Deutsche Politiker diskutieren erneut über Abschiebungen nach ­Afghanistan und Syrien

Die Despoten danken

Bundeskanzler Olaf Scholz will nach Syrien und Afgha­nis­­tan abschieben. Damit würde er nicht nur rechtsstaatliche Prinzipien ignorieren, sondern auch Gefahr laufen, Despoten zu legitimieren.

Der Messerangriff von Mannheim, der für einen Polizisten tödlich endete, bot für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erneut die Gelegenheit für markige Sprüche. »Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen«, sagte er. Denn hierbei wiege »das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters«.

Bereits im Herbst vergangenen Jahres hatte Scholz zur Abschiebeoffensive geblasen. Einmal mehr inszenierte sich der Kanzler, wohl auch mit Blick auf die Umfragewerte seiner Partei, als Dezisionist und klang, als käme er gerade aus einem Seminar über Carl Schmitts Rechtstheorie, der zufolge der Souverän frei über den Ausnahmezustand entscheidet.

Auf einen juristisch unkundigen Laien müssen die Äußerungen fast so wirken, als wären Abschiebungen eine Art Ersatzstrafe, die am Delinquenten exekutiert werden solle.

Nun stellt sich allerdings die Frage, ob er plant, jemanden wie den mutmaßlichen Messerstecher von Mannheim, Suleiman A., als Strafe abzuschieben, oder erst Gerichtsverfahren und Urteil abwarten will. Das dürfte vermutlich zu einigen Jahren Haft in einem deutschen Gefängnis führen. Erst dann wäre eine Abschiebung überhaupt möglich. Außerdem obliegt es in einem Rechtsstaat der Judikative und nicht dem Bundeskanzler oder dem Volkszorn, zu entscheiden, wer als »schwerkrimineller Ausländer« gilt.

Auf einen juristisch unkundigen Laien müssen solche Äußerungen fast so wirken, als wären Abschiebungen eine Art Ersatzstrafe, die am Delinquenten exekutiert werden solle – statt einer Verurteilung von deutschen Gerichten. Die Idee ist nicht ganz abwegig, schließlich ist die Chance, nach einer Rückführung in einen Staat wie Afghanistan oder Syrien dort ein schnelles Ende zu finden, so groß ist, dass allgemeine Abschiebestopps für diese Länder verhängt wurden.

Der Kanzler brach eine Scheindebatte vom Zaun

Diese Abschiebestopps gelten für alle Menschen, die von dort gekommen sind – auch für abgelehnte Asylbewerber wie Suleiman A. –, und sind, selbst wenn ganz schwache, so doch gültige Rechtstitel. Kurzum: Wer abgelehnt wurde, aber nicht abgeschoben werden kann beziehungsweise darf, besitzt ein Recht, sich weiter in Deutschland aufzuhalten. Wird er hier straffällig, ist er ein Fall für die Judikative und nicht für die Exekutive. Somit brach der Kanzler eine Scheindebatte vom Zaun, die, wie alle dieser Art, so tut, als könne man Asyl- und Ausländerrecht qua Exekutivorder übergehen.

Bei Abschiebungen haben außerdem die im jeweiligen Zielland Herrschenden ein Wörtchen mitzureden. Denn weigern sie sich, ihre Landsleute wiederaufzunehmen, sind Abschiebungen schlicht nicht durchführbar. Die Taliban in Afghanistan sind keine von Deutschland anerkannte Regierung, und nach dem desaströsen Abzug internationaler Truppen im Sommer 2021 unterhalten west­liche Länder so gut wie keine Kontakte zur afghanischen Führung. Wollte man also dorthin abschieben, müsste man erst einmal in Verhandlungen treten. Entsprechend witterten die Taliban ihre Chance und erklärten, für entsprechende Gespräche »offen zu sein«. Sie bemühen sich nämlich intensiv darum, von westlichen Staaten anerkannt zu werden. Schritte in eine solche Richtung über ein poli­tisches Thema wie eine Anfrage zu Abschiebungen würden sie deshalb wohl begrüßen.

Schon gibt es die entsprechenden Vorstöße seitens der CDU. So schlugen Hessens Ministerpräsident Boris Rhein und Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen genau solche Verhandlungen nicht nur mit den Taliban, sondern auch dem syrischen Diktator Bashar al-Assad vor.

Profit für Taliban und Assad

Es interessiert sie somit nicht, was eigentlich nach der sogenannten Rückführung in Halsabschneiderstaaten mit den Betroffenen passiert. Abschiebungen werden zudem zur Hintertür, durch die man mit diesen Regimes ins Geschäft kommen kann. Da es sich, angesichts jüngster Flüchtlingsabkommen zum Beispiel mit dem Libanon, inzwischen bis zu den letzten Despoten, Autokraten und Milizführern in der Region herumgesprochen hat, dass die EU, wenn es um Abwehr oder Rückführung von Flüchtlingen geht, keinerlei Berührungsängste mehr hat und mit dickem Geldbeutel unterwegs ist, werden sie sich solche Abkommen natürlich gut bezahlen lassen.

Es würde also bestens ins Bild passen, dass infolge solcher Flüchtlingsabkommen nicht nur nationales Recht in Deutschland gebeugt würde, sondern Taliban und Assad aus den Menschen, die zu Mil­lionen vor ihnen geflohen sind, weiteren Profit schlagen. In ihre Tasche fließen direkt oder indirekt bereits jährlich Millionen Euro an humanitärer Hilfe für die Versorgung von Binnenvertriebenen. Warum also nicht auch noch mit Abschiebeflügen verdienen? Was mit den Betroffenen geschieht, interessiert dann eh niemanden mehr.

Natürlich wird all dies der SPD nicht aus dem Tief helfen und selbst der CDU wenig bringen. Wer wünscht, dass endlich richtig mit »kriminellen Ausländern« aufgeräumt wird, ohne dass dabei groß auf rechtsstaatliche Prinzipien geachtet wird, wählt eh die, die das lange vor der tödlichen Messerattacke von Mannheim zu ihrem Programm gemacht haben.