Die rechtsextreme rumänische Partei AUR vereint »Volkstümlichkeit« und pseudo­intellektuelles Gehabe

Goldene Zeiten für Nationalisten

Gegen den »Kulturmarxismus«, für den Anschluss von Moldau – die rechtsextreme rumänische Partei AUR ist im Aufwind und schließt sich im Europaparlament mit Giorgia Melonis Fratelli d’Italia zusammen.

»Aur« ist das rumänische Wort für Gold. Schreibt man den Begriff in Großbuchstaben, steht er für eine Partei, die den einige Jahre lang totgeglaubten extremen rumänischen Nationalismus wiederbelebt hat. 2020, schon ein Jahr nach der Gründung, gelang der Alianța pentru Unirea Românilor (Allianz für die Vereinigung der Rumänen, AUR), mit neun Prozent der Stimmen der Sprung ins rumänische Parlament.

Der AUR-Vorsitzende George Simion verkörperte von Anfang an den Typus des rechtsextremen Straßen­kämpfers, der nicht nur demon­striert, sondern Rangeleien geradezu sucht, um sich zu inszenieren.

Bei der jüngsten Europawahl erhielt die Partei knapp 15 Prozent der Stimmen und entsendet nun fünf Abgeordnete ins Europaparlament, wo sie sich der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) anschließen wird, in der die Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Fratelli d’Italia, den Ton angibt. Meloni hat die rumänischen Newcomer sogar Viktor Orbáns Fidesz vorgezogen, obwohl der ungarische Ministerpräsident nichts unversucht lässt, um die nationalistische Rechte zu vereinen, und dafür jede Menge Geld ausgibt.

Die Fidesz war mit der expliziten Ankündigung in den Wahlkampf gezogen, sich Melonis Fraktion anzuschließen, die von der ungarischen Regierungspresse und Orbán persönlich als europäische Hoffnungsträgerin dargestellt wird. Doch Meloni hatte offensichtlich kein Interesse an dem schwierigen Partner aus Budapest und lehnte die Zusammenarbeit mit Fidesz schon ab, bevor die mit AUR vereinbart wurde.

In Ungarn dagegen stellt die Regierungspresse die Ereignisse nun so dar, als würde Fidesz der EKR-Fraktion deshalb nicht beitreten, weil diese auch die notorisch ungarnfeindliche AUR umfasst. Die AUR lehnt jegliche lokale Autonomie für die ungarischsprachige Minderheit in Rumänien ab, während Orbán immer wieder von einem historischen »Großungarn« spricht, zu dem auch Teile Rumäniens gehören würden.

Ein Ex-Hooligan, ein homophober Aktivist und ein Heidegger-Übersetzer

Ihren Erfolg verdankt die AUR einer Mischung aus elitär-pseudointellektuellem Gehabe und einem Versprechen von Gemeinschaft. An der Spitze der Partei stehen der ehemalige Fußball-Hooligan George Simion, der Journalist und homophobe Aktivist Claudiu Târziu und der Philosoph und Heidegger-Übersetzer Sorin Lavric.

Klare Nummer eins ist dabei der Vorsitzende Simion, der die Wirkung der Partei in der Presse und den sozialen Medien dominiert. Er verkörperte von Anfang an den Typus des rechtsextremen Straßenkämpfers, der nicht nur demonstriert, sondern Tätlichkeiten und Rangeleien geradezu sucht, um sich zu inszenieren. Noch vor der Gründung der Partei war er zum Beispiel bei Krawallen auf einem österreichisch-ungarischen Weltkriegsfriedhof in Rumänien beteiligt.

Diesen Stil pflegt er als Abgeordneter weiter, er bedrängt Politiker anderer Parteien auf dem Weg ins Parlament und filmt sie dabei. Unter Simions Führung hält die AUR auch immer wieder kleine Kundgebungen ab, die vor allem der Inszenierung in den sozialen Medien dienen. Die Partei soll offenbar aktivistisch und tatkräftig wirken.

Sympathiebekundungen für die Eiserne Garde

Den intellektuellen Part der Partei verkörpern Târziu und Lavric, die mit queer- und frauenfeindlichen Aussagen sowie Sympathiebekundungen für die Eiserne Garde auffallen, einer faschistischen Bewegung der dreißiger und vierziger Jahre, die den Holocaust in Rumänien ideologisch vorbereitete. Hinter diesem Triumvirat steht ein sogenannter Senat, der größtenteils aus Intellektuellen besteht, unter denen die große Zahl an Buchautoren aus den Bereichen Geschichte und Religion auffällt, die sich rechten Herzensthemen widmen. Die rumänische extreme Rechte verwirklicht etwas, wovon die Neue Rechte in Deutschland seit langem träumt: eine Vereinigung von rechten Intellektuellen und Aktivisten.

Schaut man sich das Programm der AUR an, dominiert in allen Bereichen der Nationalismus. Die Partei gründet sich zwar, wie es im Programm heißt, auf vier Säulen: traditionelle Familie, Glauben, Freiheit und Vaterland. Doch wer das knappe Programm liest, sieht schnell, dass die Partei alles aus einem extrem nationalistischen Blickwinkel betrachtet. Der Glaube der Rumänisch-Orthodoxen Kirche soll die Nation zusammenhalten, die traditionelle Familie soll sie am Leben erhalten und so weiter.

