Südlicher Gaza-Streifen: Auf der Jagd nach Hamas-Oberbefehlshaber Yahya Sinwar

Erweiterte Kampfzone

Israel wird nach dem Ende der Waffenruhe wieder von der Hamas und verbündeten Terrororganisationen mit Raketen beschossen. Die ­israelischen Streitkräfte weiten ihre Angriffe auf den Süden des Gaza-Streifens aus.

Jerusalem. Nach einer achttägigen Feuerpause wurden die Kampfhandlungen im Krieg zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation ­Hamas am Freitag vergangener Woche wiederaufgenommen. Zuvor hatte die Hamas bei den Verhandlungen über Geiselfreilassung und Feuerpause ­offenbar ihre ­Zusage zurückgezogen, Frauen und Kinder bevorzugt freizugeben. Außerdem wurden am Freitagmorgen, noch vor Ablauf der vereinbarten Waffenstillstandsfrist, mehrere Raketen aus dem von der Hamas ­regierten palästinensischen Autonomiegebiet im Gaza-Streifen auf Israel abgefeuert.

Die Einsätze der israelischen Armee konzentrieren sich derzeit insbeson­dere auf Khan Yunis im Süden des Gaza-Streifens, wo der Oberbefehlshaber der Hamas, Yahya Sinwar, vermutet wird. Die Stadt ist Sinwars Geburts­ort und gilt als Hamas-Hochburg.

Nachdem die israelische Armee während der ersten Phase des Kriegs palästinensi­sche Zivilisten aus Kampfgebieten im Norden des Gaza-Streifens zur Evakuierung gen Süden aufgefordert hatte, werden sie nun angewiesen, sich aus den südlichen Kriegszonen nach Westen zu bewegen. Die Vorsitzende der Hilfsorganisation Medical Aid for Palestinians, Melanie Ward, schreibt auf X, die neuen Evakuierungspläne riefen »Angst, Panik und Verwirrung« bei der Bevölkerung des Gaza-Streifens hervor. Internationale Medien und die UN berichten von dort herrschender Nahrungsknappheit, obgleich weiterhin Hilfslieferungen mit humanitären ­Gütern das Gebiet erreichen.

Seit dem 7. Oktober sind insgesamt mehr als 10.300 Raketen auf Israel abgeschossen worden.

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben mehrere hochrangige Hamas-Kommandeure getötet, unter ihnen Wissam Farhat und Haitham Khuwajari. Beide waren demnach maßgeblich an der Planung des Überfalls auf Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen, bei dem rund 1.200 Menschen ermordet und 240 als Geiseln in den ­Gaza-Streifen verschleppt wurden.

Nach der Wiederaufnahme der Kampf­handlungen am Freitag gab es in den verschiedenen Teilen Israels bis Montagnachmittag über 450 Mal Luftalarm. In den meisten Fällen wurden die Warnungen durch Raketenangriffe aus dem Gaza-Streifen auf den Süden Israels und die Umgebung von Tel Aviv ausgelöst.

Auch die Angriffe der aus dem Libanon operierenden Hizbollah auf den Norden Israels haben sich seit Ende des Waffenstillstands wieder gehäuft. Die vom Iran finanzierte schiitische Miliz hat die Verantwortung für 15 Angriffe auf Israel am Wochenende übernommen.

Im Gegenzug habe die israelische Luftwaffe Ziele im Libanon angegriffen und dabei mehrere Einheiten der Hizbollah zerschlagen, berichtet das auf sicherheitspolitische Entwicklungen im Norden Israels spezialisierte Forschungsinstitut Alma. Es zitiert außerdem Berichte aus dem Iran, wonach am Samstag zwei auf syrischem Territorium befindliche Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden durch israelische Luftangriffe getötet worden seien. Am Sonntag wurde eine Rakete aus Syrien auf den Norden Israels abgefeuert. Seit dem 7. Oktober sind demnach insgesamt mehr als 10.300 Raketen auf Israel abgeschossen worden.

Die dem Iran nahestehenden Houthi-Rebellen im Jemen haben die Verantwortung für Angriffe mit ballistischen Raketen und Drohnen auf zwei von ihnen als israelisch identifizierte Schiffe übernommen, die in der Meerenge von Bab al-Mandeb zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Aden unterwegs waren. In einer in internationalen Medien zitierten Stellungnahme sagte Houthi-Sprecher Yahya Saree: »Die jemenitischen Streitkräfte werden israelische Schiffe weiterhin daran hindern, das Rote Meer zu passieren, bis die Aggression gegen unsere palästinensischen Brüder endet.«

Während des Waffenstillstands von vergangener Woche hatte die Hamas 110 der von ihr am 7. Oktober aus Israel entführten Geiseln freigelassen, 137 befinden sich noch im Gaza-Streifen.

Der Sprecher der israelischen Armee, Daniel Hagari, betonte am Sonntag hingegen, dass die betroffenen Schiffe in keiner Verbindung zum Staat Israel stünden. Israelische Medien berichten, dass eines der angegriffenen Boote, die »Unity Explorer«, einer britischen Rederei gehöre, unter deren Teilhabern sich auch ein israelischer Geschäftsmann befinde. Ebenfalls von den Houthis an­gegriffen wurde das US-amerikanische Kriegsschiff »Carney«, das in der Vergangenheit mehrere Raketenangriffe der Houthi-Miliz auf Israel abgewehrt hatte, sowie ein weiteres Handelsschiff.

Israelische Medien berichten von fortlaufenden Verhandlungen über eine weitere Feuerpause. Israel sei bereit, die Kämpfe erneut vorübergehend einzustellen, sobald die Hamas weitere israelische Geiseln entlasse. Dagegen sagte der stellvertretende Führer der Hamas, Saleh al-Arouri, am Samstagabend in ­einem Interview mit dem katarischen Sender al-Jazeera: »Zurzeit gibt es keine Verhandlungen. Die Position der Hamas ist, dass es keine weiteren Vereinbarungen zum Austausch von Geiseln (Israel hält keine Geiseln fest, sondern verurteilte Strafgefangene, Anm. d. Red.) geben wird, bis die Kampfhandlungen komplett eingestellt werden.«

Während des Waffenstillstands von vergangener Woche hatte die Hamas 110 der von ihr am 7. Oktober aus Israel entführten Geiseln freigelassen, 137 befinden sich noch im Gaza-Streifen. Im Gegenzug hatte Israel 240 Palästinenser aus Justizvollzugsanstalten entlassen. Zu den in den Gaza-Streifen entführten Israelis zählt die Familie Bibas, der zehn Monate alte Kfir mit seinem vierjährigen Bruder Ariel und den Eltern Shiri und Yarden. Die Hamas behauptet, dass die Kinder und ihre Mutter bei israelischen Luftangriffen getötet worden seien. Israel bezweifelt das. Die mit der Hamas verbündete Terrororganisation Islamischer Jihad hatte zuvor ebenfalls fälschlicherweise mitgeteilt, dass die von ihr in den Gaza-Streifen entführte Hanna Katzir durch israelische Bomben getötet worden sei. Die 77jährige ist mittlerweile zurück in Israel.