National denkende Sozialdemokraten und ihre Publikationen

Souverän gegen Amerika

Deutschland vom Westen befreien: Dieses Programm vertreten nicht nur Rechtsextreme. Beispielhaft für den antiwestlichen Nationalismus in der Sozialdemokratie ist das Online-Magazin »Globkult«.

Deutsch zu sein, bedeutet, sich um seine Souveränität zu sorgen. Der Begriff, so wie er im postnationalsozialistischen Deutschland verwendet wird, wird meist gebraucht, um eine angebliche Vormachtstellung der einstigen Alliierten zu beklagen, ganz speziell der Weltmacht USA.

Eine Obsession mit der Wiederherstellung deutscher Souveränität findet sich bei zahlreichen politischen Strömungen: bei Nationalrevolutionären, sozialkonservativen Akademikern, linksliberalen Antiamerikanern, Teilen der linken Gewerkschaftsbürokratie, kulturkämpfenden Rechtspopulisten bis hin zu den Faschisten aus Schnellroda.

Eines der publizistischen Organe von national denkenden Sozialdemokraten nennt sich Globkult. Als Herausgeber des Online-Magazins fungierte jahrelang der Historiker Peter Brandt (SPD). Der Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt (SPD) setzt sich schon lange dafür ein, dass sich die Linke die »nationale Frage« zu eigen macht. In einem Interview mit der rechten Zeitung Junge Freiheit warb er 2010 für ein »positives Verhältnis zur Nation«.

Im Jahr 2020 übernahm dann für zwei Jahre der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber die Herausgeberschaft. Spätestens seither hat sich das Magazin zur Neuen Rechten geöffnet. Die Historikerin Katharina Kellmann beendete deshalb ihre Mitarbeit. Sie habe ihre Beiträge löschen lassen, weil in »dieser Publikation seit einigen Jahren rechtsgerichtete Positionen« vertreten werden, wie sie auf ihrer Website mitteilte. Weißgerber gehörte 1989 zu den Gründungsmitgliedern der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP). Er saß von 1990 bis 2009 für die SPD im Bundestag, 2019 trat er aus der Partei aus.

Der frühere Herausgeber des Online-Magazins, Peter Brandt, der Sohn von Willy Brandt, warb in einem Interview mit der neurechten Zeitung »Junge Freiheit« für ein »positives Verhältnis zur Nation«.

Mit dem Blog Nachdenkseiten hat ein weiterer ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter, Albrecht Müller, eine Anlaufstation für Linke, die nach rechts abdriften, etabliert. Müller war Planungschef im Bundeskanzleramt unter den SPD-Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt. Gegründet 2003, verkauften sich die Nachdenkseiten zunächst als linkssozialdemokratischer Einspruch gegen die wirtschaftsliberalen »Agenda«-Reformen des dritten SPD-Bundeskanzlers, Gerhard Schröder.

Wohin es dann aber inhaltlich ging, verdeutlichte 2015 der zweite Mitgründer, Wolfgang Lieb, als er öffentlich mit Müller abrechnete. Lieb warf Müller vor, er teile »die Welt moralisch in Freund und Feind« ein und sehe als »Ursache nahezu allen Übels auf der Welt ›einflussreiche Kräfte‹ (oft in den USA) oder undurchsichtige ›finanzkräftige Gruppen‹ oder pauschal ›die Eliten‹«.

»Postfaktisches Propagandamedium«

In einem Artikel in der Zeit bezeichnete der Politikwissenschaftler Markus Linden die Website kürzlich als »postfaktisches Propagandamedium, welches unter dem Deckmantel der Friedensorientierung die Narrative des Putin-Regimes verbreitet«. Der Unterschied zu anderen alternativen Portalen bestehe einzig »im Nichtvorhandensein von Fremdenfeindlichkeit«. Das Portal sei ein »Agendasetzer« des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) geworden.

Bei Globkult findet die Verteidigung der deutschen Souveränität gegen den »Globalismus« aber erst so richtig ungeschminkt Ausdruck. Überall auf der Website dröhnt der Sound des Rechts­populismus: Man beklagt die »monströse Verhässlichung Deutschlands durch Windräder oder die Verrenkungen der ›Gendersprache‹«. Unter der Überschrift »Hans-Georg Maaßen: ein Rechtsextremist?« veröffentlichte der Autor Steffen Meltzer Anfang des Jahres eine Verteidigungsschrift für den ehemaligen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz – den inzwischen sogar dieses selbst als rechtsextrem einstuft.

Globkult wirbt immer noch mit prominenten Sozialdemokraten, die vor über zehn Jahren zum Start des Online-Magazins den einen oder anderen Artikel beigetragen haben. Dazu gehören einst ranghohe Politiker wie der ehemalige Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) oder der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD).

