Respekt für den »Schlächter von Teheran«? Ohne uns!

Homestory #21/24

Alle trauern, nur wir wieder nicht. Jedenfalls nicht um den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, der bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam.

Die Trauer war international. Am Dienstag setzten die Vereinten Nationen ihre Flagge auf Halbmast. Zwei Tage zuvor war bekannt geworden, dass der iranische Präsident Ebrahim Raisi nach einem Hubschrauberabsturz vermisst wird. Am Montag folgte die Meldung, dass »seine Exzellenz, Herr Seyyed Ebrahim Raisi«, wie ihn die Vereinten Nationen ehrerbietig nannten, tot ist. Als »Zeichen des Respekts« forderte man deshalb alle Büros und Dienststellen dazu auf, ihre Flaggen aus diesem Anlass auf Halbmast zu setzen.

Die Trauer um den »Schlächter von Teheran«, wie die iranische Opposition den verstorbenen iranischen Präsidenten treffend bezeichnet, teilt man in der Redaktion ihrer Lieblingszeitung ganz und gar nicht. Beileidsbekundungen überlässt man im Gartenhaus lieber diversen Außenministern, antizionistischen Gruppen oder eben den UN.

»Ich will mein Beileid im Namen des iranischen Volks bekunden und hoffe, dass unserer Oberster Führer« – also Ali Khamenei – »dem Beispiel Raisis bald folgen (wird).« Niyak Ghorbani, in England lebender Exil-Iraner

Es sind andere, die der Redaktion fehlen. »Ich war traurig über den Tod von Ingrid Strobl vor ein paar Monaten, weil ich ihre Bücher über jüdische Partisaninnen liebe und sie so außergewöhnlich war«, erzählt ein Redaktionsmitglied. Kurz vor deren Tod habe sie noch zu einer Filmvorführung gehen wollen, bei der Strobl selbst zugegen war, um Fragen zu beantworten. Weil die Veranstaltung mit dem Redaktionsschluss zusammenfiel, musste sie leider passen. »Ich dachte, dass es halt bestimmt nochmal die Gelegenheit geben wird« – ein trauriger Irrtum.

Einen anderen hat die Meldung vom Tod Duane Eddys, US-amerikanischer Gitarrist der späten fünfziger Jahre, stutzen lassen. Eddy sei der »charakteristische Twang-Sound der E-Gitarre, ohne den Surf-Musik und Italo-Western-Themen nicht denkbar wären«, zu verdanken. Der Komponist von »Rebel Rouser« starb am 30. April mit 86 Jahren.

Sogar Verluste, die bereits mehrere Jahre zurückliegen, reißen in der Redaktion noch immer Wunden auf; so etwa der Tod des Autors Wiglaf Droste vor genau fünf Jahren. »Er konnte einfach besser schrei­ben als der Rest«, resümiert ein Redaktionsmitglied. »Und er war der unlangweiligste Mensch, den man sich vorstellen kann.« Von seinem Tod sei sie ehrlich schockiert gewesen.

Der Tod von Amy Winehouse 2011 bedeutet für einige in der Redaktion weiterhin einen herben Verlust. Und auch den Abschied von Tina Turner im vergangenen Jahr haben noch nicht alle verkraftet. »Bei der Nachricht kamen mir tatsächlich die Tränen«, berichtet ein Kollektivmitglied. »Ich weine aber auch schnell, um ehrlich zu sein.«

Noch immer vermisst wird zudem Torsun Burkhardt, Kopf der Elektropunkband Egotronic und langjähriger Wegbegleiter dieser Zeitung. Er ist nach einer schweren Krebserkrankung am 30. Dezember 2023 verstorben.

Wie Niyak Ghorbani, ein in England lebender Exil-Iraner sein Beileid zu Raisis Tod bekundete, stieß im Gartenhaus hingegen auf Begeisterung. Auf X postete Ghorbani ein Video von sich in der iranischen Botschaft in London. Den Angestellten dort teilte er mit: »Ich will mein Beileid im Namen des iranischen Volks bekunden und hoffe, dass unserer Oberster Führer« – also Ali Khamenei – »dem Beispiel Raisis bald folgen … « Bevor er den Satz beendete, verließ er lachend und sichtlich beglückt die Botschaft.