Frauen spielen eine wichtige Rolle in der Terrororganisation Hamas

Frauen in der Hamas

Die Charta der Hamas sieht für Frauen nur die Rolle der sorgenden Mutter vor. Tatsächlich spielen Frauen eine tragende Rolle in der Terrororganisation. Fraglich ist, ob sie auch militärisch mitwirken.

Wo sind eigentlich die Hamas-Frauen? Die Bilder, die aus Gaza publik werden, zeigen fliehende Frauen mit Kindern im Arm, manchmal eine Mutter, die ihre Verzweiflung in ein Mikrophon schreit. Die Hamas-Regierung veröffentlicht regelmäßig die angebliche Zahl der Frauen und Kinder unter den Opfern.

Weltweit ertönt die Forderung, Frauen und Kinder aus dem dichtbesiedelten Gebiet zu retten – als ob Männer nicht ebenfalls unschuldige Opfer sein könnten. Dass man in Medienberichten über Gaza stets erfährt, wie viele Frauen unter den Opfern sind, ist eine Besonderheit der palästinensischen Öffentlichkeitsarbeit. In anderen Konflikten geben offizielle Stellen wie auch zivilgesellschaftliche Dokumentationsstellen die Zahl der getöteten Zivilisten als entscheidende Größe an die Medien heraus – eine statistische Aufschlüsselung nach Geschlecht und Alter erfolgt später und auch nicht immer.

So entsteht der Eindruck, Frauen hätten mit Hamas und Krieg nichts zu tun. Nur wenige Medien haben bisher berichtet, dass Frauen auch unter den Tätern waren, die am 7. Oktober das Massaker in Israel begingen. Die Bild-Zeitung hat mit Überlebenden des Kibbuz Nir Oz gesprochen, die, in ihren Bunkern ausharrend, draußen unter den Stimmen der Angreifer auch die von Frauen und Kindern vernahmen. Diese waren wohl Teil des Mobs, der nach den Hamas-Kämpfern in mehrere Kibbuzim eindrang, jubelte und plünderte. Einen solchen Mob zeigen Aufnahmen einer Überwachungskamera am Kibbuz Be’eri.

Schon 2007 verkündete die Hamas die Gründung eines Frauenbataillons innerhalb der al-Qassam-Brigaden, dem militärischen Arm der Hamas.

Aber womöglich waren auch unter den Terroristen Frauen. Davon erzählt eine Überlebende im privaten US-amerikanischen Fernsehsender Newsnation. Sie habe von anderen Überlebenden davon gehört. Beweise gibt es dafür nicht.

Möglich wäre es. Denn schon 2007 verkündete die Hamas die Gründung eines Frauenbataillons innerhalb der al-Qassam-Brigaden, dem militärischen Arm der Hamas. Die Rekrutinnen sollten eine Kampf- und Waffenausbildung erhalten. Bisher gibt es jedoch keine Berichte darüber, dass dieses Bataillon in Erscheinung getreten ist. Wohl aber feierte die Hamas in einigen Kommuniqués Selbstmordattentäterinnen als Märtyrerinnen im Auftrag der Hamas. Dabei hatte die Terrororganisation wie auch andere militante Islamisten sich lange gegen die Beteiligung von Frauen am militärischen Jihad gesperrt. In ihrer Charta von 1988 hieß es: »Die wichtigste Rolle von Frauen ist die Sorge für die Familie, das Aufziehen von Kindern und die Erziehung zu islamischen Werten.«

Doch die 1987 gegründete Hamas erkannte bald, dass Frauen für die Mobilisierung von Unterstützern und insbesondere als Helfende in den vielen Wohltätigkeitsorganisationen von größter Bedeutung waren. Wohltätigkeitsorganisationen sind neben den Moscheen das wichtigste Rekrutierungsfeld islamistischer Parteien. Darüber gelingt es ihnen, sich als Anwälte der sozial Benachteiligten zu inszenieren, obwohl ihren Parteiprogrammen in der Regel sozialpolitische Aussagen fehlen.