»Globalismus« beklagt

Heutzutage schreiben auf Globkult Autoren, die ebenso gut in rechten Medien publizieren könnten und das zum Teil auch tun. Mit Helmut Roewer ist ein ehemaliger Präsident des thüringischen Verfassungsschutzes regelmäßiger Autor bei Globkult. Er übte dieses Amt in den neunziger Jahren aus, als der NSU unbehelligt morden konnte – ungeachtet etlicher thüringischer V-Leute in der Nazi-Szene. 2000 wurde Roewer seines Amtes enthoben. Seitdem publizierte der ehemalige Spitzenbeamte Artikel im rechtsextremen Magazin Compact, sowie Bücher im verschwörungstheoretischen Kopp-Verlag und dem neurechten Ares-Verlag.

Eine zentrale Forderung vieler Globkult-Autoren ist, dass Deutschland und die EU sich von den USA lösen sollen. Regelmäßig wird in den Artikeln der »Globalismus« beklagt und die Nato als »Schwert« einer angeblich »offensiven« US-amerikanischen Weltpolitik bezeichnet, wie es Heinz Theisen, Professor für Politikwissenschaft an der Katholischen Hochschule Köln, kürzlich im Artikel »Russland ist der Täter, der Westen der Verursacher« formuliert hat, in dem er argumentiert, dass der »Globalismus« des Westens für den Krieg in der Ukraine verantwortlich sei.

Theisen raunt dort von den »an internationalistische und globalistische Weltanschauungen gebundenen Medien« und von deren »Nähe zu den Fleischtöpfen des amerikanischen Imperiums«. Für die »moralische Legitimation dieses Imperialismus« hätten die »USA mit den globalistisch gesonnenen deutschen Grünen den bestmöglichen Bündnispartner gewonnen«. Theisens Groll gilt dem »westlichen Werteuniversalismus und Regenbogenglobalismus«, programmatisch konstatiert er: »Der politische Universalismus des Westens war ein Irrweg«, und: »Das von fremden Kulturen und Mächten umtoste Europa bräuchte einen neuen Sinn für seine Identität.« Dann könne es einen »Machtpol in der mul­tipolaren Welt bilden«, was aber nicht im Gegensatz zu »mehr nationaler Stärke« für Deutschland stehe, ganz im Gegenteil.

»Artikulationen von Antisemitismus«

Da überrascht es kaum, dass mit Herbert Ammon und Johannes Eisleben zwei Personen in dem Online-Magazin seit Jahren ihre Beiträge veröffentlichen, die auch in der Jungen Freiheit publiziert haben. Eisleben veröffentlichte 2021 im neurechten Zweimonatsmagazin Cato einen gemeinsam mit Hans-Georg Maaßen verfassten Essay. Dort las man über die »sozialistischen und die globalistischen Kräfte«, die angeblich »orchestriert« und »weitgehend im Verborgenen« daran arbeiteten, ein »totalitäres, supranationales« Regime zu errichten. Das Online-Portal Belltower hat den Text als ein Beispiel für subtile »Artikulationen von Antisemitismus« eingeordnet.

Gemeinsam mit Ammon hatte Peter Brandt 1981 das Buch »Die Linke und die nationale Frage« veröffentlicht, das dafür warb, die nationale Tradition der deutschen Linken wiederzuentdecken. Die von DDR-Oppositionellen gegründete Zeitschrift Telegraph charakterisierte Brandt vor zehn Jahren als einen »Vertreter nationalrevolutionären Denkens«.

In linken Kreisen wird Peter Brandt keineswegs gemieden. 

Trotzdem wird Brandt in linken Kreisen nicht gemieden. 2022 war er an einem Sammelband beteiligt, der im VSA-Verlag erschien, 2023 veröffentlichte er im sozialdemokratisch geprägten Bonner Verlag J. H. W. Dietz Nachf. eine gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler Detlef Lehnert verfasste »Eine kurze Geschichte der deutschen Sozialdemokratie«, und 2018 war er Unterstützer der von Sahra Wagenknecht initiierten linken Sammlungsbewegung »Aufstehen«.

Vor vier Jahren engagierte sich Brandt in der Gruppe »Neubeginn«, die sich um den Schriftsteller Ingo Schulze und die ehemaligen Berufspolitiker Ludger Volmer (Die Grünen), Gabi Zimmer (Linkspartei) und Michael Brie (Linkspartei) gebildet hatte. Die Gruppe verstand sich als Zusammenkunft älterer Linker, die mit der jungen Generation ins Gespräch kommen wollte. Brandt trat ebenfalls als Erstunterzeichner der von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierten Petition »Manifest für Frieden« auf, in dem gefordert wurde, die Unterstützung der Ukraine einzustellen.