Die Verkehrswende bleibt weiterhin aus

Deutschland und seine Autobahnen

Deutschland bleibt das Land der Autos. Zwei jüngst verabschiedete Gesetze sollten ein Schritt Richtung Verkehrswende sein, sind es aber nicht.
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In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Straßennetz ausgebaut, bei der Bahn hingegen wurden Strecken stillgelegt und Personal wurde entlassen. Der Staat agierte im Interesse der mächtigsten Kapitalfraktion des Landes, der deutschen Autoindustrie, trotz aller Proteste von Umwelt- und Fahrgastverbänden. Kein Wunder also, dass der Verkehrssektor nicht einmal die Vorgaben der Regierung zum Klimaschutz erfüllt. Bis 2030 sollen die Emissionen in diesem Bereich auf 84 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent gesenkt werden, es sieht aber eher danach aus, als würden es nur 126 Millionen.

Der Bundestag beschloss am 19. Oktober mit den Stimmen der Ampelkoalition zwei Gesetze, die zumindest ein bisschen Abhilfe schaffen sollen. Die Maut für Lastwagen wird erhöht, Verkehrsprojekte sollen beschleunigt werden. »Neben Licht bleibt viel Schatten«, hatte der Verkehrsclub Deutschland (VCD) die Entwürfe schon vorher kommentiert.

Bisher fällt die LKW-Maut für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen an, künftig schon für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen. Hinzu kommt ein Aufschlag von 200 Euro pro Tonne CO2. Von 2024 bis 2027 erwartet der Bund dadurch Mehreinnahmen von rund 30 Milliarden Euro. Das Geld soll zur Hälfte in den Bau von Bundesstraßen und Autobahnen fließen. Insgesamt 138 Autobahnprojekte sind vorgesehen, darunter Sanierungen und neue Fahrspuren; auf der Homepage der Autobahnbau GmbH des Bundes sind insgesamt 32 Neubauten gelistet. Die andere Hälfte der Mauteinnahmen soll nur zum Teil für Schienenprojekte ausgegeben werden. Das bedeutet, das Geld wird nicht einmal fifty-fifty zwischen Schiene und Straße aufgeteilt.

CDU/CSU und AfD lehnten die Erhöhung der LKW-Maut ab, weil die Kosten auf die Unternehmen und die Bürger umgelegt und die Inflation anheizen würden. Die AfD rügte, der »Mauthammer« sei »inländerfeindlich« und »mittelstandschädlich«. Im Namen der Linkspartei begrüßte Bernd Riexinger eine Verdopplung der Maut, forderte jedoch eine Sozialmaut, um die miserablen Arbeitsbedingungen der Fahrer:innen zu verbessern, und das von den Grünen versprochene Klimageld als sozialen Ausgleich.

Es waren politische Entscheidungen, die dazu führten, dass das Schienennetz kleiner wurde, während das Straßennetz kontinuierlich wuchs.

Die Planung und Genehmigung von Autobahnen und Schienenstrecken soll schneller über die Bühne gehen. Man wolle Engpässe beseitigen und damit »Wachstum, Wohlstand und Teilhabe« ermöglichen, versprach Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) in der Bundestagsdebatte. Die AfD rügte, dass nicht mehr Autobahnen gebaut würden, das Gesetz sei »einseitig auf die Bahn ausgerichtet«

Die Linkspartei verwies auf fehlendes Personal in Behörden und Gerichten, kritisierte aber zudem, dass die Beteiligung von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden beschnitten wird. Die Beschleunigung von 138 Autobahnprojekten sei das Gegenteil von Klimaschutz und eine »Bankrotterklärung« der Grünen, der »selbsterklärten Klimaschutzpartei«, sagte Riexinger. Dass er sprechen durfte und nicht sein Gewerkschaftskollege, der ehemalige Parteivorsitzende und mittlerweile abtrünnige Klaus Ernst, Spitzname Porsche-Ernst, war ein gutes Zeichen. Riexingers Auftritt zeigt, wie notwendig eine linke Fraktion wäre, die die Ampelkoalition und insbesondere die Grünen mit fundierten ökologischen und sozialen Argumenten attackiert.

Dass der Zustand der Infrastruktur in Deutschland so marode ist, liegt nicht daran, dass Umweltverbände die Planungsprozesse in die Länge ziehen, sondern daran, dass zahlreiche Regierungen seit langem eine Sparpolitik verfolgt und nicht genug investiert haben. Wenn Bahnprojekte sich dahinschleppen, liegt es daran, dass bürgerliche Politiker:innen wenig Interesse zeigten. Der neue Gotthard-Basistunnel für Güterzüge in der Schweiz war 2016 fertig, die Zulaufstrecken sind es in Deutschland noch lange nicht. Dasselbe Spiel findet beim Brenner-Basistunnel statt: Während in Italien und Österreich fleißig gebuddelt wird, ist in Bayern selbst der Trassenverlauf noch ungewiss, weil die vormaligen Bundesverkehrsminister der CSU keine Wähler:innen vergraulen wollten.

Es waren politische Entscheidungen, die dazu führten, dass das Schienennetz kleiner wurde, während das Straßennetz kontinuierlich wuchs. Allein zwischen 1989 und 2019 wurden in Deutschland laut einer Studie des Ifo-Instituts mehr als 5.500 Kilometer Schiene abgebaut. Für die Bahn stehen heute knapp 38.400 Kilometer zur Verfügung. Hingegen gibt es rund 830.000 Kilometer Straße, davon mehr als 50.000 an Bundesstraßen und Autobahnen.

Was die Ampelkoalition im Bundestag hat verabschieden lassen, zementiert den Autowahn, während demokratische Rechte, wie die Beteiligung von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden, beschnitten wurden.