Wie NS-Verbrecher in Ägypten Unterschlupf suchten

Nazis am Nil

Von »unseren Nazis in Ägypten« sprach einst Konrad Adenauer. Tatsächlich suchten NS-Schergen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur Zuflucht in dem nordafrikanischen Land, sondern es hielten sich auch deutsche Militärberater in Ägypten auf. Das Land versuchte auch, mit deutscher Unterstützung Raketensysteme zu entwickeln. Die Historikerin Ulrike Becker hat für ihre umfangreiche Studie »Nazis am Nil« die Beziehungen zwischen Ägypten und der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1965 untersucht. Dabei legt sie auch ein Augenmerk auf diejenigen, die in Ägypten Unterschlupf suchten, zum Beispiel Mitglieder der 1952 verbotenen, nationalsozialistisch ausgerichteten Sozialistischen Reichspartei.
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Unterschlupf in Kairo: 
Deutsche Nazis in Ägypten

Während die Militärberater und Rüstungsexperten in Ägypten neue Karrierechancen verfolgten, suchten andere vorrangig ein Exil auf der Flucht vor Strafverfolgung. Darunter waren die ehemaligen KZ-Ärzte Aribert Heim und Hans Eisele sowie der ehemalige SS-Obersturmführer Hans Zech-Nenntwich. Zu Beginn der 1950er Jahre kam die Führungsriege der »Sozialistischen Reichspartei« (SRP) an den Nil, darunter Fritz Dorls, Otto Ernst Remer und Wilhelm Springer, nachdem die Partei in der Bundesrepublik verboten worden war. Der antisemitische Propagandist Johann von Leers fürchtete einen Prozess in der Bundesrepublik und blieb deshalb von 1956 bis zu seinem Tod im Jahr 1965 in Ägypten. Otto Skorzeny und Wilhelm Beisner betätigten sich im Waffengeschäft. Der Lehrer Ludwig Zind floh vor einer Gefängnisstrafe wegen antisemitischer Drohungen und Beleidigungen nach Ägypten. Dazu wird es eine Dunkel­ziffer unbekannter Größe von Fällen geben, die nie an die Öffentlichkeit drangen. Dies zeigt der Fall des KZ-Arztes Aribert Heim, dessen Aufenthalt in Ägypten erst im Jahr 2009 bekannt wurde. Laut Aussagen seines Sohnes und Recherchen des ZDF und der New York Times hielt sich Heim, der bis dahin in Lateinamerika vermutet worden war, seit 1962 in Ägypten auf. Unterlagen über seine Anwesenheit in Ägypten konnte ich im Archiv des Auswärtigen Amtes nicht finden. Der bekannteste Nazi, der in Ägypten, wenn auch nur ­vorübergehend, Schutz suchte, war Alois Brunner, ehemaliger SS-Hauptsturmführer und als rechte Hand Adolf Eichmanns einer der zentralen Akteure der Shoah. Bevor er 1954 nach Syrien ging, hatte er sich einige Monate in Ägypten aufgehalten. Er hielt mit dem Mufti Amin el-Husseini Kontakt, der ihm in Ägypten nicht helfen konnte, aber Hilfe für ein Auskommen in Syrien zusagte. Dort hielt sich Brunner bis zu seinem Tod auf, von syrischen Leibwächtern ständig bewacht.

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