Der Klimawandel führt zu hohen Risiken im Immobiliensektor

Häuschen mit Katastrophenblick

Stürme, Waldbrände, steigender Meeresspiegel: Die Erderwärmung führt zu hohen finanziellen Risiken bei Immobilieninvestitionen. In Küstenregionen wie Florida drohen Milliardenverluste.

Am Ende war der Sturm weniger verheerend als befürchtet. Am Mittwoch vergangener Woche traf der Hurrikan »Idalia« mit schweren Windböen und Starkregen auf die Küste Floridas. Er entwurzelte Bäume und zerstörte Häuser, über 200.000 Menschen waren zeitweise ohne Strom. Doch verwüstete das Unwetter vor allem weniger dicht besiedelte Gebiete.

Vor knapp einem Jahr lief es weniger glimpflich ab. Der Hurrikan »Ian« forderte über 150 Todesopfer, landesweit richtete er Sachschäden in Höhe von 112 Milliarden US-Dollar an. Für Florida, das besonders schwer getroffen wurde, war es der teuerste Sturm in der Geschichte des Bundesstaats.

Mit der Klimaerwärmung nimmt die Häufigkeit solcher Stürme zu. Und damit auch der finanzielle Schaden, den sie vor allem in dichtbesiedelten Küstenregionen, wie sie Florida aufweist, anrichten. Das wirkt sich auch auf den Immobilienmarkt aus. Über Jahrzehnte waren die dortigen malerisch am Meeresstrand gelegenen Luxusimmobilien, etwa in Miami Beach und im Umland, dem Miami-Dade County, besonders begehrt. Zu Zeiten großer Immobilienspekulationsblasen – in den achtziger Jahren des 20. und in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts – konnten hier enorme Preissteigerungen erzielt werden.

Weil in Florida Stürme häufiger und verheerender werden, haben bereits einige Versicherungs­unternehmen ihre Angebote für Immobilienbesitzer in dem Bundesstaat eingeschränkt.

Heutzutage bieten nahe dem Meeresspiegel gelegene Städte wie Miami Anschauungsmaterial für die Wechselwirkung zwischen ökologischer und ökonomischer Krisenentfaltung. Nicht nur Stürme treten häufiger auf, aufgrund des steigenden Meeresspiegels und steigender Grundwasserspiegel wird auch die periodische Überflutung von küstennahen Straßen und Wohnvierteln zu einem immer ernsteren Problem. Städte in Florida investieren bereits jetzt in Wasserpumpen, die Anhebung von Straßen oder die Renaturierung von Überflutungsgebieten.

Schon die jüngste, durch die expansive Geldpolitik der Notenbanken beförderte Hausse auf dem US-Immobilienmarkt wurde in Florida durch die sich immer deutlicher abzeichnenden Folgen der Klimakrise überschattet. Die Verkäufe von Häusern in besonders vom Meeresspiegelanstieg betroffenen Regionen Floridas, wie Bal Harbour im Norden von Miami Beach, gingen schon zwischen 2013 und 2018 um die Hälfte zurück. Zwischen 2016 und 2020 fielen auch die Preise in diesen Luxusvierteln, wo noch vor wenigen Jahren Einfamilienhäuser im Schnitt für 3,6 Millionen US-Dollar veräußert wurden, um 7,6 Prozent. Weitere besonders gefährdete Regionen wie Key Biscayne oder Sunny Isles Beach sahen Preiseinbrüche bis zu 13 Prozent im selben Zeitraum.

Und das war erst der Anfang. In den kommenden Jahrzehnten sollen unterschiedlichen Prognosen zufolge zwischen 300.000 und 1,9 Millionen Küstenimmobilien in den USA von »regelmäßigen Überschwemmungen« betroffen sein. Bis 2100 dürften sich das Stadtzentrum von Miami und weite Teile des Miami-Dade County permanent unter dem Meeresspiegel befinden – samt Immobilien im Wert von derzeit 400 Milliarden US-Dollar.

