Raus aus dem Filz
Anne Brorhilker ist die bekannteste Ermittlerin, die mit der Aufarbeitung der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte betraut ist. Die Juristin hat bei der Staatsanwaltschaft Köln die Hauptabteilung H geleitet, die im wohl größten Steuerbetrug der deutschen Geschichte gegen 1.700 Beschuldigte ermittelt. Für die Medienplattform Bloomberg galt sie 2021 als eine der »50 most influential people« in der Kategorie Finanzen. Am Montag vergangener Woche hat Brorhilker um ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis als Oberstaatsanwältin gebeten.
Nach elf Jahren schleppender Ermittlungen ist nur ein Bruchteil der Cum-Ex-Verfahren zur Anklage gekommen – die führten aber bis Ende 2023 immerhin alle zu Schuldsprüchen.
»Ich war immer mit Leib und Seele Staatsanwältin, gerade im Bereich von Wirtschaftskriminalität«, sagte Brorhilker in einem Interview mit dem WDR. Jedoch habe die Verfolgung der Finanzkriminalität in der deutschen juristischen Praxis ihren Gerechtigkeitssinn auf harte Proben gestellt: »Da geht es oft um Täter mit viel Geld und guten Kontakten, und die treffen auf eine schwach aufgestellte Justiz.« Vor allem die Anwälte und Banker, die beschuldigt werden, die Staatskasse zwischen 2006 und 2011 um über zehn Milliarden Euro geprellt zu haben, könnten sich zudem aus dem Verfahren gegen eine Geldstrafe freikaufen. »Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen«, sagte Brorhilker. Und das könne sie als Staatsanwältin nicht ändern. Ihre berufliche Zukunft sieht die Juristin in der Geschäftsführung der NGO Finanzwende. Dort werde sie zusammen mit deren Gründer, dem ehemaligen Grünen-Politiker Gerhard Schick, den Bereich der Aufklärung von Finanzkriminalität ausbauen.
Nach elf Jahren schleppender Ermittlungen ist nur ein Bruchteil der Cum-Ex-Verfahren zur Anklage gekommen – die führten aber bis Ende 2023 immerhin alle zu Schuldsprüchen. Brorhilker selbst sorgte für einige Erfolge, wie 2019 die rechtskräftige Verurteilung zu acht Jahren Haft des in die Schweiz abgetauchten Anwalts Hanno »Mr. Cum-Ex« Berger, die erste in diesen Verfahren überhaupt. Oft aber wurde Brorhilker auch behindert, etwa als eine geplante Razzia bei der Hamburger Privatbank M. M. Warburg 2020 durch Vorgesetzte verhindert wurde. Dabei sollte dem Verdacht nachgegangen werden, ob Hamburger Finanzbeamte und SPD-Politiker wie der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz der Bank 2016 geholfen hatten, 47 Millionen Euro an Cum-Ex-Beute zu behalten.