Im Jahr 2003 verkündete die Hamas die Gründung der Islamischen Frauenbewegung in Palästina, eines Zusammenschlusses aus acht Unterorganisationen, die es so allerdings nur im Gaza-Streifen gibt. Einige davon scheinen sich ausschließlich mit Familienangelegenheiten zu befassen, wie die Palästinensische Müttergesellschaft. Andere sind die Frauenabteilungen von Parteiorganisationen. Mit Ausnahme der Gesellschaft der Märtyrermütter lassen diese Frauenorganisationen wenig von sich hören.

Die Politikwissenschaftlerin Minna Cowper-Coles hat für die Jahre 1998 bis 2016 dokumentiert, dass die Hamas bei Frauen mehr Zustimmung als bei Männern genießt.

Wohl aber sind sie in der Gesellschaft aktiv und haben dazu beigetragen, die Unterstützung von Frauen für die Politik von Hamas zu sichern. Wie die Politikwissenschaftlerin Minna Cowper-Coles in ihrer Doktorarbeit für die Jahre 1998 bis 2016 dokumentiert, genießt die Hamas bei Frauen sogar mehr Zustimmung als bei Männern, sowohl im Gaza-Streifen als auch in der Westbank. Cowper-Coles arbeitete heraus, dass dafür die Wohltätigkeitsorganisationen maßgeblich sind. Denn dort helfen Frauen Frauen. Zudem gibt es Arbeitsmöglichkeiten für Frauen, die sonst in Gaza rar sind.

Im Gegensatz dazu wird die Frauenpolitik der eher säkularen Fatah, die in der Westbank regiert, als pures Lippenbekenntnis wahrgenommen. Obwohl die Fatah die Gleichstellung von Frauen als Ziel proklamiert, hat sie ebenso wenige Frauen wie die Hamas in politischen Führungspositionen. Häufig scheint es sogar, dass die Hamas Frauen mehr fördert. Als Fatah und Hamas noch gemeinsam die Autonomieregierung führten, schaffte es nur eine einzige Frau ins Kabinett. Die saß dort auf Vorschlag der Hamas.

Manch eine Frau mag auch deshalb bei der Hamas ihre politische Heimat finden, weil die konservativen Moralvorstellungen eine andere politische oder soziale Tätigkeit nicht zulassen. Nur die Aura eines besonders sittsamen Lebenswandels, symbolisiert durch das islamistisch korrekt sitzende Kopftuch, ermöglicht Frauen die Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Sitzungen und Veranstaltungen in den Abendstunden.

Aber auch die relative Abschottung von Frauen sieht Cowper-Coles als einen Grund für die hohen Zustimmungsraten für die Hamas. Weniger als zehn Prozent der Frauen im Gaza-Streifen sind erwerbstätig, in der West Bank sind es 15 Prozent. Viele Frauen verbringen die meiste Zeit zu Hause und sehen fern – im Gaza-Streifen die Propagandakanäle der Hamas.

Ursprünglich war eine Beteiligung von Frauen an Militäroperationen mit ihrer Rolle als Mutter für unvereinbar erklärt worden.

Seit 1998 veranstaltet die Hamas dort eine jährliche Frauenkonferenz, an der höchste Parteiführer teilnehmen. Diese wurden genutzt, um strikte islamische Moralvorstellungen zu verteidigen. So attackierten etwa auf der fünften Konferenz 2003 mehrere Redner und Rednerinnen die Reform des Strafgesetzes. Die hatte die von der Fatah geführte palästinensische Autonomieregierung initiiert, sie hätte damals auch für den Gaza-Streifen gegolten. Erst 2007 ergriff die Hamas dort die Alleinherrschaft. Die Reform sah unter anderem die Strafbarkeit von häuslicher Gewalt vor, auch unterhalb der Schwelle einer Lebensgefährdung für die Frau. Das allerdings widerspricht der streng islamischen Koran-Interpretation, dass Männer dazu angehalten sind, ihre Ehefrauen züchtigen, wenn sie nicht gehorchen.

Es geht auf diesen Konferenzen jedoch auch um klassische Themen der Frauenpolitik wie die Steigerung der Beteiligung von Frauen in der Partei, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Politik. So widmete sich etwa eine Diskussion der Forderung, dass junge Mütter, die in Hamas-Büros arbeiten, für eine Stunde täglich zum Stillen ihrer Babys freigestellt werden sollten.

