Die polnischen Bauernproteste belasten die Beziehungen zur Ukraine

Die Scholle verteidigen

Seit Monaten protestieren auch in Polen Bauern und Transporteure gegen EU-Auflagen und das Freihandelsabkommen mit der Ukraine. Obwohl die EU-Kommission nun Vorschläge zu einer Abschwächung ihres »Green Deal« gemacht hat, gehen die Proteste weiter. Das Abkommen mit der Ukraine wurde mit Einschränkungen erneuert.

Blockade, Bauernstreik, Belagerung – die Ankündigung für die Proteste der polnischen Bauern klangen martialischer denn je. Seit dem 20. März protestierten Bauern in über 580 Ortschaften wieder gegen den »European Green Deal« und den Fall der Verkaufspreise landwirtschaftlicher Produkte. Mit Traktoren blockierten sie Grenzübergänge und Zufahrtsstraßen.

Die Protestdemonstrationen haben schon im Herbst begonnen. Bereits im November 2023, als noch die Partei PiS die Regierung stellte, blockierten zunächst Transportunternehmer und anschließend Bauern polnisch-ukrainische Grenzübergänge. Ende Februar dieses Jahres gingen die Landwirte dann zu einer neuen Strategie über und organisierten neben Straßenblockaden auch Proteste in Warschau. Am 6. März versammelten sich einige Zehntausend Demonstranten in der Hauptstadt. Dabei kam es auch zu gewaltsamen Ausschreitungen. Teilnehmer versuchten, auf das Gelände des Sejms vorzudringen, zündeten Pyrotechnik und griffen Polizeibeamte mit Steinen an.

Auf den Protesten tauchten Plakate und Parolen auf, die sich nicht nur kritisch auf den europäischen »Green Deal« bezogen, sondern auch auf die EU als Ganzes.

Der Widerstand richtete sich gegen geplante EU-Regelungen, wie beispielsweise die Brachlegung von vier Prozent der Ackerfläche oder das Verbot bestimmter Pestizide. Auf den Protesten tauchten Plakate und Parolen auf, die sich nicht nur kritisch auf den europäischen »Green Deal« bezogen, sondern auch auf die EU als Ganzes. Darin ähneln die polnischen Bauernproteste denen in anderen europäischen Ländern. Sie alle kritisieren, die EU-Vorgaben würden besonders kleinen Höfen finanzielle Lasten und bürokratischen Mehraufwand auferlegen.

Dementsprechend begrüßten polnische Bauernvertreter die am 15. März von der EU-Kommission gemachten Vorschläge zur Abmilderung der Vorgaben. Besonders positiv wurden die Lockerung der Bracheregelungen sowie die Aufhebung der Umweltschutzkon­trollen für Höfe unter zehn Hektar Fläche aufgenommen. In Polen sind es immerhin drei Viertel der landwirtschaftlichen Betriebe, die unter diese Größenordnung fallen. Trotzdem wurden für die Tage nach der Verkündung des Kompromisses weitere Proteste angekündigt; so auch der Bauernstreik, der am 20. März begann.

Zölle auf Agrarprodukte

Dass die Demonstrationen in Polen trotz der Zugeständnisse weitergehen, liegt vor allem am zweiten Thema der Proteste: Die Landwirte warnen vor einer Überschwemmung der polnischen Märkte mit ukrainischen Produkten, die nicht nur die Preise drückten, sondern auch von schlechterer Qualität seien.

Immer wieder wird ein Handelsembargo für Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Produkte aus der Ukraine gefordert. Dabei warteten die Bauern auch nicht auf politische Lösungen, sondern nahmen die Dinge selbst in die Hand. Neben Blockaden von Grenzübergängen und der eigenmächtigen Kontrolle von Transporten aus der Ukraine wurde in den vergangenen Monaten auch ukrainisches Getreide aus LKW und Zügen verschüttet. Auch diesbezüglich war die EU-Kommission auf die Forderungen der Bauern eingegangen. Zwar wurde das Freihandelsabkommen mit der Ukraine um ein Jahr verlängert, allerdings Zölle auf Agrarprodukte eingeführt.

Tatsächlich waren die Produktionspreise für landwirtschaftliche Produkte im Zuge von Inflation und Krieg stark angestiegen; dessen ungeachtet bleiben die Marktpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse, besonders Getreide, derzeit auf einem niedrigen Niveau. Kurz vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 erbrachte eine Tonne Weizen etwa 1.200 Złoty, derzeit beträgt ihr Preis fast nur noch die Hälfte dessen.

Die Oppositionsparteien PiS und Konfederacja fordern ein vollständiges Handelsembargo gegen die Ukraine.

