Ein Porträt des von der Hamas ermordeten Filmemachers Yahav Winner

Jenseits von Gaza

Eigentlich wollte Yahav Winner seinen Kurzfilm »The Boy« über das Leben an der Grenze zum Gaza-Streifen im November in Deutschland vorstellen. Den Angriff der Hamas hat der junge Familienvater und Filmemacher nicht überlebt. Eine Spurensuche in Kfar Aza, Tel Aviv und München.

Es sind auf den ersten Blick unscheinbare Bilder, abseits der vollkommenen Zerstörung, die sich einem in Kfar Aza für immer einprägen – der Kibbuz ist einer der israelischen Orte, an denen sich am 7. Ok­tober die Massaker der palästinensischen Terrorgruppe Hamas ereigneten. ­Bilder wie das eines kleinen Orangenbaums, den niemand mehr abernten konnte und dessen Früchte auf dem Boden verfaulen; der flüchtige Eindruck eines umherstreifenden Kätzchens, das bei jedem Donnerknallen des nahen Artilleriefeuers zusammenzuckt; das Bild eines Straßenschilds, das mahnend auf die Gegenwart von Kindern verweist. Ein großes, rotes Herz ist darauf zu sehen, eines für die hier einst Spielenden. Die Stimmen der auf den Straßen von Kfar Aza einst herumtollenden Kinder sind heute nicht mehr zu hören.

Die Akustik ist nunmehr bestimmt vom bedrohlichen Surren der den Luftraum überwachenden Drohnen, dem Rattern der Rotorblätter von Kampfhelikoptern sowie dem permanenten diffusen Gefechtslärm, der von der nur wenige Kilometer entfernt im Gaza-Streifen liegenden Kontaktlinie herüberdringt, an der die IDF Stellungen der islamistischen Hamas unter Beschuss nehmen. Vor ein paar Minuten noch, kurz vor dem Betreten des Orts, meinte eine israelische Soldatin, es werde heute wahrscheinlich noch sehr viel lauter werden.

An diesem Tag feuert die Hamas viele Raketen auf den Süden Israels und auch auf das Zentrum des Landes ab. Was man hört, ist »der Knall von Abfangraketen«, erklärt die junge Soldatin. Eine Journalistin aus dem Tross internationaler Berichterstatter, in dem wir uns am Vormittag des 20. November bewegen, fragt nach: »Von Iron Dome?« Die Soldatin nickt. »Die gute Art von Knall also?« – »Eine gute Sorte Knall gibt es hier nicht«, sagt die Soldatin mit festem Blick. Wir folgen ihr und ihren Kameraden ein paar Minuten später hinein durch eine der Hauptstraßen nach Kfar Aza, ein Weg, der einen Abgrund offenbar werden lässt.

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