Verschwörungen und Jubel nach dem Unfalltod von Irans Präsident Ebrahim Raisi

Eli Copter war nicht schuld

Am Wochenende fand der iranische Präsident Ebrahim Raisi bei einem Hubschrauberabsturz den Tod. In den sozialen Medien reichten die Reaktionen von Verschwörungsgeschichten bis zum Jubel iranischer Oppositioneller.

Kaum war am Sonntag bekanntgeworden, dass ein Hubschrauber, der unter anderem den iranischen Präsident Ebrahim Raisi an Bord hatte, vermisst wurde, brach in den sozialen Medien Jubel aus. Raisi galt nicht nur als Hardliner des Regimes, sondern war auch einer der Verantwortlichen für die Massenhinrichtungen im Jahr 1988. Damals wurden ab dem 29. Juli inhaftierte linke Oppositionelle unter anderem der Volksmujahedin in den Gefängnissen zunächst isoliert, dann aufgefordert, Wertsachen abzugeben und Testamente zu verfassen, und schließlich in Sechsergruppen erhängt. Vorangegangen waren Befragungen vor einem Sondergericht. Den Inhaftierten wurde nicht gesagt, dass ihr Leben von den Antworten unter anderem zu ihrer Parteizugehörigkeit und Religiosität abhängt. Wie viele Männer und Frauen hingerichtet wurden, ist nie restlos geklärt worden, Schätzungen reichen von 1.500 bis hin zu 4.500.

Vielen Iranern reichte schon die Meldung, dass Raisi vermisst werde, um in Jubel auszubrechen. Es wurden Videos von Freudenfeuerwerken und tanzenden Menschen gepostet, allerdings gab es auch gleich Warnungen: Das Regime werde Postings akribisch überwachen und, falls Raisi tot sei, sicher versuchen, alle zu identifizieren, die nun jubelten.

Als Raisis Tod feststand, posteten Exiliraner und -iranerinnen Fotos von Familienangehörigen, Freunden und Bekannten, die Opfer der Massenhinrichtungen von 1988 geworden waren.

Wie immer dauerte es auch an diesem Sonntag nicht lange, bis erste Verschwörungsgeschichten über den Helikopterabsturz kursierten. Obwohl rasch bekannt wurde, dass der iranische Wetterdienst am Tag zuvor eine ernste Wetterwarnung für die Absturzregion veröffentlicht hatte, wurde der Unfall praktisch sofort zum Mossad-Anschlag erklärt. Versehen, natürlich, mit den üblichen selbstgemachten Beweisen, die von angeblichen Verlautbarungen iranischer Nachrichtensendungen bis hin zu einem satirischen Posting reichten, in dem es hieß, dass Raisis Hubschrauber von einem Mossad-Agenten namens »Eli Copter« geflogen worden sei.

Auf diesen Scherz fiel tatsächlich eine beeindruckende Menge User herein – zu groß war wohl die Versuchung, Israel für den Absturz verantwortlich machen zu können. Ein anderer scherzhafter Tweet – »Es handelte sich um eine Pilotin namens Karma Isabitch« – wurde dagegen gar nicht geglaubt, vermutlich weil der Autor hinzusetzte: »Und sie ist weder Israelin noch Jüdin.«

Protest gegen Kondolenzschreiben westlicher Außenministerien

Zwölf Stunden später stand Raisis Tod schließlich fest. Exiliraner und -iranerinnen posteten Fotos von Familienangehörigen, Freunden und Bekannten, die Opfer der Massenhinrichtungen von 1988 geworden waren. Videos zeigten früh am Morgen vor iranischen Botschaften tanzende Menschen, einzelne schwenkten die israelische Flagge. Sehr zum Missvergnügen beachtlich vieler anderer User, die den »israelischen Staat für unterdrückerischer als den Iran« halten und außerdem fest davon ausgehen, dass Raisi von Israel umgebracht wurde, um »von Gaza abzulenken«.

Manche dieser Accounts sind kurz nach dem 7. Oktober angelegt worden und haben seither keinen einzigen originären Tweet verfasst, sondern beschäftigen sich nur damit, auf israelfreundliche Tweets zu antworten. Und das meist kurz und knapp: »Widerliche Haltung«, »Fake News«, »Israel-Bot, schämen Sie sich« lauten ihre Standardantworten. Diesmal werden sie aber ausführlicher und werfen den vor den Botschaften Feiernden vor, »das ungleich brutalere Schah-Regime« wiederhaben zu wollen, in Diensten Israels zu stehen oder von den USA bezahlt zu werden.