Zur schwierigen wirtschaftlichen Situation der polnischen Bauern haben mehrere Faktoren beigetragen. Erstens die Fehleinschätzung des damaligen Landwirtschaftsministers Henryk Kowalczyk (PiS), der ihnen zu Beginn der russischen Invasion der Ukraine, als die Getreidepreise in die Höhe schossen, dazu geraten hatte, mit dem Verkauf noch zu warten, weil die Preise noch weiter steigen würden. Das Gegenteil war jedoch der Fall.

Zweitens wurden, nachdem die EU im Juni 2022 die Zölle auf ukrainische Produkte aufgehoben hatte, große Mengen ukrainischen Getreides durch Polen transportiert. Diese waren zwar nicht zum Verkauf im Land vorgesehen, aber fehlende Kapazitäten zum Weitertransport und die günstigen Preise der ukrainischen Produkte sorgten trotzdem dafür, dass die polnischen Getreidespeicher sich füllten und die Preise fielen. Seit Frühjahr 2023 hat Polen deshalb – zunächst mit Zustimmung der Europäischen Kommission und später eigenmächtig – ein Importverbot für ukrainische Landwirtschaftsprodukte verhängt. Trotz Kritik der EU-Kommission und einer Klage der Ukraine vor der Welthandelsorganisation rührt die derzeitige polnische Regierung dieses Verbot nicht an: Bis heute ist nur der Transit ukrainischer Produkte durch Polen erlaubt.

Russische Dumpingpreise

Die Getreidepreise in Polen bleiben dennoch niedrig. Die Oppositionsparteien PiS und Konfederacja fordern ein vollständiges Handelsembargo gegen die Ukraine, und auch auf den Protesten taucht die Forderung nach der Begrenzung oder dem Stopp des Handels mit dem Nachbarland immer häufiger auf. Dies lehnt die Regierungskoalition des Ministerpräsidenten Donald Tusk jedoch vehement ab. Nicht nur würden damit die derzeit ohnehin kriselnden polnisch-ukrainischen Beziehungen einen harten Rückschlag erleiden, es wäre für Polen auch ökonomisch von Nachteil: Im Jahr 2023 betrug der polnische Exportüberschuss im Handel mit der Ukraine 31,4 Milliarden Złoty.

Außerdem ist es nicht das ukrainische Getreide, das für die geringen Preise auf dem Weltmarkt verantwortlich ist. Russlands Anteil am weltweiten Getreidemarkt ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen, die russische Führung zielt mit ihren Dumpingpreisen derzeit darauf ab, die internationalen Märkte zu destabilisieren. Ministerpräsident Tusk bemüht sich deshalb seit Anfang März bei der Europäischen Kommission darum, ein Embargo auf russische und belarussische Produkte einzuführen.

Die Bauernproteste verfügen über eine breite gesellschaftliche Basis.

Damit versucht die polnische Regierung womöglich auch, den Unmut der Bauern von der Ukraine abzulenken. Dieser äußerte sich während der Proteste nicht nur in Grenzblockaden, sondern auch auf Plakaten und in Slogans mit antiukrainischen Aussagen. Größtenteils richteten diese sich gegen die Einfuhr ukrainischen Getreides, aber einige riefen auch dazu auf, die polnische Solidarität mit der Ukraine aufzukündigen.

Solche Bilder wurden von der russischen Propaganda dankbar aufgegriffen, woraufhin auch in Polen spekuliert wurde, ob die Bauernproteste nicht von russischen Kräften angeheizt würden. Einigen an den Demonstrationen teilnehmenden Organisationen, wie beispielsweise der rechtsextreme Konfederacja, wird schon länger Nähe zu Russland vorgeworfen, dennoch greifen die Vermutungen wohl zu weit. Russische Einflussnahme wird im polnischen politischen Diskurs allzu oft vermutet, um einer Auseinandersetzung mit unliebsamen internen politischen Entwicklungen aus dem Weg zu gehen.

Die Bauernproteste verfügen außerdem über eine breite gesellschaftliche Basis. Sie werden getragen von lokalen Zusammenschlüssen von Landwirten und bäuerlichen Gewerkschaften und erfreuen sich Umfragen zufolge in der Bevölkerung Zustimmungswerten von 78 Prozent. Versuche, die Proteste politisch zu instrumentalisieren, waren bisher wenig erfolgreich. Zwar unterscheiden sich die Lösungsvorschläge der Parteien im Grad ihrer Rigorosität gegenüber der EU und der Ukraine, aber eigentlich sind sich alle politischen Kräfte in Polen einig, dass die Bauern ein legitimes Anliegen haben. Auch Ministerpräsident Tusk sieht es als eine nationale Aufgabe an, deren Forderungen auf EU-Ebene zu vertreten.