In Regensburg, Würzburg und Erlangen streiken Serviceangestellte der Unikliniken

Klinisch unterbezahlt

An den Universitätskliniken Regensburg, Erlangen und Würzburg streiken die Beschäftigten einer Service-Gesellschaft. Sie fordern ihre Eingruppierung in den Tarifvertrag der Länder. Die Klinikleitungen reagieren mit Drohungen und Kündigungen.

Patienten der Universitätsklinik Regensburg (UKR) müssen sich auf ungemütliche Zeiten einstellen. So langsam geht die saubere Wäsche zur Neige und jede dritte Operation wird derzeit verschoben. Denn in einer von Verdi organisierten Urabstimmung im April hatte sich eine große Mehrheit der Beschäftigten der Krankenhausdienstleistungs­gesellschaft (KDL) für eine unbefristete Arbeitsniederlegung ausgesprochen. Die Frist, die die Gewerkschaft der Arbeitgeberseite für die Aufnahme von Verhandlungen gestellt hatte, lief am 1. Mai aus. Seit dem 2. Mai befinden sich die Beschäftigten somit im Streik.

Die knapp 300 Beschäftigten, darunter viele mit Migrationshintergrund, sind für den gesamten Service-Bereich zuständig – sie beziehen Betten, transportieren Medikamente und Blutproben, bringen den Patienten das Essen und reinigen die Gebäude. Nun fordern sie, nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) entlohnt zu werden, der für alle anderen Klinikmitarbeiter gilt. Nur die Ärzte verhandeln separat über den Marburger Bund.

Die Geschäftsführung der KDL sowie das Universitätsklinikum argumentieren, dass die KDL eine externe Dienstleistungsgesellschaft sei, und lehnen damit die Verhandlungen ab. Die Beschäftigten würden branchenüblich entlohnt werden. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Die Service-Gesellschaft wurde 2006 gegründet und ist eine Tochterfirma der Universitätsklinik und der Götz-Beteiligungs-GmbH. Zu 51 Prozent gehört sie der Universitätsklinik und damit letztlich dem Freistaat Bayern.

»Den Streikenden in Würzburg wurden schon 50 Euro pro Tag ge­­bo­­ten, wenn sie sich nicht am Streik beteiligen.« Sven Czekal (Verdi)

Zuvor waren externe Anbieter für den Service-Bereich der Klinik zuständig. »Die Gründung der KDL hatte rein finanzielle Gründe. Die Beschäftigten arbeiten für 13,50 Euro die Stunde, angelehnt an den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn für Gebäudereiniger«, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretär Sven Czekal der Jungle World. Er betreut die Streikenden an Ort und Stelle. Aufstiegsmöglichkeiten gebe es keine und auch eine Höherstufung des Tarifs je nach Dauer der Betriebszu­gehörigkeit suche man vergebens. »Im TV-L würden die Mitarbeiter je nach Entgeltstufe zwischen 200 bis 900 Euro mehr verdienen. Dazu kämen Weihnachtsgeld, Jahresprämien und eine betriebliche Altersvorsorge«, berichtete Czekal. Die bisherige Eingruppierung führe zu Altersarmut und die Kollegen müssten in der Rente später aufstocken. Für Czekal nur eine Verschiebung des Problems – schließlich müsse der Staat später dann die Lücke füllen.

Erst jetzt habe die Klinikleitung einem Treffen zugestimmt – doch davor hatte es wochenlang keinerlei Gesprächsbereitschaft gegeben. Oliver Kölbl, Vorstandsvorsitzender der UKR, drohte den Mitarbeitern stattdessen mit der Polizei. In einem Schreiben monierte er, dass »ohne vorherige Genehmigung« Transparente an unerlaubten Stellen befestigt worden seien und der Protest »unangemessen laut« gewesen sei. Und er drohte den KDL-Beschäftigten, im Wiederholungsfall das Hausrecht »ohne weitere Vorankündigung« auch »mit polizeilicher Unterstützung« durchzusetzen. Von Entgegenkommen oder Verhandlungen über die Forderungen keine Spur.

Streikbruch, Abmahnungen, Kündigungen

Verdi wirft der Klinikleitung nun sogar vor, zu Mitteln des Streikbruchs zu greifen. »Es wurden acht Mitarbeiter der Bavarian Facility Management (BFM) eingestellt. Offiziell sind die Beschäftigten – die allesamt aus Bulgarien stammen und kein Deutsch sprechen – für die Müllentsorgung eingestellt worden«, erzählte Czekal. Regensburg Digital berichtete von einem internen Schreiben. Darin habe Kölbl argumentiert, wenn die KDL als externer Dienstleister ihrem Auftrag nicht nachkomme, werde man eben jemand anderen damit beauftragen. Das würde die Vermutung von Verdi bestätigen. »Dabei handelt es sich glasklar um Streikbrecher! Die Klinik greift immer öfter zu unlauteren Mitteln, um die berechtigten Forderungen der Service-Beschäftigten klein zu halten«, heißt es seitens der Gewerkschaft. Die ­Streikenden ließen sich davon jedoch nicht einschüchtern, obwohl es bereits erste Kündigungsdrohungen gegeben habe, teilte Czekal der Jungle World mit.

