Die antiamerikanischen Proteste in China vor 25 Jahren, nachdem Nato-Bomben die chinesische Botschaft in Belgrad trafen

Die Geburt eines neuen Nationalismus

Als im Mai 1999 Bomben der Nato die chinesische Botschaft in Belgrad trafen, löste das in China heftige gegen die USA gerichtete Proteste aus. Diese wurden von der Regierung befördert, boten den Teilnehmern aber auch die seltene Möglichkeit, öffentlich zu protestieren. Es zeigte sich, dass im Kontext von Chinas vollständiger Integration in den Weltmarkt der antiwestliche Nationalismus erstarkt war.
Von Wu Qin

Am 8. Mai 1999 um fünf Uhr morgens Pekinger Zeit führte die Nato im Zuge des Kosovo-Krieges einen ihrer Luftangriffe auf Belgrad durch. Aus verschiedenen Richtungen trafen fünf Bomben die chinesische Botschaft, vier davon detonierten. Drei chinesische Journalisten – Shao Yunhuan, Xu Xinghu und Zhu Ying – wurden getötet. Nachdem diese Nachricht in China bekannt geworden war, kam es in allen großen Städten des Landes zu Studentenprotesten, die als Bewegung des achten Mai bekannt wurden.

»Damals sah ich zum ersten Mal, wie Studenten auf das Podium der Xiang­hui-Halle, dem größten Hörsaal der Fu­dan-Universität in Shanghai und einem Versammlungsort mit symbolischer Bedeutung (an der Universität Shanghai nahm die Kulturrevolution 1966 ihren Ausgang, Anm. d. Red.), stürmten, erfüllt von Trauer und Empörung, und dabei riefen: ›Nieder mit dem US-Im­perialismus!‹ Der gesamte Hörsaal wiederholte die Parole mit wachsender Begeisterung. Eine solche Szene kannte man nur aus Filmen der sechziger und siebziger Jahre.«

Dieser Anblick hinterließ bei Zhang Xin, heute Lehrbeauftragter an der ­Pädagogischen Universität Ostchina in Shanghai, einen tiefen Eindruck. 1999 war er im zweiten Jahr Doktorand an der Fudan-Universität und arbeitete nebenher als fudaoyuan (eine Art politischer Betreuer und Verbindungsmann zu Hochschulleitung und dem Kommunistischen Jugendverband, Anm. d. Red.). »Nach der Versammlung liefen die Studenten lange auf dem Rasen vor dem Hörsaal auf und ab und wollten nicht gehen«, erinnert sich Zhang.

Am späteren Abend hatten sich Demonstranten vor dem Eingang der US-Botschaft in Peking versammelt und warfen Pflastersteine auf das Gebäude. Auch die Konsulate in Shanghai, Shen­yang und Chengdu waren von Demon­stranten umringt. In Chengdu setzten die Demonstranten sogar das Haus des Generalkonsuls in Brand. In Städten ohne US-Konsulat zogen die Demon­stranten zu McDonald’s-Filialen, um ­ihrem Unmut Luft zu machen.

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