Viele Jugendliche in Deutschland fühlen sich einer neuen Studie zufolge einsam

Backen gegen die Einsamkeit

Einer aktuellen Studie zufolge fühlt sich fast die Hälfte aller Jugendlichen einsam. Dieses Problem kann zu schwerem Leid führen, lässt sich aber auch vermarkten.

Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus (Grüne), will die Einsamkeit bekämpfen und lädt zu diesem Zweck zum gemeinsamen Waffelbacken ein. Und zwar im Rahmen der Aktionswochen gegen die Einsamkeit, die Paus am 17. Juni eröffnet hat. Denn ganze 46 Prozent der 16- bis 30jährigen fühlen sich »moderat einsam« oder sogar »stark einsam«. Das ist das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung. Demnach sind Frauen stärker betroffen als Männer. Weitere Risikofaktoren für Einsamkeit seien Arbeitslosigkeit, ein niedriger Bildungsabschluss, »Migrationshintergrund« sowie das Leben in mittelgroßen Städten.

Einsamkeit ist wahrlich kein neues Phänomen. Vielbesungen ist insbesondere der Liebeskummer: Ohne ihn würden mehr als 60 Prozent aller Popsongs nicht existieren und Taylor Swift, deren Lieder berechnend oft von Trennungen und schlechten Partnern handeln, wäre keine Milliardärin. Kulturhistorisch lässt sich festhalten, dass die Einsamkeit als Massenphänomen, das Künstler wie Verkäufer inspiriert, seit Beginn des 20. Jahrhunderts stetig zugenommen hat. Es gibt sogar Linke, die meinen, eine Art Verschwörung des Kapitals habe massenweise Menschen vereinsamt, um sie nicht nur leichter unterdrücken zu können, sondern ihnen auch Ersatzhedonismus in Form von Konsum andrehen zu können. Das ist natürlich dummes Zeug.

Wahrscheinlicher ist, dass die Einsamkeit nicht allein wegen ihrer starken Zunahme zum Thema von Literatur, Songs und anderer Unterhaltungs­pro­duktion wurde, sondern weil sich erst mit der Einführung von Tonträgern, Radios, Massendruckwerken, Kino und Fernsehen ein latent schon längst vorhandener Markt kommer­ziell erschließen ließ. Soziologische wie philosophische Einschätzungen der Einsamkeit als einer unerwünschten Erscheinung finden wir vor allem seit dem 20. Jahrhundert. Denker mit einem Hang zur Misanthropie wie Arthur Schopen­hauer oder Friedrich Nietzsche waren hingegen schon immer der Ansicht, je weniger Menschen um einem herum, desto besser.

Verbrecher und Institutionen wie die Staatsgewalt haben leichteres Spiel mit denen, die niemanden haben, der für sie eintritt.

Nun ist Einsamkeit ohne Zweifel ein Zustand, der mit vielen negativen Begleiterscheinungen einhergeht. Nicht zu Unrecht gilt der Mensch als soziales Tier; die meiste Zeit seiner bisherigen Existenz hat er als Spezies ein Stammes- oder Clanwesen gelebt. Jahrtausendelang war die Verbannung aus dem Stamm oder der Dorfgemeinschaft eine der schlimmsten Strafen, da sie für die Ausgestoßenen und des Schutzes der ­Ge­mein­schaft Beraubten fast immer lebensbedrohlich war. So etwas hinterlässt evolutionspsychologische Spuren. Aber auch ganz ohne transgene­rationale Panik vor der Einsamkeit merkt der Mensch schon früh: Wer allein dasteht, hat schlechte Karten – nicht nur gegenüber dem Säbelzahntiger. Auch Verbrecher und Institutionen wie die Staatsgewalt haben leichteres Spiel mit denen, die niemanden haben, der für sie eintritt.

Arbeiter wussten früher mal um die Notwendigkeit der Solidarität, um sich gegen ökonomisch Stärkere wehren zu können. Bauern, Gewerbetreibende oder Verkäufer froher religiöser Botschaften verstehen es immer noch. Sie mögen einander spinnefeind sein, doch sie haben gemeinsame Interessen und gemeinsame Feinde. Organisierte Interessenvertretungen waren und sind übrigens gute Orte, um nicht einsam zu sein, und so manche Freundschaft und sogar Ehe wurde nicht im Himmel geschlossen, sondern beim Wochenendseminar des Gewerkschaftsortsverbands Bochum-Ost angebahnt.

Die Einsamkeit junger Frauen

Bemerkenswert an der aktuellen Bertelsmann-Studie wie auch an ähnlichen Untersuchungen ist eine Trend­um­kehr bei der Einsamkeit zuungunsten von Frauen. Genauer: von jungen Frauen. Ältere Frauen waren schon seit ­jeher öfter von Einsamkeit betroffen als Männer, nicht zuletzt da Männer schlicht eine geringere Lebenserwartung und nur wenige ältere Witwen ­erneut eine Beziehung hatten – oder haben wollten. Für viele dieser Frauen war das Witwendasein jedoch die erste Zeit in ihrem Leben, in der sie halbwegs frei waren. Die Einsamkeit jüngerer Frauen hat andere Gründe.

Das soziologische Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München ­versuchte in den Jahren 2006 und 2007 herauszufinden, ob und wie sich Männer und Frauen in ihren Kriterien für die Partnerwahl unterscheiden. 2.500 in München wohnende Männer und Frauen, die natürlich nicht repräsen­tativ für die Gesamtbevölkerung sind, gaben Auskunft. Heraus kam, dass Frauen wesentlich größeren Wert auf den Bildungsgrad eines potentiellen Partners legten als Männer. Das Aussehen hingegen hielten rund 63 Prozent der Männer für wichtig, aber nur 32 Prozent der Frauen.

Dass Frauen gebildete Männer haben möchten, Männer aber lieber schöne Frauen, ist ein Problem, wie ein Blick auf die Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2022 zeigt. Rund um die Welt übertrifft laut OECD der Anteil von Frauen unter den Menschen mit höherer Bildung im Alter zwischen 25 und 34 Jahren bei weitem jenen der Männer. Anders gesagt: Frauen finden Bildung bei Männern wichtiger als deren Aussehen, aber da Frauen im Durchschnitt deutlich gebildeter sind als Männer, wächst die Zahl einsamer Frauen weltweit stark an. Und das, obwohl Frauen so nett sind, ihre Ansprüche an die Mannsbilder bis zu ­einem bestimmten Grad dem kümmerlichen Angebot anzupassen.