Gewerkschaften kritisieren die geplanten Streichungen von Jobs bei der Deutschen Bahn

Gute Stellen, schlechte Stellen

Die Deutsche Bahn hat eigenen Angaben zufolge einen Milliardenverlust gemacht und will nun Stellen kürzen. Gewerkschaften und Verkehrs­verbände kritisieren das Vorgehen, lehnen Stellenkürzungen jedoch nicht grundsätzlich ab. Sie fordern einen generellen Richtungswechsel.

Baustellen, extreme Wettereignisse, Havarien, Streiks und eine schwächelnde Nachfrage bescheren der Deutschen Bahn (DB) nach eigenen Angaben einen Milliardenverlust. In den ersten sechs Monaten des Jahres hat die DB demnach 1,2 Milliarden Euro Miese eingefahren; im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum 71 Millionen Euro. Der Konzern ist insgesamt mit 33 Milliarden Euro verschuldet und will deshalb nun 30.000 Vollzeitstellen abbauen. »Wir müssen in Zukunft mehr Bahn mit weniger Menschen schaffen«, teilt der Vorstand für Finanzen, Levin Holle, dazu mit. Wo Personal gebraucht werde, wolle man indes weiterhin in großem Umfang einstellen.

»Im Management und bei Zwischen­führungsebenen gibt es teilweise Doppelstrukturen – da scheint die Deutsche Bahn überbesetzt zu sein.« Alexander Kaas Elias, Verkehrsclub Deutschland

Ein Sprecher der Bahn AG sagte der Jungle World, dass kaum ein Unternehmen in Deutschland so viel einstelle wie die Bahn. Seit 2019 seien es »weit mehr« als 130.000 Neueinstellungen gewesen. In diesem und im kommenden Jahr werde man voraussichtlich wieder 25.000 Menschen einstellen, insbesondere bei der Eisenbahn. Gleichzeitig wolle man durch »qualifizierte Ausgabensteuerung« im laufenden Jahr einen »deutlich« dreistelligen Millionenbeitrag einsparen. Mittel- und langfristig würden strukturelle Maßnahmen eine entscheidende Rolle spielen. Mit Hilfe von Digitalisierung und Automatisierung wolle man dafür sorgen, dass administrative Prozesse künftig von weniger Beschäftigten bewältigt werden könnten. Bereits in diesem Jahr sollen deshalb 1.500 Stellen vor allem in der Verwaltung wegfallen.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hingegen spricht von einem dramatischen Personalmangel, den die geplanten Neueinstellungen nicht behöben. Stefan Musiol, Pressesprecher der GDL, sagte der Jungle World: »Den Neueinstellungen stehen massive altersbedingte Abgänge gegenüber. Das wird sich in den kommenden Jahren eher noch verschärfen, weil Tausende Beschäftigte in den Ruhestand gehen.«

Beschäftigte am Limit

Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sieht den geplanten Stellenabbau kritisch. In einer Pressemitteilung gibt sie zu bedenken, dass dieser »vor allem budgetgetrieben und nicht durch konkrete Maßnahmen hinterlegt« sei. Die Gewerkschaft bezweifelt, dass die DB den Schienenverkehr mit weniger Menschen bewältigen kann. Die Betriebsrät:innen der EVG würden »sehr genau hinsehen und vor allem darauf achten, dass nicht einfach dieselbe Arbeit auf weniger Schultern verteilt wird«. Einen Personalabbau im ­operativen Bereich lehne man ab. Der müsse eher ­sogar mit zusätzlichen Stellen gestärkt werden.

Darin sind sich die Gewerkschaften einig: Die Beschäftigten arbeiten bereits am Limit, damit der Schienenverkehr überhaupt noch funktioniert. Die Verluste des Konzerns seien »Ergebnis von langfristigen Fehlhandlungen und einem krassen Missmanagement von Leuten, die vom Eisenbahnsystem nichts verstehen«, so Musiol von der GDL. Es fehlten etwa 1.500 Lokomotivführer, außerdem Handwerker und Fahrdienstleiter. Der Konzern habe ein strukturelles De­fizit verursacht, weil es preiswerter sei, die Leute Überstunden machen zu lassen, als neue einzustellen. Gegen einen Stellenabbau in der Verwaltung hat Musiol allerdings nichts einzuwenden. Denn dort »herrscht kein Mangel«.

Auch die Initiative Bürgerbahn ist nicht generell gegen Stellenkürzungen. Sie ist im Jahr 2000 aus Protest gegen den Börsengang der DB entstanden und versteht sich als »Denkfabrik für eine starke Schiene«. Die Verluste seien »die Quittung für die völlig verfehlte Unternehmensstrategie«, teilte Heiner Monheim, Sprecher der Initiative, der Jungle World mit. 

»Wasserkopf im Bahnmanagement«

Bürgerbahn hätte wenig einzuwenden, wenn »an der richtigen Stelle« gespart werden würde, zum Beispiel beim Personal für Immobilien­geschäfte und Digitalisierung. Der »aufgeblähte Wasserkopf im Bahnmanagement« sowie Gehälter und Boni der Führungsetage dürften gerne abgebaut werden. Monheim rügt, dass die DB allerdings insofern ein »Riesenpersonalproblem« habe, als Lokführer und Mitarbeiter in der Logistik fehlten. Letzteres führe zu Problemen in den Stellwerken, was Zugausfälle und Verspätungen verursache.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der sich für eine sozial- und umweltverträgliche Mobilität einsetzt, fordert, dass die DB keine Stellen im Betrieb und im Bau streicht, sondern diese Bereiche ausbaut. »Im Management und bei Zwischenführungsebenen hingegen gibt es teilweise Doppelstrukturen – da scheint die DB durchaus überbesetzt zu sein«, sagt Alexander Kaas Elias, VCD-Sprecher für Bahn, ÖPNV und Multimodalität, der Jungle World.

Mehr Geld für Sanierung, Aus- und Neubau, Digitalisierung und Elektrifizierung

Gewerkschaft und Verkehrsverbände fordern einen Richtungswechsel. Das vorhandene Netz sei zu ertüchtigen, damit Züge pünktlicher fahren, so GDL-Sprecher Musiol. Das sei wichtiger, als die Fahrgäste mit teuren Neubaustrecken für Schnellzüge zu »beglücken«. Dafür aber müsse die Infrastruktur neu organisiert und vom Bahn-Konzern losgelöst werden. Besser aufge­hoben sei das Schienennetz »unter einer strafferen, einheitlichen Zielsetzung und Führung durch das Verkehrsministerium oder eine andere Insti­tution«.

Bürgerbahn lehnt fachlich umstrit­tene und teure Mammutprojekte wie Stuttgart 21, den Fernbahntunnel Frankfurt oder den neuen S-Bahntunnel in München ab und fordert ein ­flächendeckendes Netz, das allen zugutekäme. Der VCD meint, die DB solle sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, Menschen und Güter zuverlässig zu transportieren. Kaas Elias fordert die Bundesregierung auf, mehr Geld für Sanierung, Aus- und Neubau, Digitalisierung und Elektrifizierung bereitzustellen. Sie solle einen Fonds wie Österreich und die Schweiz einrichten, statt jährlich neu über die Finanzierung zu verhandeln. Bislang fließe »viel Geld in umweltschädliche Subventionen und in den Aus- und Neubau von Autobahnen«.