Die Beteiligung von Frauen an Militäroperationen wurde kontrovers diskutiert. Dabei verliefen die Diskussionen ähnlich wie in anderen militanten islamistischen und jihadistischen Gruppierungen. Ursprünglich war eine Beteiligung von Frauen mit ihrer Rolle als Mutter für unvereinbar erklärt worden.

Als sich im Jahr 2000 die erste Islamistin in Tschetschenien in die Luft sprengte, musste diese Position angepasst werden. Militante Islamisten von Al Qaida bis Hamas beeilten sich, sie als Märtyrerin zu preisen. Aber in ihren eigenen Reihen lehnten sie Frauen als Kämpferinnen weiterhin ab. Darum einigte man sich auf die Formel, nur als Verteidigung sei Frauen der militärische Jihad erlaubt.

Ein grundsätzlicher Richtungswandel vollzog sich, als der islamistische Ideologe Yusuf al-Qaradawi 2003 argumentierte, dass Frauen bei bestimmten Angriffen einen strategischen Vorteil hätten.

Bekannt wurde der Fall von Darin Abu Aisheh. Sie bot sich 2002 der Hamas an, ein Selbstmordattentat zu begehen. Doch sagte man ihr dort, sie solle lieber Kinder kriegen. Sie beging daraufhin ihre Morde im Namen der Fatah.

Weniger zimperlich war die Hamas, wenn die Tat schon begangen war. Als die Attentäterin Ahlam al-Tamimi 2001 wegen ihrer Spähdienste beim blutigen Anschlag auf das Restaurant Sbarro in Jerusalem angeklagt wurde, erklärte Hamas sie kurzerhand zum ersten weiblichen Mitglied der al-Qassam-Brigaden. Ob Tamimi überhaupt Mitglied der Hamas war, ist unklar, auch die Terrororganisation Islamischer Jihad reklamierte sie für sich.

Ein grundsätzlicher Richtungswandel vollzog sich, als der islamistische Ideologe Yusuf al-Qaradawi 2003 argumentierte, dass Frauen bei bestimmten Angriffen einen strategischen Vorteil hätten. Der inzwischen verstorbene Qaradawi war für die Hamas richtungsweisend, seine Predigten wurden regelmäßig vom Fernsehsender al-Jazeera ausgestrahlt. Ein Jahr darauf führte die erste Frau ein Selbstmordattentat im Namen der Hamas aus und ein Sprecher erklärte im Einklang mit Qaradawis Fatwa zum Jihad von Frauen: »Der palästinensische Widerstand setzt zu bestimmten Zeiten Frauen ein in Operationen, die Männer nicht ausführen können, insbesondere in Hochsicherheitsgebieten, in die Männer schwer gelangen können.«

Ähnlich argumentierte die jihadistische Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS). Sie setzte Frauen für Attentate in Europa ein. Aber im Gegensatz zur Hamas machte der IS mit seiner Frauenbrigade Werbung für die eigene Sache. Die martialischen Bilder der al-Khaansa-Brigade, Frauen mit Kalaschnikows im Gelände, sollten Musliminnen insbesondere aus westlichen Ländern nach Syrien locken. Die Realität vor Ort sah dann anders aus: Frauen sollten vor allem heiraten und durften das Haus nur in Begleitung ihres Ehemanns verlassen. Die wenigen, die für die al-Khaansa-Brigade ausgesucht wurden, liefen nicht mit Gewehren durchs Gelände, sondern patrouillierten in den Straßen mit Stock und Peitsche auf der Suche nach Frauen, denen der Gesichtsschleier verrutscht war.

Bilder vom Frauenbataillon der al-Qassam-Brigaden gibt es hingegen nicht. Das ist wenig erstaunlich. Die Existenz eines Frauenbataillons würde die Ideologie der Hamas, dass Israel vorrangig unschuldige Frauen und Kinder töte, empfindlich stören. Beim Vergleich der Opferzahlen mit anderen Konflikten fällt übrigens auf, dass in Gaza tatsächlich deutlich überproportional viele Frauen unter den Opfern sind. Warum sterben bei Bombardements von Städten in der Ukraine oder Syrien eigentlich mehr Männer als Frauen, während es in Gaza umgekehrt ist? Womöglich wäre hier ein weiterer Mythos der Hamas aufzuklären.