Spekulationsblasen waren – gerade in Gestalt der Immobilienblasen – in den vergangenen Jahrzehnten ein wichtiger Antrieb der Konjunktur für die an ihrer Produktivität erstickende Warenproduktion. Gleichzeitig verschärfte sich in diesem Zeitraum die ökologische Krise. Im Immobilienmarkt Floridas schaukeln sich die spätneoliberale Blasenökonomie und die kapitalistische Klimakrise gegenseitig hoch; auf lokaler Ebene werden hier zugleich die innere und die äußere Schranke des Kapitals spürbar: Aufgrund steigender Meeresspiegel und verheerenderer Stürme droht eine Entwertung von Immobilien – und ein klimabedingter Einbruch des Immobilienmarktes würde, zumindest in den betroffenen Regionen, die Konjunktur belasten.

Eine Berechnung aus dem vergangenen Jahr geht sogar von klimabedingten Wertverlusten von bis zu 520 Milliarden US-Dollar aus, so dass 3,5 Millionen Hauseigentümer in den Risikogebieten der USA einen Preisverfall von »mehr als zehn Prozent« hinnehmen müssten.

Einigen Prognosen zufolge sind die zu erwartenden Auswirkungen der Klimakrise auf dem Immobilienmarkt bei weitem noch nicht eingepreist. Die Washington Post berichtete im Februar über eine wissenschaftliche Studie, der zufolge der Marktpreis für Immobilien in gefährdeten Regionen landesweit insgesamt um 121 bis 237 Milliarden US-Dollar fallen müsste, um die Klimarisiken adäquat widerzuspiegeln – was auf einen gigantischen, vom Klimawandel induzierten Immobilienkrach hinauslaufen würde. Außer Florida seien beispielsweise auch Louisiana, North Carolina, New York und New Jersey betroffen. Eine Berechnung aus dem vergangenen Jahr geht sogar von klimabedingten Wertverlusten von bis zu 520 Milliarden US-Dollar aus, so dass 3,5 Millionen Hauseigentümer in den Risikogebieten der USA einen Preisverfall von »mehr als zehn Prozent« hinnehmen müssten.

Neben Immobilienhändlern sind insbesondere Versicherungsunternehmen von den steigenden Unwetterrisiken betroffen. Weil in Florida Stürme häufiger und verheerender werden, haben einige Versicherungsunternehmen bereits ihre Angebote für Immobilienbesitzer in dem Bundesstaat eingeschränkt. Ähnliche Entwicklungen gibt es beispielsweise in Kalifornien, wo im Juni der Versicherungskonzern State Farm mit Verweis auf die gestiegene Waldbrandgefahr ankündigte, keine Immobilien mehr zu versichern. Ende August erklärte mit United Services Automobile Association (USAA) ein weiterer Versicherungskonzern, die Vergabe von Immobilienversicherungen in Kalifornien wegen der Zunahme von Waldbränden stark einzuschränken.

Andere Versicherer sehen in den steigenden Unwetterrisiken Profitchancen. Die New York Times berichtete, dass einige Unternehmen entgegen dem Branchentrend ihr Angebot in Florida ausweiten – denn die durchschnittliche Versicherungsprämie für Hausbesitzer sei mittlerweile auf lukrative 6.000 US-Dollar jährlich gestiegen. Immer mehr Immobilienbesitzer in den USA würden allerdings an ihrer Versicherung sparen. Im vergangenen Jahr seien nur 60 Prozent der landesweit durch Unwetter, Trockenheit und Waldbrände entstandenen Schäden von Versicherungen gedeckt gewesen.

Auch in Europa zeigt sich das Problem steigender Prämien. Schon vor zwei Jahren prognostizierte der Rückversicherer Swiss Re einen Anstieg der versicherten wetterbedingten Katastrophenschäden bis 2040 um 30 bis 63 Prozent in den meisten »entwickelten Märkten«, in der Bundesrepublik gar um 90 Prozent. Im vergangenen Juni warnte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vor einem »Preisschock« bei Gebäudeversicherungen.

