In Hamburg soll der Staatsvertrag mit Islamverbänden wie der Ditib weitergeführt werden

Immer schön im Dialog bleiben

Die Ditib untersteht dem islamistischen Erdoğan-Regime, immer wieder gibt es Antisemitismusskandale. Trotzdem will die rot-grüne Regierung in Hamburg die Zusammenarbeit mit den Islamverbänden weiterbetreiben wie bisher.

Hamburg ist bundesweit ein Vorreiter bei der staatlichen Kooperation mit dem organisierten Islam. 2012 schloss der Hamburger Senat einen Staatsvertrag mit den islamischen Verbänden und der Alevitischen Gemeinde. Seitdem reißt die Kritik daran nicht ab: Einige der Verbände seien islamistisch, stünden unter dem Einfluss autokratischer Staaten oder politischer Parteien. CDU und FDP wollen den Staatsvertrag deshalb aussetzen. Am Donnerstag voriger Woche tagte zu dem Thema der Verfassungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft. Dort machte die rot-grüne Regierungskoalition deutlich: Es wird erst mal weitergehen wie bisher.

Der Senat hat die Kritik schon seit langem weitgehend ignoriert. Nach dem antisemitischen Massaker der Hamas am 7. Oktober wurde jedoch einer breiteren Öffentlichkeit bewusst, was es zum Beispiel bedeutet, dass die Verbände Ditib und IGMG (Islamische Gemeinschaft Millî Görüş) enge Verbindungen zur türkischen Regierung haben. Der türkische Präsident Recep Tay­yip Erdoğan glorifizierte die Hamas als »Glaubenskämpfer« und »Befreiungsorganisation« und stellte zuletzt das Existenzrecht Israels in Frage. Die Ditib untersteht der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Diese kontrolliert und entsendet über 900 Imame in fast 1.000 deutsche Moscheen. Der Leiter und das geistige Oberhaupt der Diyanet, Ali Erbaş, äußerte sich nach dem 7. Oktober auf übelste Weise antisemitisch: Das Judentum sei ein »schmutziger und perverser Glauben«, Israel ein »rostiger Dolch im Herzen in der muslimischen Welt«, das einen »Völkermord« in Gaza begehe.

Wie wirken sich diese antisemitischen und israelfeindlichen Äußerungen der Diyanet nun auf die Ditib Nord aus, also die Landesverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein und damit auf die Stadtgesellschaft in Hamburg? Staatsrat Jan Pörksen (SPD) macht sich keine Sorgen. Seiner Ansicht nach hat sich die Ditib Nord vom Dachverband »stark emanzipiert«. Dies zeigten sowohl die Satzungen der Vereine als auch die Tatsache, dass die Musterpredigten der Diyanet – zum Beispiel jene von Ali Erbaş, in der Israel als »rostiger Dolch im Herzen der muslimischen Welt« bezeichnet wurde – in den Moscheen der Ditib Nord nicht genutzt worden seien.

In Hamburg-Bergedorf beschäftigte die Ditib Nord einen Imam, der zuvor wegen antisemitischer Äußerungen inklusive Hamas-Glorifizierung von seinem Posten in Stuttgart abgezogen worden war.

Doch strukturell, personell und finanziell besteht weiterhin eine enge Verzahnung zwischen Ditib Nord und dem Dachverband in Köln. So wird auf der Homepage der »Dachverband« in Köln aufgeführt. Auch Verbindungen zum türkischen Staat gibt es offenbar. Vor einem Jahr wurde bekannt, dass Ditib Nord Spendengelder direkt auf ein Konto des türkischen Generalkonsulats in Hamburg überwiesen hat. Die Initiative dazu ging offenbar vom Generalkonsulat aus, berichtete der NDR: Moscheegemeinden, die nicht genug spendeten, wurde sogar mit dem Abzug von »Kurslehrern« gedroht. Im Frühjahr wurde auch in Hamburger Moscheen Wahlwerbung für die AKP gemacht.

