Mit dem TuS Makkabi hat zum ersten Mal ein jüdischer Verein im DFB-Pokal gespielt

Makkabi feiert

Am vorigen Sonntag verlor TuS Makkabi Berlin haushoch gegen den VfL Wolfsburg. Trotzdem war das Spiel ein Triumph: zum ersten Mal hat ein jüdischer Verein im DFB-Pokal gespielt.

Am Ende blieb die ganz große Sensation aus, und doch sah man am Sonntag im Berliner Mommsenstadion viele zufriedene Gesichter. Mit 0:6 unterlag der TuS Makkabi Berlin dem VfL Wolfsburg deutlich und schied damit bereits in der ersten Runde aus dem DFB-Pokal aus.

Mit etwas anderem hatte wohl auch kaum jemand ernsthaft gerechnet. Der VfL Wolfsburg spielt in der Bundesliga. Der Kader ist mit Nationalspielern gespickt, sein Wert wird auf über 200 Millionen Euro geschätzt. Alleine für den am Vortag vorgestellten Neuzugang Joakim Mæhle, der von Atalanta Bergamo kam, hat Wolfsburg zwölf Millionen Euro auf den Tisch gelegt.

Makkabi spielt vier Klassen tiefer in der Nordstaffel der Oberliga Nordost, der Kader aus ambitionierten Amateur-Kickern ist auf dem Transfermarkt insgesamt null Euro wert. Der Klassenunterschied war auch von Anfang an nicht zu übersehen. Mit einem Doppelschlag in der achten und neunten Minute ließen Lukas Nmecha und Jonas Wind frühzeitig Makkabis Hoffnung auf eine Pokalüberraschung sinken. In der Folge fingen sich die Gastgeber jedoch. Nach rund einer halben Stunde schoss Kanto Voahariniaina sogar ein Tor für Makkabi, doch es zählte nicht. Der Schiedsrichterassistent entschied – denkbar knapp und wohl zu Unrecht – auf Abseits. So blieb es beim 0:2 zur Pause.

Nach dem Seitenwechsel waren dann allerdings fast nur noch die Gäste im Ballbesitz. Zweimal Tiago Tomás und je einmal Yannick Gerhardt und Ridle Baku sorgten für den auch in dieser Höhe verdienten Auswärtssieg. Makkabis Trainer Wolfgang Sandhowe zeigte sich dennoch zufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft. »Uns ist in der zweiten Hälfte schlicht die Puste ausgegangen«, sagte er nach dem Spiel. Ein Tor weniger hätte es aber ruhig sein können, so Sandhowe. Er habe seiner Frau versprochen, dass es höchstens fünf Gegentreffer geben würde.

Sogar Medien aus Argentinien und den USA berichteten von Makkabis Teilnahme am DFB-Pokal. In Israel wurde das Spiel live im frei empfangbaren Fernsehen übertragen.

Für Schlagzeilen hatte das Spiel schon zuvor gesorgt, denn mit Makkabi hat erstmals überhaupt ein jüdischer Verein am DFB-Pokal teilgenommen. Sogar Medien aus Argentinien und den USA berichteten. In Israel wurde das Spiel live im frei empfangbaren Fernsehen übertragen.

Rein sportlich gesehen lässt sich dieser Erfolg als gerechter Lohn guter und langfristig angelegter Arbeit ansehen. Mit 3:1 nach Verlängerung hatte der Verein am 3. Juni den SV Sparta Lichtenberg geschlagen und damit den Berliner Landespokal gewonnen. Sparta war kein leichter Gegner: Der Stadtteilverein, der seine Wurzeln im organisierten Arbeiter:innensport hat, hatte zuvor im Halbfinale den zwei Klassen höher in der Regionalliga spielenden BFC Dynamo mit 5:1 besiegt. Auch Makkabi hatte sich im Halbfinale gegen einen Regionalligisten, den FC Viktoria Berlin, durchgesetzt.

Sowohl Sparta wie Makkabi standen zum ersten Mal im Berliner Pokalfinale. Die 4.600 Zuschauer:in­nen im Mommsenstadion hatten bei sengender Hitze lange eine ausgeglichene Partie zwischen dem Oberligisten und dem Berliner Meister gesehen, der in der einer Klasse tieferen Verbandsliga spielte (nunmehr ist er auch in der Oberliga angelangt).

Die Partie gegen Wolfsburg war mit 4.800 Zuschauer:innen sogar ausverkauft, das Kontingent war auf 5.000 Zuschauer begrenzt worden. Es war sicher eine gute Entscheidung, auch das DFB-Pokalspiel im Mommsenstadion nur wenige Hundert Meter entfernt von der Julius-Hirsch-Sportanlage, der eigentlichen Heimstätte Makkabis, auszutragen und nicht wie in den vergangenen Jahren im in der Regel etwas über­dimen­sioniert und leicht steril wirkenden Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark.