Die Prämien könnten sich in den kommenden zehn Jahren verdoppeln. Davon wären nicht nur Hausbesitzer, sondern auch Mieter betroffen. Hinzu kommt, dass in Deutschland zwar die meisten Immobilienbesitzer gegen Sturmschäden, aber nur knapp die Hälfte gegen andere sogenannte Elementarschäden, wie solche durch Überschwemmungen oder Erdrutsche, versichert sind. Im August forderten deshalb nach starken Unwettern in Deutschland mehrere Ministerpräsidenten, den Abschluss einer Elementarschadenversicherung verpflichtend zu machen.

Selbst in jenen Regionen, die besonders von Klimaschäden bedroht sind, gibt es Geschäftspotential, beispielsweise durch die Gentrifizierung von Stadtteilen und Regionen nach Maßgabe von klimabedingten Risiken.

Trotz dieser Effekte der Klimakrise rechnen Experten damit, dass Immobilienpreise weltweit in den kommenden Jahren stark steigen werden. Das Münchner Ifo-Institut prognostiziert einen Anstieg um neun Prozent jährlich in den kommenden zehn Jahren. Bevölkerungswachstum und steigender Lebensstandard sollen insbesondere in Süd- und Westasien zu einem zweistelligen Preisauftrieb führen. Selbst in Nordamerika und Westeuropa soll das Wachstum 7,7 bzw. 6,4 Prozent jährlich betragen.
Und selbst in jenen Regionen, die besonders von Klimaschäden bedroht sind, gibt es Geschäftspotential, beispielsweise durch die Gentrifizierung von Stadtteilen und Regionen nach Maßgabe von klimabedingten Risiken. Auch hierbei ist Miami ein Vorreiter, wie US-Medien unter Berufung auf entsprechende Studien schon 2018 berichteten.

Eine Untersuchung der Immobilienpreise der vergangenen 45 Jahre im Großraum Miami fand einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Preisentwicklung und der Höhe der Immobilien über dem Meeresspiegel: je höher gelegen, desto höher der Preis. Die Preise in gefährdeten Küstenregionen wären der Studie zufolge ohne die Risiken aufgrund des Klimawandels zehn Prozent höher gewesen. Künftig würden Bevölkerungswachstum und »spekulative Immobilieninvestitionen« gerade in den höheren Lagen des Großraums zunehmen, was den Preisauftrieb beschleun­igen werde, so die Prognosen. Deswegen würden Investoren bereits »sozial schwache Einwohner aus hoch gelegenen Stadtteilen wie Little Haiti« verdrängen.

Solche Verdrängungen sind ein Beispiel dafür, wie ein sich veränderndes Klima die sozialen Landkarten in Städten und betroffenen Regionen verwandeln kann: Die Armen werden in Bereiche abgedrängt, die besonders stark durch Extremwetterereignisse gefährdet sind. Das können nicht nur Tropenstürme und Überflutungen, sondern auch beispielsweise Waldbrände oder schlicht Hitze sein.

Das Online-Magazin Insider (früher Business Insider) berichtete darüber, dass Minneapolis in Minnesota landesweit zu den Städten mit den größten innerstädtischen Temperaturunterschiede zwischen den kühleren wohlhabenden und den heißeren armen Stadtteilen zählt. Im Extremfall kann er bis zu elf Grad Fahrenheit betragen. Die Konzentration umweltschädlicher Industrie und das Fehlen von Grünflächen in den verarmten Stadtbezirken tragen zu dieser enormen Diskrepanz bei. Weil die Stadt immer noch von der diskriminierenden Aufteilung der Stadt in wohlhabende Viertel und Ghettobezirke für Schwarze und mehrheitlich nichtweiße Personen geprägt sei (sogenanntes »redlining«), seien Minderheiten überproportional von Hitze und Umweltverschmutzung betroffen.