Im Gegenzug für eine Feuerpause und Gefangene hat die Hamas einige ihrer israelischen Geiseln freigelassen

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Die Hamas hat im Rahmen eines zeitlich begrenzten Waffenstillstands mit Israel einige der Geiseln freigelassen.

Jerusalem. Es sind Bilder, auf die man in Israel seit zwei Monaten sehnsüchtig gewartet hatte: Aus der Gefangenschaft der Hamas entlassene Geiseln und deren Angehörige liegen sich in den Armen. Im Rahmen einer Waffenstillstandsvereinbarung im Krieg zwischen Israel und der Hamas gab die palästinensische Terrororganisation von Freitag vergangener Woche bis Dienstagmorgen 75 der rund 240 von ihr am 7. Oktober aus Israel in den Gaza-Streifen verschleppten Menschen frei. Unter ihnen waren 56 israelische Frauen und Kinder, wie die vierjährige Avigail Idan, deren Eltern die Hamas bei ihrem Überfall auf Israel ermordet hatte.

Freigelassen wurden auf Betreiben der thailändischen Regierung im Rahmen einer separaten Vereinbarung auch 17 Menschen aus Thailand und ein Mann mit philippinischer Staatsbürgerschaft, die als Gastarbeiter in Israel beschäftigt sind. Auf Initiative des russischen Präsidenten Wladimir Putin setzte die Hamas außerdem einen 25jährigen Mann auf freien Fuß, der neben der israelischen auch die russische Staatsbürgerschaft besitzt.

Zusätzlich zum zeitlich begrenzten Waffenstillstand mit der Hamas erlaubt Israel die Lieferung humanitärer Güter in den Gaza-Streifen und entließ bislang 117 palästinensische Strafgefangene aus israelischen Justizvollzugsanstalten. Die UN sprechen von einer sich in Folge des Kriegs verschärfenden humanitären Krise im Gaza-Streifen. Es mangele an Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Treibstoff und Medikamenten.

Unter den von Israel freigelassenen palästinensischen Strafgefangenen ist die wegen versuchten Mordes zu elf Jahren Haft verurteilte Israa Jaabis. Nach Angaben israelischer Behörden versuchte sie 2015, ein Selbstmordattentat in Jerusalem zu begehen, welches ein Polizist vereiteln konnte, der bei dem Einsatz verletzt wurde.

Vertreter der israelischen Regierung und des Militärs teilten wiederholt mit, dass die Kampfhandlungen der Armee im Gaza-Streifen nach dem Auslaufen des derzeitigen Waffenstillstands wieder aufgenommen werden sollen.

Die durch Katar, Ägypten und die USA vermittelte Feuerpause war anfänglich auf vier Tage angesetzt. In ihrer ursprünglichen Form sah die Vereinbarung die Freilassung in vier Etappen von 50 von der Hamas in Gaza festgehaltenen israelischen Frauen und Kinder sowie von 150 weiblichen und jugendlichen palästinensischen Sicherheitsgefangenen aus israelischen Gefängnissen vor. Am Dienstagmorgen einigten sich die Konfliktparteien auf eine mindestens zweitägige Verlängerung des Waffenstillstands. Vorgesehen sei in diesem Rahmen die Freilassung von 20 weiteren aus Israel entführten Geiseln sowie weiteren palästinensischen Gefangenen. Nach Informationen des Journalisten Suleiman Maswadeh vom israelischen Fernsehsender Kan 11 werde über eine mögliche weitere Verlängerung der Waffenruhe von bis zu insgesamt zehn Tagen verhandelt.

Vertreter der israelischen Regierung und des Militärs teilten wiederholt mit, dass die Kampfhandlungen der Armee im Gaza-Streifen nach dem Auslaufen des derzeitigen Waffenstillstands wieder aufgenommen werden sollen. »Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, werden wir mit Entschlossenheit zu unseren Operationen zurückkehren, um die weitere Freilassung von Geiseln und die vollständige Zerschlagung der Hamas zu erreichen«, sagte Generalstabschef Herzi Halevi am Sonntag gegenüber Soldaten der israelischen Armee.

Der ehemalige Geiselbeauftragte beim israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad, Rami Igra, sagte Kan 11 am Dienstagmorgen: »Eine Befreiung aller Geiseln wird ohne die Zerstörung der Hamas nicht möglich sein.« Deshalb sei es notwendig, den Krieg fortzuführen. Es gehe es aber auch darum, dass die Menschen wieder in die Kibbuzim im Süden Israels zurückkehren und dort in Sicherheit leben können. Dies werde nicht möglich sein, solange die Hamas den Gaza-Streifen beherrscht.

Der ehemalige Vorsitzende des israelischen Nationalen Sicherheitsrats, Giora Eiland, glaubt, dass eine Rückkehr zu den Kampfhandlungen in Gaza nach der Feuerpause mit Schwierigkeiten für die israelische Armee verbunden sein wird, da mit den humanitären Hilfslieferungen derzeit auch Treibstoff in den Gaza-Streifen geliefert werde. »Treibstoff ist die wichtigste Überlebensgrundlage der Hamas. Sie braucht ihn, um ihr Tunnelsystem zu betreiben, während der Feuerpause neue Kampfmittel zu produzieren und um ihr gesamtes Kommunikations- und Kontrollsystem aufrechtzuerhalten«, sagte Eiland am Samstagabend in einer Sendung des israelischen Privatsenders Keshet 12.

Auch andere Beobachter teilen die Einschätzung, dass die Hamas die Feuerpause nutzt, um sich militärisch neu aufzustellen und ihre Kontrolle über den Gaza-Streifen zu festigen. Dennoch stimmte das israelische Gesamtkabinett vergangene Woche mit einer überwiegenden Mehrheit von 35 Stimmen für die Waffenstillstandsvereinbarung. Nur die drei Minister der nationalistischen Partei Otzma Yehudit (Jüdische Kraft) des in der Regierung mittlerweile weitgehend isolierten Sicherheitsministers Itamar Ben-Gvir stimmten dagegen.

Vor der Abstimmung sagte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu: »Die Rückführung der Geiseln ist eine heilige Aufgabe und hat höchste Priorität.« Auch der ehemalige Kommandant der israelischen Luftwaffe, Eitan Ben Eliyahu, befürwortete diese Haltung. Am Freitagabend sagte er bei Keshet 12: »Genau dafür wurde der Staat Israel gegründet.« Das sei der Kern des Zionismus: »Unsere Leute nach Hause zu bringen.«