Eine nennenswerte Mehrheit vertreten diese User jedoch nicht, wie sich am Montagmittag zeigt. Da trendete international das Hashtag #notinmyname, mit dem gegen die Kondolenzschreiben diverser westlicher Außenministerien an den Iran protestiert wird. Die Motive für diese Unmutsbekundungen sind allerdings nicht ganz einheitlich, denn neben Exiliranern, konservativen, liberalen und linken Iran-Gegnern sind auch Gegner des US-Präsidenten Joe Biden aktiv, die komplizierte Verschwörungslügen posten, die die aktive Kollaboration der US-Demokraten mit dem Mullah-Regime beweisen sollen.

»Mit Raisis unglücklichem Tod haben der Iran, die Achse des Widerstands und die Welt einen visionären, zielorientierten Führer verloren, einen standhaften Unterstützer der palästinensischen Sache und einen der Hauptpfeiler im Kampf gegen westliche Arroganz und Hegemonie.« Von der Gruppe »Jena for Palestine« geteilter Post

Und es gibt deutsche Accounts, die palästinensische Flaggen oder Wassermelonen zeigen und sich sehr darüber echauffieren, dass Beileidsschreiben an den Iran nicht von allen gutgeheißen werden. Manche, wie die Gruppe »Jena for Palestine«, kondolieren auch selbst beziehungsweise mit einem übernommenen, ursprünglich auf Englisch verfassten Text: »Mit Raisis unglücklichem Tod haben der Iran, die Achse des Widerstands und die Welt einen visionären, zielorientierten Führer verloren, einen standhaften Unterstützer der palästinensischen Sache und einen der Hauptpfeiler im Kampf gegen westliche Arroganz und Hegemonie.« Einen Tag später war das »Jena for Palestine« dann doch zu peinlich. Man verlautbarte, ein einzelnes Mitglied habe diesen Text gepostet. Man werde sich nunmehr wieder vollkommen auf den Kampf für die Befreiung Palästinas konzentrieren.

Was im ganzen aufgeregten Verschwörungswirrwarr übrigens nicht vorkam, war der abgestürzte Helikopter, bei dem es sich um einen Bell 212 handelte. Das Hubschrauber-Modell war von der Firma Bell Helicopter 1968 als zivile Version des vor allem in Vietnam eingesetzten Militärhelikopters Huey entwickelt worden. In Norwegen wurde das Modell Bell 212 ab 1971 im Offshore-Bereich eingesetzt, 1979 waren die ersten US-Hubschrauber, die nach China verkauft wurden, von diesem Typ.

Schlechte Wetterverhältnisse vermutlich Ursache des Absturzes

Wie alt das nun abgestürzte Modell war, ist unklar. Daten des Luftfahrtanalyseunternehmens Cirium zufolge sind die insgesamt 15 im Iran registrierten Bell-212-Helikopter im Durchschnitt 35 Jahre alt. Ihre Wartung gestalte sich, so Cirium, aufgrund der seit 1979 geltenden US-Sanktionen schwierig – die mittlerweile unter dem Namen Bell Textron firmierende Herstellerfirma teilte der Washington Post mit, dass sie keinerlei Beziehungen mit dem Iran pflege und entsprechend nichts über den Zustand des abgestürzten Helikopters wisse. Farzan Sabet vom Genfer Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung (IHEID) sagte, es habe Phasen gegeben, während derer der Iran legal Flugzeuge und Teile aus westlichen Ländern importieren konnte. In den vergangenen Jahren sei dies aber vor allem durch schärfere Exportkontrollen kaum noch möglich gewesen.

Internationale Crash-Experten wie der US-Amerikaner John Cox gehen davon aus, dass schlechte Wetterverhältnisse, konkret: nebelbedingt unzureichende Sichtverhältnisse, Wind und Schneeregen, Ursache des Absturzes gewesen seien. Jeff Guzzetti, ein ehemaliger Ermittler bei Flugzeugunfällen für die US-amerikanische Luftfahrtbehörde, sagte, der Hubschrauber Bell 212 sei zwar ein zuverlässiges Modell, »aber gebirgiges Terrain und schlechtes Wetter sind für Helikopterflüge niemals eine gute Kombination«.