Partner der Putschisten
»Es gibt allerdings Gründe dafür, dass die Bürger in den Straßen west- und zentralafrikanischer Staaten nicht die französische Trikolore oder das kobaltblaue Europabanner, sondern die Flagge Russlands bei sich tragen«, befand jüngst der EU-Parlamentarier Martin Sonneborn von der satirepolitischen »Partei« in einem gänzlich unsatirisch gemeinten Gastbeitrag in der Berliner Zeitung.
Er fügte hinzu, dass »ein wachsender Teil der (v. a. jüngeren) afrikanischen Bevölkerung in Putin keineswegs einen Bösewicht, sondern den Vorkämpfer einer globalen Freiheitsbewegung« gegen die »von Akteuren des geopolitischen Westens aufrechterhaltene Ausbeutungs- und Unterwerfungsordnung« sehe. Ganz im Sinne der dekolonialen Rhetorik des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf dem »Afrikagipfel« Ende Juli in Sankt Petersburg erscheinen Sonneborn die jüngsten Putsche in Westafrika und dem Sahel als heroisches Abschütteln des allein für Armut und Elend in der Region verantwortlichen französisch-westlichen Neokolonialismus.
Nicht nur bei Sonneborn scheint die Partnerschaft der Putschregimes mit Putins Russland auf viel Verständnis zu stoßen. Besonders angetan hat es einigen offenbar der erst 34jährige Juntachef Ibrahim Traoré, der seit dem Militärputsch im September 2022 in Nigers Nachbarland Burkina Faso regiert.
Burkina Fasos 34jähriger Juntachef Ibrahim Traoré wird öfter mit dem unvergessenen Thomas Sankara verglichen, der dort 1983 ebenfalls durch einen Militärputsch an die Macht gekommen war und ein ambitioniertes sozialistisches Umbauprogramm verfolgt hatte.
Auf Social Media wird dieser öfter mit dem unvergessenen Thomas Sankara verglichen, der dort 1983 ebenfalls durch einen Militärputsch an die Macht gekommen war, ein ambitioniertes sozialistisches Umbauprogramm verfolgt hatte und 1987 von seinem Weggefährten und Rivalen Blaise Compaoré im Zuge eines weiteren Putsches ermordet worden war.
Traoré erklärte auf Putins Afrikagipfel seine prorussische Haltung mit dem »Wunsch verschiedener Menschen nach Veränderung. Das hat uns dazu gebracht, unseren traditionellen Partnern den Rücken zu kehren und uns unseren wahren Freunden wie Russland zuzuwenden, das uns während der Entkolonialisierung bis heute unterstützt hat.«
Nun ist keinesfalls zu bestreiten, dass Frankreich mit seiner neokolonialen »Françafrique«-Politik selbst für antifranzösische Ressentiments in Westafrika gesorgt hat. Neben politischer Einflussnahme und wirtschaftlichen Abhängigkeiten durch und von Frankreich hinterließen französische Urankonzerne Niger jede Menge Umweltprobleme durch ihre Hinterlassenschaften. Die antikoloniale Rhetorik aus Moskau hingegen ist schlicht verlogen.
Die russischen Investitionen in und Handelsbeziehungen mit afrikanischen Ländern sind im Vergleich zu denen der EU, Chinas oder der USA gering; aber das Land liefert Waffen sowie Söldner und unterstützt politisch Militärregimes, die sich vom Westen abwenden wollen, wie in Mali oder Burkina Faso.
Die in zahlreichen Ländern Afrikas aktive Söldnertruppe Wagner hat nach einem Bericht der Wirtschaftswoche ein ganzes Netz von »halbstaatliche(n) Firmen im Dunstkreis von Putins Oligarchen« im Schlepptau, denen sie im Gegenzug zu ihren militärisch-sicherheitspolitischen Diensten exklusive Rechte zum Abbau von wertvollen Rohstoffen sichert.
Der nigrische Journalist und Generalsekretär der NGO Alternative Espaces Citoyens (AEC), Moussa Tchangari, schreibt, »dass einige Machthaber in der Sahelzone zu glauben scheinen, dass sie von den Spannungen und Rivalitäten zwischen dem Westen und den aufstrebenden Mächten (Russland, China) profitieren können«. Und warnt: »Sie selbst sind es, die versuchen, die gesamte Region in ein Feld der Konfrontation zwischen diesen rivalisierenden Mächten zu verwandeln. Dabei übersehen sie, dass eine solche Perspektive die Situation nur verschlimmern und die verschiedenen bewaffneten Gruppen stärken würde.«
Jenseits apologetischer Verkennungen der russischen Afrikapolitik erscheint es bestenfalls naiv, wenn Linke ausgerechnet bei immer autoritär daherkommenden Militärputschen Hoffnungen in eine demokratischere und selbstbestimmte Entwicklung setzen. Vergessen scheinen heute die eindringlichen Worte des antikolonialen Autors Frantz Fanon, der 1961 in »Die Verdammten dieser Erde« bereits vor einer Verselbständigung der Armee in den entkolonialisierten Staaten gewarnt hat.