In Hollywood wird gegen den Einsatz von KI im Filmgeschäft gestreikt

Menschenleere Filme

Drehbuchautor:innen in Hollywood fürchten, von Künstlicher Intelligenz ersetzt zu werden, und streiken. KI kann auf der Basis von Bewegungs- und Stimmprofilen bereits Filme erstellen, Witze zu erzählen, vermag die Technologie bisher allerdings noch nicht so gut.

In den USA sind die Interessenvertretungen zweier Berufsgruppen, die sich von Künstlicher Intelligenz in ihrer Existenz bedroht sehen, in den Streik getreten: die Schauspieler:innen und die Drehbuchautor:innen. Erstere werden von der Screen Actors Guild – American Federation of Television and Radio Artists (SAG-AFTRA) vertreten, Letztere von der Writers Guild of America (WGA). Die Gegenseite wird repräsentiert durch die Alliance of Motion Picture and Television Producers (AMPTP), eine Unternehmensvereinigung, die über 350 US-amerikanische Fernseh- und Filmproduktionsfirmen vertritt.

Rund 11.500 Mitglieder der Writers Guild sind Anfang Mai in den Streik getreten, die Screen Actors Guild mit ihren rund 160.000 Mitgliedern folgte am 14. Juli. Die meisten von ihnen schlagen sich mit kleinen Nebenrollen und als Komparsen durch, da der Tarifvertrag jedoch für alle Schauspieler:innen gilt, befinden sich auch die großen Hollywood-Stars im Streik. Etliche von ihnen wie George Clooney, Matt Damon oder Susan Sarandon haben sich auch öffentlich solidarisiert.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass diese Gewerkschaften streiken. Die Writers Guild streikte zuletzt im Winter 2007/2008, die Screen Actors Guild bestreikte 2018/2019 die britische Werbeagentur Bartle Bogle Hegarty. Es ist jedoch das erste Mal seit 1960, dass beide Gewerkschaften zur selben Zeit streiken, und das erste Mal seit 1980, dass die Schauspieler:innen sich mit den großen Hollywood-Studios anlegen. Dieser gleichzeitige Streik ist also durchaus bedeutend, zumal er in einer Zeit wachsender gewerkschaftlicher Organisierung in den USA stattfindet.

Die meisten Schauspieler:innen verdienen weniger als 26.000 Dollar im Jahr, Netflix hat die Position eines KI-Produktmanagers mit einem Jahresgehalt von 300.000 Dollar ausgeschrieben.

In beiden Fällen geht es neben einer Neuregelung der Einnahmen aus Streaming-Diensten darum, wie KI die Arbeit und die Rechte der Beschäftigten beeinflusst. Es geht um die Sicherung geistigen Eigentums und darum, zu verhindern, dass die eigene Arbeit von Maschinen ersetzt wird. Während die Drehbuchautor:innen vor allem fordern, dass KI-Tools wie etwa Chat GPT nur zur Recherche eingesetzt werden dürfen, nicht aber um das komplette Drehbuch zu schreiben, befürchten die Schauspieler:innen, durch digitale Kopien ihrer selbst ersetzt zu werden.

Schon jetzt ist es üblich, Schauspieler:innen am Rande von Produktionen abzuscannen und die Daten ihres Aussehens und ihrer Bewegungsabläufe oder auch ihr Stimmprofil zu speichern. Für computergenerierte Effekte oder für digitale Nachbearbeitung ist das durchaus sinnvoll. Es ist jedoch unzureichend geregelt, was mit diesen Daten noch alles gemacht werden darf. Die Screen Actors Guild befürchtet, dass diese weiterverwendet werden könnten, ohne dass die jeweiligen Schauspieler:innen dafür bezahlt werden. Genau das soll durch eine neue Vereinbarung verhindert werden.

Bei Schauspieler:innen denkt man zuallererst an Multimillionär:innen wie Julia Roberts oder Brat Pitt. Diese sind jedoch seltene Ausnahmen. Für das Gros der Mitglieder der Screen Actors Guild ist die Schauspielerei schlicht Erwerbstätigkeit – und oft nicht einmal die einzige. Es ist ein wenig wie beim Messebau. An den Tagen, an denen man Arbeit hat, wird diese in der Regel auch gut bezahlt, aber ob man Arbeit hat, ist stark saisonabhängig. Die meisten Mitglieder der Gewerkschaft verdienen weniger als 26.000 Dollar im Jahr. Zum Vergleich: Netflix hat gerade die Stelle eines KI-Produktmanagers ausgeschrieben, die mit mindestens 300.000 Dollar im Jahr dotiert ist.

Der Schauspieler Zeke Alton, der für SAG-AFTRA im Verhandlungskomitee sitzt, sagte der britischen Tageszeitung The Guardian, wenn man keinen ernsthaften Schutz dagegen erwirke, von KI ersetzt zu werden, dann wäre das das Ende der Schauspielerei als Beruf. »Wir sind gezwungen, um unsere schiere Existenz zu verhandeln«, so Alton.

