Spezial

Deutsches Haus

Was eint die Deutschen? Was die Deutschen eint, über das, was sie an unterschiedlichen Interessen, an unterschiedlichen parteipolitischen Auffassungen haben, hinaus: Daß sie Deutsche sind, und daß sie, wie ich hoffe, dieses Land so lieben, wie es in der Brechtschen "Kinderhymne" steht. Ich kann die nicht auswendig. Aber da steht drin, man soll sein Land lieben, weil man es verbessert. Also der beschreibt einen Patriotismus, der für sich selbst da ist, aber nicht gegen andere. Der akzeptiert, daß es in Italien, in Frankreich, in Polen, in Skandinavien Menschen gibt, die ihre Länder genauso lieben wie wir unser eigenes. Und daß es Aufgabe von Politik ist, einen Patriotismus, der gebändigt ist, nicht gegen den jeweils anderen zu entwickeln, sondern partnerschaftlich miteinander. Nur so kann's gehen. Sonst nie.

Es kann nur gehen, wenn wir davon überzeugt sind - ich bin es jedenfalls -, daß ich am liebsten hier lebe, weil es dafür Gründe gibt. Aber daß ich auch verstehe, daß Menschen anderer Kulturen am liebsten dort leben, wo sie sind, und daß die auch Gründe haben. Und daß ich nur was lernen kann aus anderen Kulturen, was mir wieder hilft, gar nicht undeutscher zu sein, sondern selbstbewußter zu werden, weil ich weiß, diese Auseinandersetzung mit anderen Kulturen hilft mir auch, mein eigenes Selbstbewußtsein zu stabilisieren. Das ist, was ich mir vorstelle - Nationalstolz der Deutschen.

Die Frage nach der multikulturellen Gesellschaft ist, wie ich denke, gelegentlich nicht ganz richtig gestellt. Multikulturell kennzeichnet, als wenn wir wollten, daß unsere Gesellschaft nicht eine im guten Sinne deutsche Gesellschaft wäre. Aber insoweit war die Frage richtig: Sie ist nur dann eine deutsche Gesellschaft, wenn sie so ist, wie deutsch immer gewesen ist, bis auf die finsteren Zeiten, in denen man die Beeinflussung durch andere Kulturen verdrängte.

Zu dem sehr schwierigen Problem des Umgangs mit Menschen, die zu uns kommen, muß ich, auch wenn Sie das nicht wollen, ein paar deutliche Worte sagen. Die Deutschen haben, was die Verantwortung für hier lebende Ausländer angeht, sehr viel getan - wenn ich jetzt einmal von verbrecherischen Sachen absehe. 60 Prozent aller Integrationslasten, die Immigration nach Europa verursacht, werden von Deutschland getragen. Es gibt kein Land der Welt, das die Menschen, die kommen, so versorgt, wie wir das tun.

Und jetzt sage ich Ihnen, was mich ärgert: Daß Sie so tun, als wäre das nicht der Fall. Wir sind großzügiger mit Zuwanderern - es mag die eine oder andere Ausnahme geben - als fast alle anderen Länder dieser Welt. Das mag dem einen oder anderen nicht genügen, aber man muß mal darauf hinweisen, daß das so ist.

Das ist das erste. Das zweite: Auf diesem Hintergrund haben wir gesagt, für diejenigen, die das Gastrecht, das wir haben, in dem Sinne mißbrauchen, daß sie ihre Identifizierung nicht ermöglichen, daß sie obwohl Ausreise möglich und zumutbar ist, das nicht tun, werden wir die Leistungen, die wir erbringen, kürzen. Das ist in Ordnung. Auch wenn es Ihnen schwerfällt, das zu verstehen. Das ist richtig.

Auch mein Innenminister veranlaßt Abschiebungen in die Gebiete, in denen das möglich ist, ohne daß die Menschen, die angehalten werden zurückzukehren, an Leib und Leben gefährdet sind. Das kann man ja rauskriegen. Ich verstehe den individuellen Wunsch der Menschen, die hier jetzt leben, hierbleiben zu können. Weil das natürlich naheliegt. Aber auf der anderen Seite gilt natürlich auch: Wenn wir nicht Anlaß geben, in die Gebiete, die befriedet sind - in den anderen bin ich strikt dagegen, das will ich klarstellen - zurückzukehren, wer soll dann das tun, was die Deutschen hier nach dem Zweiten Weltkrieg getan haben? Das kann doch auf Dauer nicht funktionieren.

Und deswegen glaube ich, daß man diese Frage nur sehr sorgfältig bezogen auf die Gruppen oder Einzelfälle lösen kann. Aber auch sich selber und diesem Land und dieser Gesellschaft nicht den Vorwurf machen sollte. Wir sollten nicht so tun, als wäre dies Deutschland ein Land, das mit den Flüchtlingen sozusagen so umgeht, daß es nicht angemessen ist.

Alle hier wiedergegebenen Äußerung hat der SPD-Kanzlerkandidat am 23. Juli auf einer Veranstaltung in Berlin getan. Mitgeschrieben hat Andreas Dietl.