Die Mord- und Foltervideos der Hamas werden als Fake News abgetan

Krieg in den sozialen Medien

Der Glaube, hinter westlichen Medien verberge sich eine ­jüdische Kontrollinstanz, bildet den Nährboden für Verschwörungstheorien über den Terrorangriff der Hamas. Linke Internetaktivisten stellen die von der Hamas ­begangenen Verbrechen als Fake News dar.
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Am 7. Oktober griffen islamistische Hamas-Terroristen Israel und seine Bürger:innen an. Nach dem größten antisemitischen Pogrom seit der Shoah müsste eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus und der Verharmlosung von Islamismus in den Reihen der Linken stattfinden, könnte man meinen.

Nachdem die Hamas für den Freitag voriger Woche offen zu einem globalen Jihad gegen Jüdinnen und Juden aufgerufen hatte, müssten sich doch selbst Gruppen, die sich traditionell der »Palästina-Solidarität« verpflichtet fühlen und das Leid von Israelis ignorieren, sich mit Juden und Jüdinnen solidarisieren. Doch von den meisten folgte Stille, nach ein paar Tagen dann wieder Demonstrationsaufrufe zur »Unterstützung Palästinas«, ohne sich von der Hamas zu distanzieren. Hinzu kamen öffentlich immer unverhohlener gestellte Frage, wo denn die Beweise für die Vergewaltigungen, Folter, Verschleppungen, Leichenschändungen und Enthauptungen israelischer Zivilist:innen seien.

Accounts auf den sozialen Medien und Blogs, die ansonsten immer dem Grundsatz folgen, Opfern zu glauben, zweifelten öffentlich an, ob denn jüdische Frauen wirklich vergewaltigt, ob jüdische Babys geköpft oder »nur« ermordet worden seien. Das ist Ausdruck eines generellen Misstrauens gegen »westliche« Medien, hinter denen eine zionistische Verschwörung vermutet wird, gleich, ob man es klar ausspricht oder nur daherraunt.

Bestätigung für das eigene antisemitische Weltbild ist leicht zu finden: Accounts mit Millionen Followern, wie »Eye on Palestine« oder »0marjehad« teilten zum Beispiel ein Video, in dem behauptet wird, die Morde und Vergewaltigungen seien erfunden und »Propaganda«. Dieses wurde auch in der englischsprachigen Telegram-Gruppe der Hamas gepostet.

Zahlreiche propagandistische, fehlerhafte oder verharmlosende Beiträge verbreiteten sich rasant auf Instagram und X (ehemals Twitter). Onur Özgöde beispielsweise, ein Lehrbeauftragter der Bilkent-Universität in Ankara, verbreitete auf X die Behauptung, Überlebende des Massakers würden bezeugen, die israelische Armee habe das Massaker im Kibbuz Be’eri angerichtet. Auf X waren unter Elon Musk Möglichkeiten entfernt worden, Falschinformationen zu melden; jahrelange Bemühungen zur Bekämpfung von Desinformation wurden so zunichte gemacht. Auch den Vertrag mit dem israelischen Unternehmen Activefence, das X mit Diensten zur Überwachung von Falschinformationen zum Gaza-Krieg versorgte, kündigte Musk vor kurzem auf. Seit sich jede:r einen blauen Haken kaufen kann, fällt es anonymen Aktivist:innen noch leichter, sich als vertrauenswürdige Quelle zu inszenieren.

Auf anderen sozialen Medien sieht es nicht besser aus: Die Kommentarspalten von Nachrichten-Websites und israelsolidarischen Nutzer:innen werden mit Hamas-Propaganda und antisemitischen Bot-Posts geflutet. Instagram geht kaum und Tiktok am allerwenigsten gegen solche Propaganda vor. Auch prorussische Desinformation wird verbreitet. Zum Beispiel wurde ein Video veröffentlicht, in dem behauptet wurde, die Ukraine unterstütze die Hamas. Alles, was vom russischen Krieg gegen die Ukraine ablenken und die westliche Unterstützung für die Ukraine schmälern könnte, wird ausgeschlachtet.

Die Propaganda fällt auf fruchtbaren Boden in einem Milieu, das Zweifel am eigenen manichäischen Weltbild nicht für angebracht hält. Die Hamas weiß das für sich zu nutzen. Durch das Filmen und Hochladen der eigenen Taten terrorisieren sie ihre Opfer und deren Familien. Sie regen auch zum Nachahmen an. Doch leugnen linke Aktivist:innen die gut dokumentierten Verbrechen der Hamas, was es dieser wiederum ermöglicht, sich als palästinensische Befreiungsorganisation zu inszenieren.