Der ehemalige Testpilot der US-Marine ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Schauspielerberuf für die meisten, die ihn ausüben, aussieht. Altons Lebenslauf bietet eine wilde Mischung aus Synchronsprecherrollen für Computerspiele, Nebenrollen in einzelnen Folgen durchaus namhafter Serien und Hauptrollen in Informationsfilmen von Behörden oder Unternehmen. Zwar dürfte vor allem Altons Stimme durch seine Rollen in Videospielen der »Call of Duty«- und »World of Warcraft«-Reihen tatsächlich einem Millionenpublikum bekannt sein. Ein Star ist er aber ganz sicher nicht.

Ende Juli nahm er bei der San Diego Comic-Con an einem Panel zum Thema »KI im Entertainment« teil, gemeinsam mit Cissy Jones und Tim Friedlander, die wie er vor allem für ihre Arbeit als Synchronsprecher:innen für Animationsfilme und -serien bekannt sind. In gewisser Weise prädestiniert sie diese Tätigkeit geradezu dafür, sich zu den derzeitigen Entwicklungen zu äußern, denn in ihrem Arbeitsfeld sind die Stimmen schon heute das einzig Menschliche an den Figuren. Alles andere kommt bereits aus dem Computer. Nur in seltenen Ausnahmen kommen auch heute noch Tusche und Papier oder wie in Wes Andersons Film »Isle of Dogs« (2018) die Stop-Motion-Technik in klassischer Form zum Einsatz.

Vielleicht sind Videospiele tatsächlich so etwas wie ein Bild aus der Zukunft. Ästhetische Vorstellungen und Präferenzen sind veränderlich. Der Tonfilm hat den Stummfilm verdrängt und der Farbfilm den Schwarzweißfilm. Warum also sollte nicht auch der komplett computergenerierte Film jenen mit menschlichen Schauspieler:innen ersetzen? Schon jetzt gibt es viele Menschen, die lieber stundenlang zuschauen, wie jemand anderes ein Game wie »League of Legends« spielt, als sich einen Spielfilm anzusehen. Möglicherweise werden sich Filme zukünftig der Optik und Ästhetik von Videospielen annähern müssen, wenn sie diese rasant wachsende Zielgruppe erreichen wollen. Die »Avatar«-Filme sind zumindest nicht mehr weit entfernt davon.

Fran Dreschers leidenschaftliche Rede hatte einen Makel: Sie vermittelte den Eindruck, als ließe sich der Trend zu digital generierten Geschichten noch aufhalten.

Wenn KI eine Möglichkeit darstellt, Produktionskosten zu verringern, dann werden Unternehmen darauf zurückgreifen. Umso wichtiger ist es zu versuchen, diese Entwicklung seitens der Arbeiter:innen aktiv mitzugestalten, zu regulieren und durch den Einsatz von KI verursachte Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen zu bekämpfen. Die Directors Guild of America, die Gewerkschaft der Regis-seur:innen, einigte sich im Juni mit der AMPTP darauf, dass KI nicht als Person gelten und nicht die Arbeit von Personen ersetzen darf. Genau das dürfte auch das Ziel von Schauspieler:innen und Drehbuchautor:innen sein.

Fran Drescher, die Präsidentin der Screen Actors Guild, den meisten aber wohl vor allem bekannt durch ihre Rolle als Fran Fine in der Serie »Die Nanny«, brachte es in einer Rede anlässlich des Streikbeginns auf den Punkt: »Was hier geschieht, ist wichtig, denn es geschieht in allen Arbeitsfeldern. Wenn wir jetzt nicht dagegenhalten, drohen wir alle von Maschinen ersetzt zu werden.«

Ihre leidenschaftliche Rede hatte einen Makel: Sie vermittelte den Eindruck, als ließe sich der Trend zu digital generierten Geschichten noch aufhalten. Sicher, derzeit sind von KI generierte Witze meist noch zu schlecht für Late Night Shows und für die KI-gestützte Erstellung von digitalen Kompars:innen braucht es noch die Daten von realen Personen. Doch das wird sich ändern. Fragt man Chat GPT, ob Schauspieler:innen künftig von KI ersetzt werden können, dann ist die Antwort: Noch nicht, aber der Zeitpunkt wird kommen.

Gegen diese Entwicklung können womöglich auch Verträge im Sinne der Beschäftigten, wie sie derzeit gefordert werden, nichts mehr bewirken. Die Film- und Fernsehindustrie könnte sich wie andere Branchen zuvor aufspalten in einen Massenmarkt und einen Markt für das, was im Englischen meist artisanal, also handwerklich genannt wird. Es dürfte bald überwiegend oder komplett durch KI generierte Telenovelas, Rom-Coms und Actionfilme geben, aber eben auch weiterhin hochwertiges und weitgehend von Hand gemachtes Autor:innenkino. Im Grunde besteht diese Zweiteilung schon jetzt, die Kluft zwischen den beiden Produktarten wird wohl nur noch breiter werden.

Das Bild wurde mit Stable Diffusion von Stability AI generiert. Die Anweisung lautete: »close up portrait of julia roberts, matt damon and georg clooney building a barricade at a demonstration in the picture liberty leading the people, crowd, protest in the background a hill with the hollywood sign, smoke, foggy, fog, blue lights, night, mood, atmospheric, full of colour, digital photography, 35mm, ultra detailed, realistic«