Björn Peng, ­Artists Against Antisemitism, im Gespräch über Reaktionen auf den Gaza-Krieg in der Musikszene

»Die Solidarität bleibt leider aus«

Die Besucher des Psytrance-Festivals »Supernova« im Süden Israels zählten am 7. Oktober zu den ersten Opfern des Hamas-Terrors. Mindestens 260 Festivalbesucher hat die Hamas dort brutal ermordet. Die »Jungle World« sprach mit Björn Peng von Artists Against Antisemitism über die Reaktionen in der Musikszene.

Wie reagierte die internationale Musikszene auf den Anschlag der Hamas?
So wie ich es beobachtet habe, wurden die terroristischen Anschläge sofort gerechtfertigt. Unmittelbar nach den Anschlägen gab es eine große Solidarisierung mit dem sogenannten palästinensischen »Befreiungskampf«. Gesehen habe ich das zum Beispiel in einem Video des amerikanischen Youtubers Hate5six, der in der Regel Videos von Hardcore-Punkkonzerten hochlädt. Gleich am ersten Tag nach den Anschlägen teilte er auf Instagram Slides, in denen es unter anderem hieß: »Es ist Zeit, mutige Worte zu finden.« Und weiter: »Lass sie es Terrorismus, Extremismus, Barbarei nennen. Wir nennen es Befreiung. Dekolonialisierung. Widerstand. Revolution.« Eine Woche später teilte er Slides, welche in Bezug auf Gaza von Genozid und ethnischer Säuberung sprechen und Gaza mit einem Konzentrationslager gleichsetzen. Hate5six hat auf Youtube 268.000 Abonnenten und war unter anderem bei Black Lives Matter sehr aktiv.

Wie reagierte man in Deutschland?
In Deutschland und im deutschsprachigen Raum habe ich schon eher eine Solidarisierung mit den Opfern und Mitgefühl wahrgenommen, sogar bei Leuten, die sonst nicht unbedingt solidarisch mit Israel sind. Jedoch gab es auch hier sehr viele, die sofort in die »Free Palestine«-Reflexe zurückgefallen sind. In Freiburg hat jemand, der im Nachtleben sehr aktiv ist, gleich versucht, Stellung zu beziehen und den Angriff auf den Supernova-Rave als Angriff auf die gesamte Clubkultur zu begreifen. Er hat dann auf Instagram eine Story gepostet und verschiedene Menschen aus der Clubkultur in Freiburg angeschrieben, ob sie sich solidarisieren möchten. Darauf hat er sehr viel Ablehnung erfahren. Manche meinten, sie fänden es schwierig, sich da zu positionieren, andere haben mit »Free Palestine«- und »From the river to the sea«-Sharepics oder mit antisemitischen Verschwörungserzählungen darauf geantwortet. Eine dieser Personen, die so reagierte, veranstaltet unter anderem Partys zusammen mit Kollektiven, die auch beim dem Freiburger CSD dabei sind.

Man könnte ja annehmen, da ein Technofestival angegriffen wurde, gäbe es besonders viele Solidarisierungen in der Musikszene?
Die Solidarität bleibt leider aus. Und das hat ganz klar etwas damit zu tun, dass dieses Festival in Israel stattfand. Es gibt höchstens vereinzelt Leute, die sich solidarisch zeigen und sagen: »So etwas darf nicht passieren, egal welcher Konflikt dahintersteht.« Dass dies so ist, hat wohl auch damit zu tun, dass im queeren, feministischen und linken Kontext gerade ein ganz anderer Wind weht. Ich denke, dass deshalb viele Leute Angst haben, sich öffentlich zu solidarisieren, da sie sonst als rassistisch und antimusl­imisch markiert werden. Wegen solchen Vorwürfen werden Kontakte abgebrochen und kommen Bookings nicht zustande.

»Momentan wird die Verschwörungstheorie verbreitet, dass die israelische Armee die Fluchtrouten in Gaza bombardiere, obwohl es nachweislich die Hamas ist, welche die Menschen an der Flucht hindert.«

Die antiisraelische Seite dagegen beansprucht immer den Opferstatus und hat deshalb in ihren Argumenten oftmals Narrenfreiheit, so scheint es. Momentan wird zum Beispiel die Verschwörungstheorie verbreitet, dass die israelische Armee die Fluchtrouten in Gaza bombardiere, obwohl es nachweislich die Hamas ist, welche die Menschen an der Flucht hindert. Und wenn man die Leute darauf anspricht, dann sagen sie, dass in den Mainstream-Medien die Wahrheit nicht gezeigt würde. So etwas kenne ich eigentlich nur von »Querdenkern«.