In Prenzlau scheiterte ein Bürgerbegehren gegen ein Flüchtlingsheim aus formalen Gründen

Direkt vom Volk

Die AfD und ihr Umfeld gehen immer öfter mit lokalen Bürger­begehren gegen Flüchtlingsheime vor. Im brandenburgischen Prenzlau scheiterten sie damit, allerdings nur aus formalen Gründen.

»Wir haben hier mehr als genug Asylanten«, sagt die Betreiberin des Blumenladens in der Kleinstadt Prenzlau in der Brandenburger Uckermark. Und sowieso würden die ja nur herkommen, meint sie im Gespräch mit der Jungle World, »weil sie denken, in Deutschland kriegen sie einfach alles in den Rachen geschmissen!« Ihr Geschäft ist eines von mehreren in der Umgebung, in dem Unterschriftenlisten für ein Bürgerbegehren auslagen, um die Unterbringung von 300 Geflüchteten in einem Indus­triegebiet in Prenzlau zu verhindern.

Als sie von dem Bürgerbegehren erfuhr, habe sie sich sofort an Felix Teichner gewendet, erzählt die Inhaberin des Blumenladens. Teichner, Mitglied des Brandenburger Landtags, ist neben Klaus-Martin Bastert einer der Initiatoren des Bürgerbegehrens, beide sind AfD-Politiker. Die Ladenbetreiberin wählt auch die AfD, betont jedoch, dass es ihr bei dem Bürgerbegehren nicht um die Partei, »sondern um den Sinn der Sache« gehe.

Das Bürgerbegehren richtete sich nicht nur an die knapp 19.000 Einwohner von Prenzlau, sondern an den ganzen Landkreis Uckermark mit etwa 117.000 Einwohnern. Insgesamt wurden etwas mehr als 13.000 gültige Unterschriften gesammelt – deutlich mehr als die zehn Prozent der etwa 100.000 Wahl­berechtigten, die nötig sind, um einen Bürgerentscheid zu erzwingen.

Trotzdem wird es so eine Abstimmung nicht geben. Es handle sich bei der Unterbringung der Geflüchteten »um eine Pflichtaufgabe nach Weisung«, hatte Landrätin Karina Dörk (CDU) bereits Anfang September im Nordkurier mitgeteilt, und eine solche könne nicht Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein. Das sei die Rechtsauffassung sowohl der Kreisverwaltung als auch des Landesinnenministeriums. Sie hätte den Bürgerentscheid gerne zugelassen, betonte Dörk, doch selbst wenn der Kreistag ihm zustimmen würde, müsste sie ihn anschließend ablehnen. Als Landrätin habe sie sich an Recht und Gesetz zu halten. Ende September ließ sie sich im Kreistag die Gelegenheit nicht entgehen, die Einführung von Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze zu fordern.

Die Kampagnenplattform Ein Prozent veröffentlichte Ende August auf ihrer Website einen Beitrag mit dem Titel: »So verhindert ihr das Asylheim!«

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion, der Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen, sagte dem Nordkurier, er lehne das Flüchtlingsheim eigentlich ab, wisse aber, dass »der Landkreis wenig Handlungsspielraum« habe. Der CDU-Stadtverband Prenzlau hatte sogar selbst Unterschriften gegen das Flüchtlingsheim gesammelt, allerdings informell. Man wolle damit zeigen, dass »es nicht nur eine politische Stimme gegen den am 18. April gefassten Beschluss gibt«, sagte der Mitinitiator Andreas Meyer, Fraktionsvorsitzender der CDU in der Stadtverordnetenversammlung Prenzlau, dem Nordkurier.

Obwohl es keinen Bürgerentscheid geben wird, waren die beiden Unterschriftensammlungen nicht wirkungslos. Als Reaktion legte die Landrätin dem Kreistag einen Kompromissvorschlag vor. Demnach soll die Unterkunft statt 300 lediglich 180 bis 200 Geflüchtete aufnehmen, und das auch nur für drei Jahre. Eine Verlängerung um maximal zwei weitere Jahre soll nur mit der Zustimmung der Stadt Prenzlau möglich sein.

Am Mittwoch vergangener Woche nahm der Kreistag diesen Vorschlag mit großer Mehrheit an. Außerdem beschloss er mit 27 Ja-Stimmen die Ablehnung des AfD-Bürgerbegehrens. Dem standen bei vier Enthaltungen elf Nein-Stimmen gegenüber – eine davon kam aus der Fraktion der Linkspartei.

Bei der Sitzung war neben Jürgen ­Elsässer vom rechtsextremen Magazin Compact auch die Brandenburger AfD-Vorsitzende Birgit Bessin anwesend. Hannes Gnauck, der AfD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag Uckermark, nannte die Ablehnung des Bürgerbegehrens einen »unfassbaren ­Affront gegen die Grundsätze unserer Demokratie«. Gnauck ist gleichzeitig Bundestagsabgeordneter sowie Bundesvorsitzender des Jugendverbands der AfD, der Jungen Alternative.

Obwohl das Bürgerbegehren wie erwartet abgelehnt wurde, ist der Vorgang für die AfD ein Propagandaerfolg. Es gehört seit einiger Zeit zur Strategie der extremen Rechten, mit Bürgerbegehren gegen Geflüchtetenheime vorzugehen.

Die Kampagnenplattform Ein Prozent veröffentlichte Ende August auf ihrer Website einen Beitrag mit dem Titel: »So verhindert ihr das Asylheim!« Darin werden Hinweise und Informationen für ein erfolgreiches Bürgerbegehren gegeben. Wichtig sei zum Beispiel, die für die Sachlage zuständige Ebene zu adressieren und eine geeignete Frage zu ­formulieren.

Derzeit sammeln Gegner einer Flüchtlingsunterkunft in der Kleinstadt Fürstenau in Niedersachsen Unterschriften für einen Bürgerentscheid.

Weiter wird darauf hingewiesen, dass man trotz möglicher Widerstände hartnäckig bleiben müsse und sich nicht »abwimmeln« lassen dürfe. Unabhängig vom Ausgang lohne sich die Arbeit eines solchen Verfahrens, da gezeigt werden könne, »wie die Mehrheit« der Gemeinde »zu geplanten Asylunterkünften oder ähnlichen Problemen steht«.

Auch Compact scheint in dieser Strategie ein Potential zu erkennen. Elsässer kündigte wenige Tage vor der Kreistagssitzung in Prenzlau an, man unterstütze »Asyl-Bürgerentscheide mit aller Kraft, in Prenzlau und auch anderswo«.

Derzeit sammeln Gegner einer Flüchtlingsunterkunft in der Kleinstadt Fürstenau in Niedersachsen Unterschriften für einen Bürgerentscheid. In Bützow in Mecklenburg-Vorpommern hat der Kreistag kürzlich einen solchen Bürgerentscheid beschlossen, im November soll abgestimmt werden.

Bereits im Juni stimmten in Greifswald 65 Prozent der Teilnehmenden gegen die Verpachtung von städtischen Flächen an den Landkreis zur Errichtung von Containerunterkünften für Geflüchtete. Noch deutlicher war das Ergebnis in Grevesmühlen, wo Ende August 91 Prozent gegen ein temporäres Containerdorf für Geflüchtete stimmten; das Vorhaben hätte zur Entlastung des benachbarten Upahl, in dem bereits ein Containerdorf steht, beitragen sollen. Beiden Abstimmungen waren Bürgerbegehren vorangegangen.