Es wäre auch schwer vorstellbar gewesen, dass die erste DFB-Pokalpartie eines jüdischen Vereins ausgerechnet in einem Stadion stattfindet, das den Namen des notorischen Anti­semiten Jahn trägt. Theodor Mommsen hingegen war einer der wichtigsten Opponenten Heinrich von Treitschkes im Berliner Antisemitismusstreit und 1890 einer der Gründer des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus. Das Mommsenstadion beherbergte von 1932 bis 1933 kurzfristig die Private Waldschule Kaliski, eine Ganztagsschule mit größtenteils jüdischer Schülerschaft.

Ein Tor weniger hätte es aber ruhig sein können, sagte Makkabis Trainer Wolfgang Sandhowe. Er habe seiner Frau versprochen, dass es höchstens fünf Gegentreffer geben würde.

Die Wurzeln von Makkabi Berlin reichen bis in das Jahr 1898 zurück. Damals gründeten 48 Berliner Studenten, die sich zur zionistischen Bewegung zählten, den ersten jüdischen Turnverein auf dem Boden des Deutschen Reiches. Sie nannten ihn Bar Kochba, nach dem jüdischen Aufstand gegen die römische Besatzung im zweiten Jahrhundert. Seinen ersten eigenen Sportplatz weihte Bar Kochba 1914 im Stadtteil Friedrichsfelde ein, 1926 zog er weiter nach Marienfelde. Um das Jahr 1930, als der Verein mit einem anderen jüdischen Sportverein, dem SC Hakoah Berlin, fusionierte, hatte er 40.000 Mitglieder. 1933 wurde Bar Kochba aus dem Spielbetrieb des DFB ausgeschlossen, fünf Jahre später zwangsaufgelöst.

Wie viele Mitglieder des Vereins Opfer der deutschen Vernichtungspolitik wurden, ist nicht bekannt. Doch es waren viele. So viele, dass es kaum vorstellbar scheint, dass bereits am 21. Juni 1945, also nur rund sechs Wochen nach der deutschen Kapitulation, mit dem SC Hakoah erneut ein jüdischer Sportverein in Berlin gegründet wurde. Dieser verlor jedoch auch durch die Umbenennung in SpVgg Vineta nach und nach seine jüdische Identität und verschwand schließlich 1972 durch Fusion mit dem SC Corso aus dem Vereinsregister.

Zu diesem Zeitpunkt gab es aber bereits wieder einen anderen jüdischen Sportverein in Berlin. Am 26. November 1970 hatten Sportbegeisterte, darunter der heute 85jährige Holocaust-Überlebende Marian Wajselfisz, im Westteil der Stadt den TuS Makkabi Berlin gegründet, der sich als Nachfolger aller jüdischen Sportvereine Berlins und als Teil der weltweiten Makkabi-Bewegung verstand.

Heute hat der Verein rund 550 Mitglieder in sechs Abteilungen für verschiedene Sportarten. Das Aushängeschild Makkabis ist und bleibt jedoch der Fußball. Nach sechs Jahren in der Berlin-Liga gelang 2022 erstmals der Aufstieg in die Oberliga. Dort wurde der Verein auf Anhieb Dritter. So gut schnitt mit dem Greifswalder FC zuletzt 2019 ein Aufsteiger in der Nordstaffel ab. Der wiederum stieg drei Jahre später in die Regionalliga auf und hält dort seitdem souverän die Klasse.

Michael Koblenz, der Sportvorstand von Makkabi, will sich das durchaus zum Vorbild nehmen. Wenn es nach ihm ginge, sollte der TuS Makkabi Berlin der erste jüdische Verein außerhalb Israels im Profifußball werden. Ob das realistisch ist, hängt sicher davon ab, wie man Profifußball definiert. An dem Sprung in die 3. Liga sind in Berlin schon ganz andere, etwa der BFC Dynamo und der Berliner AK, gescheitert. Die semiprofessionelle Regionalliga scheint hingegen durchaus machbar, aber auch das wird ein hartes Stück Arbeit.

Die Partie gegen Wolfsburg war bislang mit Abstand das größte Spiel der Vereinsgeschichte. Bei anderen Vereinen wird in solchen Fällen gerne davon gesprochen, dass man Geschichte schreiben wolle. Makkabi hat tatsächlich Geschichte geschrieben – auch ohne Pokalsensation.