Das Verhältnis zwischen Frankreich und der Zentralafrikanischen Republik

Zwischen Söldnern und Putschisten

Beim Treffen des Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik, Faustin-Archange Touadéra, mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ging es vor allem um die Zukunft der Wagner-Söldner im Land. Einig wurde man sich nicht.

Faustin-Archange Touadéra ist auf Tour. Der am 30.Juli für eine zweite siebenjährige Amtszeit wiedergewählte Staatspräsident der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) hat eine politischen Rundreise unternommen. Erstes Ziel war am vorvergangenen Wochenende zunächst die Hauptstadt der früheren Kolonialmacht des Landes, Paris, von wo aus er zum Gipfel der Staatengruppe G77, der sogenannten Blockfreien, ins kuba­nische Havanna weiterreiste. Dort traf er auch mit in der Ausbildung befindlichen zentralafrikanischen Ärzten und Medizinstudierenden zusammen.

Die Reise setzte Touadéra nach New York City fort, wo er an der Vollversammlung der Vereinten Nationen teilnimmt. Es ist eine Tour über frühere politische Blockgrenzen des Kalten Kriegs hinweg – aber auch eine über heutige Konfliktlinien, denn offiziell als blockfrei geltende Staaten wie Kuba halten oft außenpolitisch zu Wladimir Putins Russland.

Die ZAR betont damit ihre außenpolitische Ungebundenheit. Das Land wurde im zurückliegenden Jahrzehnt von einem verheerenden Bürgerkrieg erschüttert, den eine französische Militärintervention nicht zu beenden vermochte. Ähnlich wie in den Ländern der Sahelzone entzündete sich auch hier der Unmut über das Unvermögen Frankreichs, vor der Intervention verkündete politische Ziele zu erreichen. Die Wut führte dann zu Vorwürfen gegen Frankreich, die bisweilen ressentimentbehaftete bis irrationale Züge besitzen.

Frankreich griff in der ZAR ab 2013 mit 1.200 bis 1.700 Soldaten ein, das Land ist größer als das französische Staatsgebiet. In der Sahelzone setzte Frankreich bis zu 5.000 Soldaten ein, deren Operationsgebiet so groß war wie die Europäische Union. In den Weiten der betreffenden Länder konnten französische Einheiten trotz Lufthoheit und überlegener Technologie strategisch nichts ausrichten, nicht zuletzt, weil ihre jeweiligen Gegner, ob Jihadisten im Sahel oder ethnisch-religiöse Milizen in der ZAR, über Rückhalt in Teilen der Bevölkerung verfügten.

In der ZAR verschaffte dies, wie in der Sahelzone, seit 2016 russischer Einflussnahme Raum. Im März jenes Jahres wurde Touadéra erstmals ins Präsidentenamt gewählt, und im Herbst ging die am 5. Dezember 2013 begonnene französische »Operation Sangaris« mit dem Abzug der Soldaten zu Ende.

Hauptursache der damals im Land um sich greifenden Gewalt, die seitdem erheblich zurückging, war eine Konfessionalisierung innenpolitischer Konflikte. Im März 2013 hatte eine bewaffnete, muslimisch dominierte Rebellenkoalition, die Séléka, die Macht ergriffen. Da diese teilweise eher aus Banditen denn aus Politikern bestand, häuften sich alsbald Plünderungen, Überfälle und Vergewaltigungen. Teile der ländlichen, später auch der städtischen Bevölkerung – meistenteils Christen wie der gestürzte Präsident François Bozizé – schlossen sich zu Selbstverteidigungsgruppen gegen die Milizen der Séléka zusammen, die unter dem Namen Anti-Balaka zusammengefasst wurden.

Die Séléka rekrutierte ihre Mitglieder vorwiegend aus muslimischen Bevölkerungsgruppen, die an der Grenze zum Tschad und zum Sudan wohnen. Ohne die Unterstützung der tschadischen Diktatur, der stärksten Militärmacht in der Region, wäre ihr Erfolg undenkbar gewesen. In der Hauptstadt der ZAR, Bangui, unterstützten Händler aus Bevölkerungsgruppen, die dort in der Minderheit sind und deswegen bislang von der politischen Macht ausgeschlossen waren, beispielsweise ethnische Gruppen aus dem Norden, die Séléka finanziell. Angehörige der christlichen und animistischen Bevölkerungsgruppen im Zentrum und im Süden der ZAR organisierten sich dagegen, es kam zu Übergriffen auf Zivilisten der jeweils anderen Konfession.