In Erlangen und Würzburg, wo die Beschäftigten der dortigen Service-­Gesellschaften ebenfalls in den Streik getreten sind, gab es bereits erste Kündigungen. Sashko Andonov, Tamara Weber und Grisha Pogosyan waren Mitarbeiter der Klinik-Service GmbH am Uniklinikum Erlangen (KSG), einem Tochterunternehmen des Uniklinikums. Dem Bayerischen Rundfunk zufolge haben die drei sowie eine weitere Kollegin am 15. März jeweils die fristlose Kündigung erhalten; sie berichten, dass die Kündigung per Post und ohne jegliche Begründung gekommen sei. Die KSG gab an, die Kündigung sei erfolgt, weil sie sich nicht korrekt ausgestempelt hätten, um an einer Gewerkschaftsveranstaltung teilzunehmen.

»Menschen mit befristeten Verträgen immer erpressbar«

Andonov jedoch vermutet dem Bayerischen Rundfunk zufolge, dass an ihnen ein Exempel statuiert werden soll. Martin Schmalzbauer, Gewerkschafts­sekretär von Verdi, sieht das ähnlich. Dem Bayerischen Rundfunk teilte er mit: »Die Kündigungen und Abmahnungen dienen der Einschüchterung. Nach dem Prinzip: Kündige einen und verängstige zehn.« Man wolle den Beschäftigten signalisieren: »Wenn du dich wehrst, wenn du dich für deine Rechte einsetzt, dann wirst du gekündigt.« Die KSG streite freilich ab, dass es Kündigungen aufgrund von Streiks oder gewerkschaftlicher Betätigung gegeben habe. Die vier entlassenen Beschäftigten haben laut Bayerischem Rundfunk mittlerweile Klage gegen ihre Kündigungen eingereicht.

Über Würzburg berichtete Czekal: »Den Streikenden in Würzburg wurden schon 50 Euro pro Tag geboten, wenn sie sich nicht am Streik beteiligen.« In Regensburg habe es diese Versuche noch nicht gegeben. Dazu seien die Streikenden sowieso zu entschlossen. Nelli Nentschuk ist Betriebsrätin bei der KDL und seit Anfang Mai im Streik. Dem ND teilte sie mit, dass man in ­Regensburg die Streikvorbereitungen lange habe geheim halten können, wodurch die Gegenseite nicht gegen Einzelpersonen vorzugehen vermochte. Aber: »Bei uns macht der Arbeitgeber Druck, indem er befristete Verträge nicht mehr verlängert.« Das betreffe zwei oder drei Beschäftigte. »Menschen mit befristeten Verträgen sind immer sehr erpressbar.«

Die geforderte Erhöhung der Gehälter der rund 300 KDL-Beschäftigten macht nach Gewerkschaftsangaben nur 0,4 Prozent des Jahresumsatzes der Klinik aus.

Jüngst wurde eine Verlängerung des Erzwingungsstreiks beschlossen, so dass der Ausstand in Regensburg noch eine Weile weitergehen dürfte. Mittlerweile hat die Causa die Landespolitik erreicht. Erste zustimmende Worte fielen in Richtung der Streikenden. Jürgen Mistol, ein Landtagsabgeordneter der Grünen, sprach ihnen persönlich Mut zu. Czekal berichtet auch von weiteren positiven Signalen. »Einen CSU-Abgeordneten habe ich direkt kontaktiert. Er rief sofort zurück und betonte die Wichtigkeit des Anliegens, obwohl er gerade in einem Afrika-Urlaub war«, so der Gewerkschaftssekretär. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Frak­tion der Freien Wähler, Susann Enders, habe angekündigt, in direkte Gespräche mit Wissenschaftsstaatsminister Markus Blume (CSU) zu gehen.

Noch gibt es keine konkreten Lösungsvorschläge. Dabei wären die Streikenden auch zu Kompromissen bereit, so Czekal. Eine Übergangsphase zum TV-L wäre für sie zum Beispiel in Ordnung. Außerdem mache die geforderte Erhöhung der Gehälter der rund 300 KDL-Beschäftigten nur 0,4 Prozent des Jahresumsatzes der Klinik aus. Ein vergleichsweise kleiner Betrag, der die Lebenssituation der Betroffenen aber deutlich verbessern würde.

Die SPD im Landtag wendet sich ebenfalls gegen das Lohndumping. Ein sorgsamer Umgang mit Steuergeldern dürfe nicht dazu führen, Beschäftigte aus­zunutzen. Und auch im Klinikum selbst erleben die Streikenden eine Welle der Solidarität. Mehr als 1.700 Beschäftige der Klinik haben eine Petition unterschrieben, die die Angleichung der KDL-Bezüge an den Tarifvertrag der Länder fordert. Um die Klinikleitung wird es langsam einsam.