Matthias Bley, ­Koordinator im Arbeitsbereich Demokratie beim ­Alten Gasometer Zwickau, im Gespräch über rechtsextreme ­Bedrohungen

»Es entsteht eine neue rechtsextreme Jugendkultur«

Ende Juli entschieden sich die Veranstalter des Tausendfüßler-Festivals im sächsischen Zwickau, einen bereits laufenden Rave plötzlich abzubrechen. Etwa 30 Jugendliche, die vorher an einer AfD-Veranstaltung mit Maximilian Krah teilgenommen hatten, sollen geplant ­haben, die Party anzugreifen. Das Zwickauer soziokulturelle Zentrum Alter Gasometer e. V. wandte sich daraufhin mit einer Warnung an die Öffentlichkeit. »Hier braut sich wieder etwas zusammen«, hieß es in der Mitteilung. Die »Jungle World« sprach mit Matthias Bley, Koordinator im Arbeitsbereich Demokratie beim Alten Gasometer.

»Leute – hier passiert gerade was!« haben Sie den Artikel auf Ihrer Website überschrieben. Was passiert denn gerade in ­Zwickau?
Es passiert ja nicht nur in Zwickau. Vor den anstehenden ostdeutschen Landtagswahlen ist der ganze vorpolitische Raum sehr auf­geheizt. Es entsteht eine neue gewaltbereite rechtsextreme Jugendkultur. 15- und 16jährige auf Identitätssuche laufen da mit. Zu AfD-Kundgebungen geht längst nicht mehr nur der Typus älterer Ostdeutscher, da finden sich zunehmend Jüngere ein. Kommunal­politiker:innen werden bedroht. Der öffentliche Raum wird stärker von rechten Parolen geprägt.

Das zeigte sich auch beim Simsontreff Zwickau, der wenige Tage vor dem abgebrochenen Rave stattfand, bei dem sich Fans alter DDR-Mopeds der Marke Simson treffen.
Dort wurden zum Teil offen neonazistische Parolen geäußert. Dass Kulturveranstaltungen wie das Tausendfüßler-Festival angegriffen werden, erinnert an die neunziger Jahre. Es gab hier immer rechte Bedrohungen und Angriffe, aber eine derartige Bedrohungslage hatten wir sehr lange nicht mehr.

»Der geplante Angriff auf das Tausendfüßler-Festival und insgesamt die bedrohliche Lage verunsichern viele Menschen.«

Wie wirkt sich das in einer Stadt wie Zwickau aus?
Zwickau ist eigentlich eine Stadt mit einer ganzen Reihe von eigenständigen kulturellen Projekten und bei den bundesweiten Protesten gegen die AfD zu Beginn des Jahres haben hier bei einer Gesamtbevölkerung von um die 90.000 Leuten 4.000 demonstriert. Zu Protesten gegen Auftritte von Björn Höcke oder der Nazi-Partei »Der III. Weg« kommen auch schon mal 1.000 Leute. Der geplante Angriff auf das Tausendfüßler-Festival und insgesamt die bedrohliche Lage verunsichern jetzt allerdings viele Menschen.

Wie waren die Reaktionen auf kommunaler Seite?
Weil in den letzten Jahren viele den Mund aufgemacht haben, aber auch in den direkten Austausch mit einigen Kommunal­politiker:in­nen und Behörden gegangen sind und diese auch den Austausch suchten, gibt es bei diesen seit einigen Jahren ein gestiegenes Pro­blembewusstsein. Deshalb erfahren wir da eigentlich Rückhalt und Unterstützung. Es kommt jetzt darauf an, dass die Vorfälle nicht als Einzelfälle abgetan werden.

Warum haben Sie sich entschieden, an die Öffentlichkeit zu ­gehen?
Um Solidarität mit der Kunstplantage Zwickau zu zeigen, den Ver­anstaltern des Tausendfüßler-Festivals. Wenn uns so etwas passiert wäre, hätten wir uns auch gewünscht, dass andere so reagieren. Und natürlich muss man vielen Menschen ins Gedächtnis rufen, dass das kein Einzelfall war. Nach dem Simsontreff berichtete die ­Lokalpresse vor allem über ein tolles Festival. Erst nach Berichten in der überregionalen Presse über die Präsenz Rechtsextremer wurde das dort auch ein Thema.