Architekten Leon Marek Suzin im Auftrag der Vertretung der Überlebenden, des Zentralkomitees der Juden in Polen, entworfene Denkmal, das als symbolisches Grab der Ghettokämpfer und -kämpferinnen verstanden wurde, besteht aus einer Anordnung kreisförmiger Elemente. Es hat eine offene Form, ist begehbar und besteht aus religiösen und säkularen Symbolen. Es gilt als vergangenheits- und zukunftsorientiert.

Die Inschrift, verfasst in den drei Sprachen der polnischen Juden und Jüdinnen – Polnisch, Jiddisch, Hebräisch –, ist in eine kreisförmige Gedenktafel eingelassen, die auf einem Sockel aus rotem Sandstein angebracht ist. Die Gestaltung erinnert an einen Kanaldeckel. Der Inhalt der Inschrift verbindet jüdischen Partikularismus und Universalismus miteinander. Unter dem Datum »19.IV.1946« ist der Text eingelassen, der übersetzt lautet: »Denjenigen, die in einem beispiellosen, heldenhaften Kampf um die Würde und Freiheit der jüdischen Nation, um ein freies Polen und um die Befreiung des Menschen fielen. Die polnischen Juden.«

Die Überlebenden, die das Denkmal stifteten, glaubten im April 1946 trotz der präzedenzlosen NS-Vernichtungspolitik – von den 3,3 Millionen polnischen Juden hatten nur 35.000 bis 50.000 im deutsch besetzten Polen überlebt – noch an die Möglichkeit eines Wiederaufbaus jüdischen Lebens in einem freien Polen, auch frei von Antisemitismus.

Die Gedenktafel, zu der eine dreistufige Treppe führt, ist von zwei weiteren Kreisen umgeben, die in den Boden eingelassen sind. Auch diese Form erinnert an Kanaldeckel: ein Verweis darauf, dass für die 60.000 jüdischen Männer, Frauen und Kinder, die im April und Mai 1943 im brennenden Ghetto eingeschlossen waren, eine Flucht allein durch die Kanalisation möglich war.

Ende Februar 2024 wurden zwei Elemente des Denkmals gewaltsam herausgerissen.

Nachdem die Deutschen unerwartet auf bewaffneten Widerstand der in der Jüdischen Kampforganisation und dem Jüdischen Militärverband organisierten Männer und Frauen gestoßen waren, gingen sie nach ein paar Tagen dazu über, das Ghetto Haus für Haus niederzubrennen und die Menschen, die sich in den unterirdischen Bunkern versteckt hielten, zu ermorden. Den Großteil (350.000 Menschen) der Ghettobewohner, zu denen nicht nur polnische Juden und Jüdinnen aus Warschau und anderen Städten gehörten, sondern auch deutsche, die aus verschiedenen Städten des Deutschen Reichs im März und April 1942 ins Ghetto deportiert worden waren, hatten die deutschen Besatzer zwischen Juli und September 1942 nach Treblinka verschleppt und dort unmittelbar nach der Ankunft ermordet.

Die Inschrift, verfasst in den drei Sprachen der polnischen Juden und Jüdinnen – Polnisch, Jiddisch, Hebräisch –, ist in eine kreisförmige Gedenktafel eingelassen

Die Inschrift, verfasst in den drei Sprachen der polnischen Juden und Jüdinnen – Polnisch, Jiddisch, Hebräisch –, ist in eine kreisförmige Gedenktafel eingelassen

Bild:
Katrin Stoll

Zurück zum Denkmal von 1946: Der zweite, in den Boden eingelassene Kreis, der sich direkt gegenüber der Tafel mit der dreisprachigen Inschrift befindet, enthielt bis Ende Februar 2024 zwei jüdische Symbole, die sich unter einem Palmenzweig befanden. Auf einer Metallplatte, die eine Thorarolle symbolisiert, war der zweite Buchstabe des hebräischen Alphabets angebracht: Bet. Das ist der erste Buchstabe des ersten Wortes der Tora: »בְּרֵאשִׁית« bzw. »Bereschit«. Es bedeutet »Im Anfang«.

Ende Februar 2024 wurden diese beiden Elemente der jüdischen Religion und Tradition gewaltsam herausgerissen. Das Denkmal wurde zum ersten Mal beschädigt. In einer Stellungnahme, die das Jüdische Historische Institut in Warschau auf seiner Internetseite veröffentlichte, heißt es, dass ein Bürger der Stadt die weggeworfene Platte mit dem Buchstaben bet gefunden und dem Institut übergeben habe.

Die Hoffnung der wenigen Überlebenden der polnischen Juden, als gleichberechtige Bürger ohne antisemitische Anfeindungen in einem neuen polnischen Staat zu leben, zerschlugen sich mit dem Pogrom von Kielce. In der südostpolnischen Stadt wurden am 4. Juli 1946 über 40 Juden und Jüdinnen, Überlebende der Shoah, aufgrund eines Gerüchts ermordet.

Nach dem Pogrom von Kielce kam es zu einer Massenflucht der Überlebenden aus Polen.

Der jüdische Widerstandskämpfer und Zionist Jitzhak Zuckerman, der den Warschauer Ghettoaufstand überlebt hatte, fuhr umgehend nach Kielce und sorgte dafür, dass die jüdischen Verletzten unter Geleitschutz in Zügen aus der Stadt transportiert und in Sicherheit gebracht wurden. Nach dem Pogrom kam es zu einer Massenflucht der Überlebenden aus Polen – die wenigen polnischen Juden und Jüdinnen, von denen die meisten die Shoah in der Sowjetunion überlebt hatten, folgerten mehrheitlich daraus, dass sie auch in Zukunft in Polen nicht sicher sein würden. Auch Zuckerman verließ Polen und gelangte 1947 nach Palästina.

Die Entscheidung für das zweite vom Bildhauer Nathan Rappaport und Suzin gestaltete Denkmal, das 1948 am fünften Jahrestag des Ghettoaufstands auf dem gleichen Platz in der Nähe zum ersten Denkmal eingeweiht wurde, fiel Ende Juli 1946.

Rappaport zufolge, den die Nachricht vom Ghettoaufstand in Warschau im Sommer 1943 in der Sowjetunion erreicht hatte, ist es sowohl »den Helden des Ghettos als auch dem kämpfenden Palästina« gewidmet. Es ist eine Art Abschiedsdenkmal der jüdischen Nation in Polen. Es erinnert sowohl an die Ghettokämpfer und -kämpferinnen als auch an alle jüdischen Männer, Frauen und Kindern, die von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg ermordet wurden. Seit über zehn Jahren wird das Denkmal vom Museum der Geschichte der Polnischen Juden, Polin, das kein jüdisches Museum ist, überragt und verdeckt.