Jörn Menge, »Laut gegen Nazis«, im Gespräch darüber, wie man mit Markenrechten Rechtsextremen eine Einnahmequelle nimmt

»Wir tragen rechtsextreme Codes als Marke ein«

Die Hamburger Initiative »Laut gegen Nazis e. V.« sichert sich mit der Aktion »Recht gegen rechts« Markenrechte an rechtsextremen Codes, damit rechtsex­treme Online-Shops sie nicht mehr als Kleidungslogos benutzen können. Die »Jungle World« sprach mit dem Vereinsvorsitzenden Jörn Menge.

Was hat es mit der Aktion »Recht gegen rechts« auf sich?
Sie ist Teil unserer Aufklärungsarbeit gegen Rechtsextremismus. Die Menschen sollen erkennen, wie sich die rechtsextremistische Szene finanziert. Merchandising ist seit Jahren eine gute Einnahmequelle, die rechte Gruppierungen für ihre Zwecke nutzen. Wir nehmen der Szene Umsätze weg, indem wir deren Codes als Marke eintragen. Somit dürfen die Nazi-Shops den entsprechenden Code nicht mehr nutzen. Das ist ein sehr hoher Aufwand und erfordert viel Geduld. Für eine Markeneintragung benötigen wir zudem Geld. Aus diesem Grunde rufen wir zu Spenden auf.

Gerade ist es Ihnen gelungen, sich die Markenrechte an »enness« zu sichern. Welche Bedeutung hat das Kürzel für die Naziszene?
Dieses Kürzel beziehungsweise dieser Code für »NS«, also Nationalsozialismus. Mit diesem Code (spielt auf die italienische Sportmarke »ellesse« an; Anm. d. Red.) konnte eine modische, trendige Kleidung hergestellt werden, mit der man seine politische Gesinnung offen zu erkennen gibt. Dieses Kürzel war auf Textilien ein Bestseller – bis wir kamen.

»Die Vertriebe solcher Textilien erhalten von unseren Rechtsanwält:innen – die übrigens kostenfrei mit einem hohen Engagement für uns arbeiten – eine Abmahnung mit der Aufforderung, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben.«

Welche Rechte konnte sich Ihre Initiative noch ­sichern? Und für welche weiteren Kürzel planen Sie in Zukunft, sich die Rechte zu sichern?
Als unsere Marken dürfen wir jetzt »enness«, »VTRLND« (Vaterland) und »AWB« (Afrikaner Weerstandsbewegung) kennzeichnen. Weitere Nazi-Codes und rassistische Kürzel befinden sich im Anmeldeprozess. Derzeit prüfen wir zehn weitere Codes. Wir werden allerdings nicht preisgeben, welche das sind, da die Gegenseite Widerspruch einlegen könnte.

Welche Auswirkungen hat es auf die Szene und die Shops, wenn Sie die Markenrechte für Neo­nazi-Merch­andise inne­haben?
Die Vertriebe solcher Textilien erhalten von unseren Rechtsanwält:innen – die übrigens kostenfrei mit einem hohen Engagement für uns arbeiten – eine Abmahnung mit der Aufforderung, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Bei »VTRLND« ist dies sehr schnell geschehen. Damit unterzeichnen die Vertriebe, dass sie diese Waren weder herstellen noch anbieten oder vertreiben. Bei Zuwiderhandlungen sind Geldstrafen und bei Wiederholungen auch ­Haftstrafen zu erwarten.

Wie reagiert die Szene auf Ihre Initiative? Gibt es Drohungen, Ausweichmanöver oder Versuche, sich ebenfalls die Rechte zu sichern?
Bisher gab es das nicht. Wir haben zu »VTRLND« verschiedene Unterlassungserklärungen, ohne weiteren Kommentar, von den betreffenden Shops erhalten, förmlich und juristisch korrekt. Kurz nach den ersten Medienartikeln zu »VTRLND« und »enness« haben die einschlägigen Shops die Artikel ­direkt aus ihrem Online-Sortiment entfernt.

Große Online-Modehändler wie Zalando und About You sind bereits auf den Zug aufgesprungen und haben die Initiative »Fashion Against Fascism« ins Leben gerufen. War Ihr Projekt dafür die Initialzündung? Und was genau nehmen sich die großen Firmen vor?
»Fashion Against Fascism« ist auf Anfrage von Zalando entstanden. Alle Beteiligten und wir recherchierten und recherchieren Kürzel und Codes der rechtsextremistischen Szene. So haben Online-Modehändler die Möglichkeit zu prüfen, ob sich eventuell ein solcher Code in deren Angebot einschleicht, und können ihn entfernen. Über 200 Codes und andere Kürzel, die von der rechtsextremistischen Szene entwickelt, genutzt oder missbraucht werden, finden sich in der Datenbank, die wir mitentwickelt haben.