Eklat bei der Solidaritätsparty für den Berliner Dyke March im »Möbel Olfe«

Solidaritätsabend ohne Solidarität

Jüdische und proisraelische Frauen fühlen sich von einer der größten Lesbendemonstrationen Deutschlands ausgeschlossen. Bei einem Fundraising-Abend wurde das bestätigt.

Es sollte ein geselliger Abend werden in der queeren Kneipe »Möbel Olfe«. Mit den Einnahmen der Kreuzberger Bar von diesem Abend sollte der Dyke March, die traditionelle Lesbendemonstration am 26. Juli in Berlin, unterstützt werden. Doch dann endete die Solidaritätsparty verfrüht und abrupt nach viel Geschrei und einem Polizeieinsatz. Der Grund: Eine kleine Gruppe von fünf Frauen hatte einen Tisch zum »Safe Space für Jüdinnen und Israelis« erklärt und mit dem Aufkleber »Believe Israeli Women« und einer Regenbogenfahne inklusive Davidstern versehen. Auf nationale Symbole wie die blau-weiße Flagge Israels habe man bewusst verzichtet, teilte eine der fünf Frauen der Jungle World mit. »Wir wollten testen, ob der Dyke March eigentlich ein sicherer Ort für uns ist.«

»Jüdische und proisraelische Queers fühlen sich zwangsläufig ausgeladen vom Dyke March.« Sharon Adler vom Online-Magazin »Aviva-Berlin«

Bereits zuvor hatte auf Instagram ein Posting der Dyke-March-Organisatorinnen für Irritationen gesorgt. Der Dyke March richte sich »gegen Islamophobie, Siedlerkolonialismus, Genozid und Apartheid«, war dort zu lesen, dekoriert mit dem Wassermelonen-Icon, einem beliebten Symbol der israelfeindlichen Szene aufgrund der dadurch versinnbildlichten Farben der palästinensischen Flagge. Und noch etwas fiel auf: Auf dem Flyer, der die Party ankündigte, hatte jemand die eigentlich gelben Dreiecke neben dem Schriftzug des »Möbel Olfe« rot gefärbt. Die kleine Frauengruppe vermutet dahinter Absicht. Bei den roten Dreiecken auf dem Flyer handele es sich um das Zeichen, mit dem die Hamas Terrorziele markiere, das aber auch als »propalästinensisches« Bekenntnissymbol verwendet werde.

Als »Zionistenschweine« beschimpft

Darüber wollten die fünf Frauen an diesem Abend ins Gespräch kommen und insgesamt über die von ihnen so wahrgenommene Entsolidarisierung der queeren Szene mit Jüdinnen und Juden. Dazu kam es aber gar nicht erst. Recht bald hätten andere Besucherinnen ihnen mitgeteilt, dass sie nicht erwünscht seien. Die Situation habe sich aufgeschaukelt. Man habe die fünf unter anderem als »Zionistenschweine« beschimpft, schilderten die Frauen. Immer mehr schreiende Gäste seien dazu gekommen und hätten unter »Free Palestine«- und »Kein Platz für Genozid«-Rufen den Ausschluss der Gruppe von der Party gefordert. Videoaufnahmen, die diese Darstellung belegen, liegen der Jungle World vor. Nur eine einzige Frau habe sich schützend vor die fünf gestellt.

Die Dyke-March-Organisatorinnen, ein Team aus sechs ehrenamtlich arbeitenden Frauen, entschieden angesichts des Tumults, die Party zu beenden. Auf einer Aufnahme, die der Jungle World vorliegt, ist zu hören, wie diese ankündigen »alle, die hier Ärger machen«, vor die Tür zu setzen. »Wir hatten dann solche Angst vor diesem schreienden Mob und diesen hasserfüllten Gesichtern, dass wir erst gar nicht rausgehen wollten«, berichtete eine der Betroffenen. 

