Loyale Kritikerin
Hannah Arendt selbst hätte heutzutage in Deutschland keine Aussicht darauf, den Hannah-Arendt-Preis zu erhalten. Das behauptete Ende vergangenen Jahres die Hannah-Arendt-Preisträgerin Masha Gessen, nachdem sie in The New Yorker geschrieben hatte, die Lage im Gaza-Streifen sei wie in »einem Ghetto für Jüdinnen und Juden in einem von Nazi-Deutschland besetzten Land Osteuropas«, und dafür heftig kritisiert worden war. Arendt habe stets darauf bestanden, so Gessen im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau, »Vergleiche zwischen Nazis und etwa einer jüdisch-israelischen Partei anzustellen«, um wachsam für »frühe Anzeichen« eines neuen Faschismus zu sein.
Zur Begründung verwies Gessen auf einen offenen Brief, den Arendt wenige Monate nach der Staatsgründung Israels im Dezember 1948 mitunterzeichnet hatte. In dem in der New York Times veröffentlichten Brief schrieben Arendt, Albert Einstein und andere, die Partei Herut in Israel, hervorgegangen aus dem Irgun, sei den »Nazi- und faschistischen Parteien verwandt«. Gessen tat so, als dürfe man das in Deutschland heute kaum noch sagen. Tatsächlich berichten deutsche Medien jeden Tag von den rechtsextremen Koalitionspartnern in Benjamin Netanyahus Regierung. Es ist allerdings ein Unterschied ums Ganze, ob man, wie Arendt und Einstein, vor einer rechtsextremen Partei in Israel warnt oder, wie Gessen, das ganze Verhältnis Israels zum Gaza-Streifen in die Nähe der Nazi-Vernichtungspolitik rückt.
Hannah Arendt war für die zionistische Organisation Agriculture et Artisanat tätig und hielt politische Vorträge über Judenhass in Deutschland und über ein zukünftiges Leben in »Erez Israel«.
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