Karriere ja, Israel nein – die Studierendenproteste an den US-Universitäten

Campus, Katar und Kapital

Der Siegeszug der Identitätspolitik hat dazu geführt, dass die anti-israelischen Protestierenden die Kommerzialisierung des US-Unisystems nicht mehr in Frage stellen. Nun droht allerdings eine Konfrontation mit der kapitalistischen Realität. Es gibt Berichte, wonach in der unternehmerischen Einstellungspolitik nun Absolvent:innen weniger renommierter Universitäten bevorzugt werden.
Was kümmert mich der Dax Von

Etwa 25.000 Angestellte, ein Kapital von 13,64 Milliarden US-Dollar, mit dem im Fiskaljahr 2023 knapp 70 Millionen US-Dollar Gewinn erwirtschaftet wurden – die Columbia University in New York City arbeitet zwar nicht profitorientiert (die Gewinne werden reinvestiert), doch ist offenkundig, dass in einem so großen Bildungskonzern Geld eine wichtige Rolle spielt.

Die Columbia University und andere renommierte Privatuniversitäten sind derzeit die Zentren der antiisraelischen Studierendenproteste in den USA.

Da gilt es, verschiedene Interessen auszubalancieren. Nur vier Prozent der Bewerber:innen werden angenommen, wer es geschafft hat, erwartet aber, für seine knapp 90.000 US-Dollar Gebühren pro Jahr als solventer Kunde behandelt zu werden. Zu berücksichtigen sind auch die Anliegen der 800 Unternehmen, die auf der Sponsorenliste der Universität aufgeführt werden, und sonstiger Geldgeber (ehemalige Studierende, aber auch mehr oder minder gut getarnte ausländische Institutionen) sowie die staatlichen Regularien.

Keine leichte Aufgabe für Universitätspräsidentin Minouche Shafik. Da gibt es einerseits lautstarke Forderungen aus den Reihen der Kundschaft, die Universität möge sich »propalästinensisch« positionieren und den lieben Kunden unbegrenzt Raum für antiisraelische Propaganda gewähren, andererseits wächst die Kritik an antisemitischen Äußerungen und Übergriffen.

Und dann gibt es noch das Auskunftsbegehren aus dem Repräsentantenhaus, das wissen will, wie viel Geld aus Katar seit 2021 an die Columbia University geflossen ist. Katar ist der wichtigste ausländische Sponsor von US-Universitäten (sechs Milliarden US-Dollar seit 2007) und nach dem Iran der zweitwichtigste der Hamas (Summe unbekannt).

Die Columbia University und andere renommierte Privatuniversitäten sind derzeit die Zentren der antiisraelischen Studierendenproteste in den USA. Es  könnte hilfreich sein, den Konflikt vor allem als Machtkampf und Generationenkonflikt zu sehen, in dem der überwiegend antiisraelisch orientierte Nachwuchs der Oberschicht neue Regeln zu setzen gedenkt.

Der Siegeszug der Identitätspolitik hat dazu geführt, dass die Protestierenden die Kommerzialisierung der Bildung nicht mehr in Frage stellen. Es stört sie nicht, dass sie mittels der universitären Investmentfonds von der Ausbeutung der Lohnabhängigen profitieren und so ein Privileg gegenüber Studierenden weniger finanzkräftiger Universitäten erlangen – ihre Forderung nach disinvestment gilt allein dem jüdischen Staat.

Nun droht allerdings eine Konfrontation mit der kapitalistischen Realität. Unter anderem das Wall Street Journal berichtete, dass in der unternehmerischen Einstellungspolitik nun Absolvent:innen weniger renommierter Universitäten bevorzugt werden. Ungewollt schaffen die Proteste also womöglich ein wenig mehr soziale Gerechtigkeit. Zudem bieten sich hier Einflussmöglichkeiten jenseits martialischer Polizeieinsätze. Wenn es gelingt, Antisemitismus zum Karrierehindernis zu machen, würde das die Schar der antiisraelischen Schreihälse wohl erheblich ausdünnen.