Die FDP ist populistisch, aber nicht populär

Sabotieren geht über Regieren

Lindners Schlawinertum in der Bundesregierung ist nicht nur für das Publikum, sondern auch für seine Koalitionspartner schwer erträglich. Dennnoch haben alle drei Teile der Ampel derzeit wenig Interesse an Neuwahlen.
Was kümmert mich der Dax Von

Es ist ungewöhnlich, wenn ein Ministerium eine vierseitige Stellungsnahme veröffentlicht, in der »die Politik« getadelt wird, weil sie es sich »zu leicht gemacht und keine wirklichen Impulse für Wachstum und Fortschritt gesetzt« habe. Auch kann man sich fragen, ob es die Aufgabe eines Ministeriums ist, Urteile wie »Deutschland ist träge geworden« auszustellen.

Handelt es sich um das von Christian Lindner (FDP) geführte Finanzministerium, wundert man sich allerdings nicht mehr, denn die kleinste Partei der Ampelkoalition gibt sich seit dem Streit über das Heizungsgesetz immer wieder gerne auch als Stimme der Opposition. Erst einigt man sich mit den Koalitionspartnern über ein Gesetz, erweist es sich als unpopulär, stellt man es wieder in Frage – meist verbunden mit einem Appell an reaktionäre Ressentiments.

Erst einigt man sich mit den Koalitionspartnern über ein Gesetz, erweist es sich als unpopulär, stellt man es wieder in Frage – meist verbunden mit einem Appell an reaktionäre Ressentiments.

Der von Lindner bereits propagandistisch eingeleitete Streit über den Haushalt 2025 würde die Gelegenheit bieten, die Koalition platzen zu lassen. Allerdings gibt es da ein Problem: Nur bei einer am 25. Januar veröffentlichten Allensbach-Umfrage kommt die FDP noch auf sechs Prozent, allen nachfolgenden Umfragen zufolge würde sie mit vier, bestenfalls 4,5 Prozent den Einzug in den Bundestag verfehlen.

Lindner hat die Partei, die bei der Bundestagswahl 2021 immerhin auf 11,5 Prozent kam, kontinuierlich heruntergewirtschaftet. So etwas passiert nicht zum ersten Mal, von 2013 bis 2017 war die FDP nicht im Bundestag vertreten. Nun aber fällt der Niedergang in eine Zeit, in der auch in Deutschland das traditionelle Parteiensystem Auflösungserscheinungen zeigt.

Die FDP ist die Partei des »Mittelstands«, doch die Mittelschicht spaltet sich in ideologische Lager – wohlhabende Lohnabhängige neigen eher zu den Grünen, Kleinunternehmer zur AfD. Die FDP ist populistisch, wird dadurch aber nicht populär, vermutlich vor allem, weil in der derzeitigen Polarisierung Halbheiten nicht gut ankommen.

Flüchtlinge schikanieren, aber ausländische Fachkräfte hofieren – so gewinnt man weder liberale Humanist:innen noch Rassist:innen. Wer den Klimawandel leugnet, wählt lieber gleich AfD; wer die Gefahr der Erderwärmung hingegen ernst nimmt, kann sich mit der unausgegorenen »Technologieoffenheit« der FDP schwerlich zufrieden geben. Auch die mittlerweile offenkundige Obstruktion der Regierungsarbeit dürfte bei an seriöser Politik interessierten potentiellen Wähler:innen schlecht ankommen.

Die FDP hat das Glück, dass auch ihre Koalitionspartner offenbar keine Neuwahlen wollen. Die SPD müsste mit einem Verlust in Höhe von zehn Prozentpunkten im Vergleich zur vergangenen Bundestagswahl rechnen, die Grünen liegen zwar mit etwa 13 Prozent in den Umfragen nur knapp unter ihrem Ergebnis von 2021, doch bliebe ihnen – wie auch der SPD – wohl nur eine Regierungsbeteiligung als Juniorpartner der Union, die als einzige der traditionellen Parteien ihren Stimmenanteil seit 2021 erhöhen konnte und auf mehr als 30 Prozent kommt. Da erträgt man wohl lieber noch eine Weile Lindners Schlawinertum, statt sich, bevor es unumgänglich wird, dem Chefgehabe von Friedrich Merz auszusetzen.