Im Januar 2022 ergaben Recherchen des Spiegels, dass die Ditib Nord unter der damals neuen Leitung von Mehmet Gök nicht nur enger an die türkische Regierung, sondern auch in die Nähe der rechtsextremen »Grauen Wölfe« gerückt ist; dafür sprächen unter anderem Göks Social-Media-Aktivitäten. Im Juni 2022 berichtete die Welt, dass die Ditib Nord in Hamburg-Bergedorf einen Imam beschäftigte, der zuvor wegen antisemitischer Äußerungen inklusive Hamas-Glorifizierung von seinem Posten in Stuttgart-Feuerbach abgezogen worden war. Derselbe Imam sei zudem im türkischen Generalkonsulat Hamburg als stellvertretender Religionsattaché beschäftigt gewesen.

Wegen einer bundesweiten Häufung antisemitischer Äußerungen, die ohne ernsthafte Konsequenzen blieben, sprach der Passauer Politikwissenschaftler Lars Rensmann bereits vor zwei Jahren von einem »institutionellem Antisemitismus« bei der Ditib. Dass die IGMG, die als Mitglied der Schura ebenfalls am Vertrag beteiligt ist, eine antisemitische und islamistische Ideologie propagiert, zeigte zuletzt eine kürzlich erschienene Studie der Wissenschaftler Heiko Heinisch, Hüseyin Çiçek und Jan-Markus Vömel.

Die Hamburger CDU und FDP wollen den Staatsvertrag deshalb aussetzen. Vorige Woche legte die CDU einen entsprechenden Antrag aus dem November 2022 erneut zur Beratung vor. Doch die Vertreter:innen der Regierungsparteien Grüne und SPD machten deutlich, dass es so weitergehen soll wie bisher. Pörksen sagte, der Staatsvertrag ermögliche es der Stadtgesellschaft, im »Dialog« zu bleiben.

Es wird im Hamburger Staatsvertrag keine Klausel geben, mit Hilfe derer antisemitisch agierende Verbände ausgeschlossen werden können.

Auf die Frage des CDU-Abgeordneten Dennis Gladiator, ob die Anerkennung des Existenzrechts Israels und der Kampf gegen Antisemitismus als Voraussetzung in den Vertrag aufgenommen werden solle, antwortete Pörksen, der Senat wolle »jede Konnotation, dass muslimischer Glaube mit Antisemitismus verbunden sein könnte, sehr vorsichtig vermeiden«. Zudem seien nicht öffentliche Bekenntnisse entscheidend, sondern dass die Verbände »im direkten Gespräch klare Haltung zeigen«. Statt einer öffentlichen Distanzierung von der Hamas und den antisemitischen Äußerungen der Diyanet erwartet der Staatsrat also vor allem, dass sie ihm hinter verschlossenen Türen sagen, was er hören will.

Ekkehard Wysocki, der religionspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, verwies zudem auf die guten Kontakte, die sich auf der Basis des Staatsvertrags zwischen der Schura und der jüdischen Gemeinde entwickelt hätten. Der Landesrabbiner müsse »Stellung beziehen, sollte es zu Antisemitismus kommen«. Mit Hilfe dieser Argumentation kann sich die Stadtregierung hinter der jüdischen Gemeinde verstecken, die im Gegenzug die alleinige Verantwortung dafür erhält, auf Antisemitismus in den islamischen Gemeinden hinzuweisen.

Von den Vorschlägen, die in der vorigen Sitzung des Verfassungsausschusses am 6. Juli diskutiert wurden, ist kaum etwas übrig geblieben. Es wird keine Klausel geben, mit Hilfe derer antisemitisch agierende Verbände ausgeschlossen werden können. Eine externe wissenschaftliche Evaluation wurde abgelehnt. Säkulare Muslim:innen sollen nicht in den Vertrag einbezogen werden. Ebenso wenig wird angestrebt, die Informationslage über die islamischen Verbände zu verbessern, etwa durch eine neue Stiftung.