Nach wie vor ist die Vereinigung mit der Republik Moldau der wichtigste konkrete Programmpunkt, was unter den Parteien Rumäniens ein Alleinstellungsmerkmal ist. Als großen Gegner hat die AUR, anders als rechtsextreme Parteien im Westen, nicht die Migranten ausgemacht. Zwar gibt es mittlerweile auch Arbeitsmigration nach Rumänien, die Rumänen ersetzt, die nach Westeuropa ausgewandert sind. Doch das kommt im Programm nicht vor. Vielmehr sieht die Partei den »Kulturmarxismus« als Hauptgegner. Der Begriff macht unter Rechten seit einigen Jahren Karriere und ist eine Art Synonym für »woke«.

Demonstrationen gegen Covid-19-Maßnahmen

Dass diese Mischung auf den Zuspruch der Wähler stößt, ist ohne die Krisen des Jahres 2020 nicht erklärbar. Demonstrationen gegen Covid-19-Maßnahmen gab es auch in Rumänien und deren Protagonisten stammten vor allem aus dem rechten Lager und Teilen der orthodoxen Kirche, der etwa 85 Prozent der Bevölkerung angehören. Eine noch wichtigere Rolle als Simion spielte dabei Diana Iovanovici Șoșoacă. Diese kämpfte als Anwältin des orthodoxen Bischofs der Hafenstadt Constanța vor Gericht dafür, eine Prozession trotz der geltenden Kontaktbeschränkungen zu erlauben.

Die orthodoxe Kirche spielte in Rumänien und den Balkanländern eine überwiegend unrühmliche Rolle. Priester und Bischöfe waren nicht bereit, auf Massenversammlungen zu verzichten. Oftmals wurden selbst besonders unhygienische Praktiken wie das massenhafte Berühren von Ikonen, Reliquien und das Küssen des Rings eines Priesters beibehalten. Mehrere Bischöfe mussten ihre Uneinsichtigkeit mit dem Leben bezahlen.

Mittlerweile hat sich Iovanovici Șoșoacă aber mit der AUR überworfen. Das liegt zum einen daran, dass sie anders als die AUR prononciert putinfreundlich ist. Da die AUR die Vereinigung Rumäniens mit der Republik Moldau anstrebt, kann sie keine putinfreundliche Politik verfolgen, denn auf moldauischem Boden existiert mit Transnistrien ein von Russland unterstütztes und kontrolliertes Regime und Putin möchte Moldau in seinem Einflussbereich und nicht etwa in der EU sehen.

Zu Besuch bei der AfD

Außerdem stellte Șoșoacăs schrille Egozentrik eine Herausforderung für den Parteivorsitzenden Simion dar, der keine Konkurrenz in der Führung und bei der Selbstdarstellung gebrauchen kann. Mittlerweile hat sie eine eigene Partei namens S.O.S. România gegründet und ist ebenfalls im Europäischen Parlament vertreten. Sie war am 29. Juni persönlich auf dem Parteitag der AfD in Essen, um mit der Partei über eine Kooperation im EU-Parlament zu sprechen.

Die AUR und S.O.S. România sind allerdings nicht die ersten Parteien des rumänischen Ultranationalismus nach dem Ende des Realsozialismus. Bereits 1991 gründete sich die Partidul România Mare (Partei Großrumänien, PRM) des ehemaligen stalinistischen Dichters Corneliu Vadim Tudor, der 1984 in einer »Ode an Elena Ceaușescu« die ­Ehefrau des damaligen Diktators als »prestigeträchtige Denkerin« besungen hatte.

Zu einem Verständnis des Phänomens AUR gehört neben dem rumänischen Kontext auch ein vergleichender Blick auf ähnliche Phänomene in anderen Ländern, an denen es nicht mangelt.

Die PRM war von 1993 bis 1995 als Koalitionspartner des postkommunistischen, sozialdemokratisch gewendeten Präsidenten Ion Iliescu an der Regierung beteiligt. Tudor gelangte im Jahr 2000 sogar in die Stichwahl um die rumänischen Präsidentschaft, verlor aber gegen Iliescu.

Iliescu leitete nach dieser Wahl eine Kehrtwende ein und beendete die Zusammenarbeit mit Tudors Partei Großrumänien. Zum einen war ihm in dieser eine zu starke Konkurrenz erwachsen, zum anderen wollte er den EU-Beitrittsprozess nicht gefährden. Dies war schließlich die Zeit, in der die österreichische Regierung in der EU zum Paria wurde, weil an ihr Jörg Haiders FPÖ beteiligt war. So wurde die PRM immer unbedeutender, bis sie nach Tudors Tod 2015 gänzlich in der Bedeutungslosigkeit versank.

Zu einem Verständnis des Phänomens AUR gehört neben dem rumänischen Kontext auch ein vergleichender Blick auf ähnliche Phänomene in anderen Ländern, an denen es nicht mangelt. Beispielhaft sei auf den Beitrag des Soziologen Jan Weyand in dem 2020 erschienen Band »Konformistische Rebellen« verwiesen. Weyand sieht in Anbetracht der erlebten Ohnmacht gegenüber dem globalen Kapitalismus einen Wunsch nach Schutz in der »Gemeinschaft« der Nation entstehen. Diese an Deutschen gemachte Beobachtung trifft wohl auch auf Rumänien zu.