Die konservative griechische Regierung verschärft ihre Asylpolitik

Lagerkoller auf den Inseln

Seite 2

Zum Ende der Koalition, im Frühjahr 2019, übernahm Tsipras von Kammenos sogar Abgeordnete und integrierte diese in die mittlerweile sozialdemokratische Syriza. Mit dem Schwenk zur politischen Mitte vergaßen einst humanitär gesinnte Genossen ihre Überzeugung. Als es um Fälle von Vergewaltigung Minderjähriger im Lager Moria auf Lesbos ging, versuchte etwa der ehemalige Minister für Schifffahrt und Inseln, Thodoris Dritsas, diese zu relativieren: »Wieso sprechen Sie das an? Es gab doch nur ungefähr alle sechs Monate eine Vergewaltigung.« Die derzeitige Asyl- und Migrationspolitik von Mitsotakis setzt fort, was Syriza begonnen hat. Auch in deren Regierungszeit gab es illegale pushbacks des griechischen Grenzschutzes.

Syriza, nun die größte Oppositionspartei, und die regierende Nea Dimokratia streiten sich nur darüber, ob es geschlossene, gefängnisartige oder ­offene Lager für Geflüchtete geben soll. Beide vermuten hinter dem jüngsten Anstieg der Flüchtlingszahlen eine Strategie des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Er regle die Flüchtlingsströme nach Gusto, um Druck auf die EU auszuüben.

An diesem Punkt setzen Rechtsextreme wie Kyriakos Velopoulos an, der Vorsitzende der Partei Elliniki Lysi (Griechische Lösung, EL). Velopoulos, der ­einen eigenen Fernsehsender betreibt und »patriotische Bücher« sowie angeblich Wunder wirkende Medizinprodukte vertreibt, bezeichnet Geflüchtete und Immigranten als »Invasionsarmee Erdoğans«. Dieser habe, behauptet ­Velopoulos im Parlament und in seinem Sender, die Islamisierung Griechenlands und später ganz Europas zum Ziel. Velopoulos benutzt gern den Ausdruck »Lathroeisvoleis« (illegale Invasoren), der von Politikern des rechten Flügels der ND gern adaptiert wird.

Die Regierung Mitsotakis hat das Asylrecht bereits verschärft, beteuert jedoch angesichts der Kritik von Flüchtlingsorganisationen und der EU, dass die Menschenrechte gewahrt würden. Ab Januar 2020 können Asylsuchende bis zu 36 Monate in Haft gehalten werden.

Einspruchsmöglichkeiten gegen ablehnende Bescheide werden drastisch beschnitten. Dass erfolgreich eingereichte und begründete Einsprüche bereits jetzt nicht vor einer Abschiebung schützen, mussten acht am 25. Oktober von Lesbos in die Türkei abgeschobene Asylsuchende erfahren, am 18. Oktober sechs von Kos Zurückgeschickte.

Es gibt bestätigte Berichte, dass Asylanträge abgelehnt und die Asylsuchenden abgeschoben wurden, obwohl die Prüfkommission in ihrem Bericht anerkannt hatte, dass die Betroffenen Opfer staatlicher Folter waren oder ihr Wohnort von militärischen Kräften im Herkunftsland verwüstet worden war. Zurück in der von Griechenland als Feindin, aber auch als »sicheres Drittland« angesehenen Türkei erwartet abgelehnte Asylsuchende eine bis zu zwölf Monate dauernde Abschiebehaft, Syrerinnen und Syrer unter Umständen auch eine zwangsweise Ansiedlung in den vom türkischen Militär besetzen Gebieten Nordsyriens. Am 21. November stoppte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit einer einstweiligen Verfügung die Abschiebung eines Afghanen von Lesbos in die Türkei. In seiner Begründung verwies das Gericht auf die Menschenrechtslage in der Türkei.