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron forderte beim Treffen in Paris explizit von Touadéra, dass die Söldner der Gruppe Wagner aus der Zentralfrikanischen Republik abziehen sollen.

Die Ankunft der französischen Truppen wurde deswegen anfänglich begrüßt oder jedenfalls mit Erleichterung aufgenommen. Tatsächlich nahm die Intensität bewaffneter Auseinandersetzungen zunächst ab. Doch dies war nicht von Dauer. Zwar griff Frankreich offiziell ein, um als neutrale Truppe die verfeindeten Streitparteien zu trennen. Dennoch waren viele zentralafrikanische Christen der Auffassung, die »christliche Nation« Frankreich komme ihnen als befreundete Macht zu Hilfe.

Das politische Desaster der am 31. Oktober 2016 beendeten »Operation Sangaris« wirkte nach. An Stelle der französischen Truppen holte sich die Staatsmacht, die sich allmählich konsolidieren konnte, reguläre wie informelle russische Truppen ins Land, insbesondere Söldner von der Gruppe Wagner unter dem mittlerweile zu Tode gekommenen Jewgenij Prigoschin.

Die Söldner können sich auch auf ein Netz prorussischer Claqueure stützen, etwa jene, die das französisch­sprachige Internet in Afrika mit prorussischen Inhalten füllen oder bei ­Demonstrationen russische Fahnen hochhalten, wofür sie oft bezahlt werden. Gesichert ist mittlerweile zudem, dass Wagner-Söldner oder russische Mi­litär­instruk­teure brutale Übergriffe auf einheimische Zivilisten begangen haben, was von der Bevölkerung auch registriert wird. Videoaufnahmen eines Mordes an einer Zivilperson in der ZAR kann man in dem erstmals am 13. März 2022 beim Fernsehsender France 5 ausgestrahlten Dokumentarfilm über die Wagner-Truppe sehen, den die russische oppositionelle Zeitung Nowaja Gaseta mit produziert hat – ­einen Blick auf die Leiche inbegriffen.

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron forderte beim Treffen in Paris explizit von Touadéra, dass die Söldner der Gruppe Wagner aus der ZAR abziehen sollen. Der auf internationale Themen spezialisierte französische Radiosender RFI berichtet, das Thema sei angesprochen worden, und redet ansonsten von »Tauwetter« zwischen den Regierungen in Paris und Bangui. Dagegen schrieb die Website Mondafrique von Missstimmungen zwischen Macron und Touadéra.

Wie unterkühlt ihre Gespräche tatsächlich ausfielen, ist kaum feststellbar. Doch klar ist, dass Touadéra die Forderung Macrons zurückwies. Er erklärte, die ZAR lege Wert auf ihre Souveränität, sie stehe zu ihrem militärischen Ausbildungs- und Kooperationsvertrag mit Russland. »Der Rest« – die Wortwahl zielte auf Söldnerfirmen ab, ohne sie zu nennen – »geht uns nichts an.« Allerdings arbeiten private Militärunternehmen wie Wagner, bei dem nach dem Tod Prigoschins eine Umstrukturierung erwartet wird, und der russische Staat sehr eng zusammen.

Einig zeigten sich beide Seiten hingegen darin, die begonnene Transition im zentralafrikanischen Gabun, eine Übergangsphase von der am 30. August angetretenen Militärregierung zu einer später folgenden gewählten Regierung, zu begleiten und zu unterstützen. Frankreich und die zentralafrikanischen Autokratien wünschen eine möglichst in kontrollierten Bahnen verlaufende Entwicklung ohne zu viel Einmischung von ziviler Opposition und Bevölkerung – die teils den Putsch gegen das Vorgängerregime unter Ali Bongo bejubelte. Russland will sich der Militärjunta als Kooperationspartner andienen. Das Nachbarland Kamerun, das nach wie vor zur französischen Einflusssphäre in Afrika gehört, schloss ein Verteidigungsabkommen mit Russland.

Eine weitere Macht neben Russland, die mit dem Segen Touadéras in der ZAR militärisch eingriff, ist das ostafrikanische Ruanda. Das Land entsandte auf Bitten Touadéras 1.000 Armeeangehörige in die ZAR und stellt ferner 2.000 Soldaten in der Minusca, der UN-Blauhelmtruppe für Zentralafrika. Diese trugen dazu bei, bewaffnete Rebellengruppen von den städtischen Zentren fernzuhalten. Ruandas Präsident Paul Kagame favorisiert für militärische Missionen »afrikanische Lösungen«. Außenpolitisch sucht er eher die Nähe zu den USA, weniger die zu Frankreich oder Russland.