Die proisraelische Haltung der AfD bekommt Risse

Uneins über Israel

Vergangenheitspolitisch will die AfD das Erinnern an den Nationalsozialismus verdrängen, auf Israel als Bollwerk gegen die islamische Welt haben sich Vertreter der Partei in der Vergangenheit hingegen oft positiv bezogen. Manche kritisieren eine deutsche Identifikation mit Israel inzwischen jedoch als antideutschen Ersatznationalismus.

Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar findet in diesem Jahr auch unter dem Eindruck des andauernden Kriegs in Israel und im Gaza-Streifen statt. 79 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz ist mit der »Alternative für Deutschland« (AfD) eine Partei bei der offiziellen Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestags vertreten, deren Ziel es ist, die deutsche Geschichte umzudeuten.

Das belegen nicht nur zahlreiche Aussagen ihrer Mitglieder. Im Grundsatzprogramm der Partei heißt es, die »aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus« sei »zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung auf­zu­brechen, die auch die positiven, identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte« umfasse. »Die gesamtdeutsche Geschichte in ein besseres Licht zu rücken, ist ein wesentliches Anliegen der AfD«, sagt der Publizist und Autor Ruben Gerczikow der Jungle World.

Trotz dieser Haltung zur NS-Geschichte vertraten viele AfD-Politiker wie beispielsweise Alexander Gauland bisher zumindest vordergründig eine proisraelische Position. Gerczikow führt dies darauf zurück, dass geteilte »westliche Werte« betont und die Israel als »Bollwerk gegen die islamische Welt« betrachtet würden. Doch spätestens seit dem 7. Oktober bröckelt der Anschein einer geschlossenen Haltung der AfD zu Israel.

Nur wenige Tage nach dem terroristischen Angriff der Hamas zog der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla mit einem Social-Media-Post Kritik auf sich. Er hatte zwar den Angriff der Hamas verurteilt, aber auch »Deeskalation« angemahnt und vor einem »Flächenbrand« gewarnt.

Martin Sellner skizzierte »vier negative Idealtypen zur Israelfrage«. Einer davon, der »liberale Schuldkultpatriot«, sehe sich durch die »›historische Verantwortung‹ zu einer zionistischen Außenpolitik« verpflichtet.

Einer, der Chrupalla unterstützt, ist Maximilian Krah, Europaabgeordneter der AfD. Er sagte bei einem Vortrag im rechtsextremen Institut für Staatspolitik im November, dass es »schlimm genug« sei, über die deutsche Vergangenheit zu sprechen. In Verbindung mit Israel sei dies jedoch »nahezu unmöglich«. Bei beiden Themen handle es sich um »Minenfelder«. Krah beschrieb das »Projekt Israel« zwar als ein »insgesamt positives«, Deutschland komme diesem Staat gegenüber jedoch keine »besondere Verantwortung« zu. Zudem forderte er, der israelischen Gegenwehr im Gaza-Streifen Grenzen zu setzen. Ein Fortdauern des Kriegs könne die islamische Welt gegen die westliche vereinen und neue Flüchtlingsströme nach Europa, allen voran nach Deutschland auslösen. Sollten diese »Schreckensszenarien« eintreten, sei in Deutschland »Land unter«.

Krah richtete seine Kritik sowohl gegen Personen aus der eigenen Partei als auch gegen »Liberal-Konservative« wie Julian Reichelt oder Mathias Döpfner, denen er eine zu große Identifikation mit dem »Fremden«, in dem Fall Israel, vorwarf. Diese gehe zu Unrecht über die mit dem »eigenen Vaterland« hinaus. In Westdeutschland mache sich die »Sehnsucht nach einem Ersatznationalismus« bemerkbar. Das sei einer »ganz eigenartige(n) Vergangenheitsaufarbeitung« geschuldet. Mit der Verteidigung Israels würden viele fälschlicherweise die Verteidigung des »Eigenen« und den Schutz westlicher Werte assoziieren. Allerdings betrachte er selbst Israel weder in dieser »Regenbogenideologie«, noch identifiziere er sich mit dieser.

Ein Blick auf das politische Umfeld der Partei zeigt, dass Krah mit seiner Meinung keineswegs allein dasteht. Im Oktober skizzierte Martin Sellner auf dem Blog der Sezession »vier negative Idealtypen zur Israelfrage«. Einer davon, der »liberale Schuldkultpatriot«, sehe sich durch die »›historische Verantwortung‹ zu einer zionistischen Außenpolitik« verpflichtet. Martin Lichtmesz diagnostizierte im Januar 2020 an gleicher Stelle in Bezug auf Israel einen »kompensierende(n) ›Ersatzpatriotismus‹«, der sich auch bei Linken zeige.

Diese starke Identifizierung mit Israel führt Krah wiederum auf das Bedürfnis zurück, die Rolle der »vermeintlichen Guten« einzunehmen. Viele Deutsche empfänden die NS-Vergangenheit als Belastung. Krah verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff der »Vergangenheitsbewältigung«, der sich unter anderem auch bei Armin Mohler und Rolf Peter Sieferle findet, deren geschichtsrevisionistische Bücher »Der Nasenring« (Mohler) und »Finis Germania« (Sieferle) viele Rechte als Grundlagenliteratur betrachten.

Den Umweg über den Israel-Palästina-Konflikt nutze Maximilian Krah, um »den Nationalsozialismus zu relativieren und deutsche Verbrechen zu legitimieren«, so Ruben Gerczikow.

All das habe, so Krah, ein bisher unbekanntes »Ausmaß an Menschenfeindlichkeit und Unmenschlichkeit« zur Folge. Als Beispiel nennt er die Befürwortung der Vertreibung der palästinensischen Zivilbevölkerung. In der derzeitigen Debatte würden Dinge sagbar, die einst als tabu gegolten hätten.
Darin sieht Krah aber auch eine Chance für rechte Geschichtspolitik. Bisher sei es ein Tabu gewesen, Verbrechen an Deutschen hinreichend zu thematisieren. Das müsse geändert werden. »Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher«, heißt es gegen Ende der Rede. Im Zusammenhang damit appelliert er, wer die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten verurteile, müsse dies auch mit Angriffen auf den Gaza-Streifen tun.

Gerczikow meint, Krah weiche mit seinen Aussagen vom Kurs anderer AfD-Vertreter wie Alice Weidel oder Gauland ab. Daraus jedoch auf eine Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung zu schließen, sei falsch. Das betont auch Krah selbst in seiner Rede. Er sei »kein großer Fan der palästinensischen Bevölkerungsgruppe innerhalb des arabischen Volkes«.

Der Umweg über den Israel-Palästina-Konflikt werde, so Gerczikow, lediglich genutzt, um »den Nationalsozialismus zu relativieren und deutsche Verbrechen zu legitimieren«. Daraus resultiere die Verbindung zweier Formen des Antisemitismus, die in Teilen der extremen Rechten verbreitet sei: eines israelbezogenen Antisemitismus, der Israel die alleinige Verantwortung für die Situation im Gaza-Streifen und den Krieg zuschreibe, und eines Schuldabwehr-Antisemitismus, der deutscher Täterschaft im Kontext des Nationalsozialismus negiere.