Zu ihrem Schutz hätten sie deshalb die Polizei gerufen, die sie hinausbegleitete. Denn die Organisatorinnen hätten ihre Angst nicht ernst genommen.
Die wiederum zeigten in einer kurz darauf veröffentlichten Erklärung Verärgerung über »die unangekündigte politische Aktion«, bei der »Sticker mit der Israel-Flagge« angebracht worden seien. Damit hätten die fünf lediglich provozieren und spalten wollen. Der Dyke March Berlin stehe in einer weltweiten Tradition lesbischer Stärke und Solidarität, für den Kampf gegen Gewalt gegen Lesben und andere Personen der LGBT-Szene. Auch »Solidarität mit marginalisierten, unterdrückten Gruppen weltweit« wolle man zeigen. »So verurteilen wir die derzeitigen Genozide in Palästina und anderen Teilen der Welt.« Und: »Wir stellen uns gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus.«

Rote Dreiecke auf dem Flyer

Der Jungle World teilte eine der Organisatorinnen mit, die roten Dreiecke auf dem Flyer seien aus Designgründen auf dem pink-rot gehaltenen Flyer gelandet. Eine absichtliche Verwendung eines Terrorsymbols zu unterstellen, sei »infam und perfide«. Sie vermutete, die fünf Kritikerinnen kämen aus der »transfeindlichen Szene«, die seit zwei Jahren versuche-, würden, den Dyke March zu stören. Die besagten Frauen weisen das von sich. Ihnen gehe es allein um Solidarität mit jüdischen Israelis, die am 7. Oktober von der Hamas vergewaltigt, ermordet oder entführt wurden.

Nach dem Vorfall gab es vereinzelt Solidarität mit den fünf Frauen und Kritik an den Veranstalterinnen des Dyke March. »Believe the victim – das war immer ein feministisches Credo, das auch ich vertrete«, sagte die jüdische Journalistin und Feministin Sharon Adler, Gründerin des Online-Magazins Aviva-Berlin, der Jungle World. »Die Reaktion der Dyke-March-Orga auf die Kritik dieser Gruppe und das Statement im Nachhinein sind in meinen Augen ein Armutszeugnis. Ich denke, jüdische und proisraelische Queers fühlen sich zwangsläufig ausgeladen vom Dyke March durch die Bildsprache, die Verwendung des roten Hamas-Dreiecks.«

»Fehlende Empathie für Jüdinnen und Israelis«

Anat, eine in Berlin lebende israelische DJ, kündigte im Gespräch mit der Jungle World an, einen Brief an die Veranstalterinnen zu schreiben. »Ich möchte darstellen, wie sehr dieses Dreieck mich triggert als eine Person, die mehrere Kriege und zwei Intifadas erlebt hat. Ich will auch von einer palästinensischen queeren Person in meinem Freundeskreis erzählen, die nach Tel Aviv gezogen ist, nachdem die Familie ihr mit Mord gedroht hatte. Die Leute sollen verstehen, dass die fehlende Empathie für Jüdinnen und Israelis weltweite Auswirkungen hat.«

Der Zentralrat der Juden in Deutschland kommentierte auf X: »Ein erschreckender Vorfall. Und dieser Abend war leider kein Einzelfall. In progressiven und queeren Räumen müssen jüdische Personen und Verbündete berechtigte Angst um ihre Sicherheit haben.« Die Berliner »Lesben gegen rechts« kritisierten den Dyke March auf Facebook: »Die Rechtsextremen müssen sich die Hände nicht mehr schmutzig machen mit Parolen wie ›Juden raus!‹ – das machen manche Lesben und Queers schon selber.«

Aber auch von anderer Seite gab es Kritik. Das sich antikolonial verstehende Kollektiv »Perrxs del futuro Berlin« erklärte auf Instagram sowohl den Dyke March als auch das »Möbel Olfe« zu einem »nicht sicheren Ort für queere, migrantische und offen propalästinensische Leute«. Im Lokal sei von weißen Zionisten proisraelische Propaganda verbreitet worden und selbst die »rassistische und faschistische« Polizei habe man gerufen. Die Gruppe beklagte sich zudem darüber, dass die Organisatorinnen des Dyke March kein Ohr für sie gehabt und sich nicht einmal dafür bedankt hätten, dass man gegen die kleine Frauengruppe vorgegangen sei.