Der Iran hat schwedische Gangs mit Anschlägen auf israelische Botschaften beauftragt

Der Fuchs im Dienst der Mullahs

Das iranische Regime wirbt nach Informationen des israelischen und schwedischen Geheimdiensts Gang-Mitglieder für Anschläge an, ein 14jähriger schoss auf die israelische Botschaft in Stockholm.

Der Iran hat gezielt auf schwedische Gang-Mitglieder zurückgegriffen, um europaweit Anschläge auf israelische Botschaften zu verüben. Diese Meldung des Mossad wurde am 30. Mai vom schwedischen Geheimdienst Säpo auf einer eigens anberaumten Pressekon­ferenz bestätigt. Man wisse, dass der Iran in Schweden gegen die Interessen anderer Staaten agiere, namentlich ­gegen die Israels, sagte Daniel Stenling, Leiter der Abteilung Gegenspionage der Säpo. Dazu benutze das Mullah-Regime Proxys, also Mittelsmänner. »Das können sehr junge Individuen sein, sogar Kinder«, betonte er.

Israelischen Erkenntnissen zufolge arbeitet Rawa Majid, ein führendes Gang-Mitglied in Schweden, bereits seit einigen Monaten eng mit den iranischen Revolutionsgarden zusammen.

Den Informationen des Mossad zufolge werden vor allem die kriminellen Netzwerke Foxtrot – das größte Schwedens – und Rumba (unter diesen Namen werden die Gangs von der schwedischen Polizei geführt) direkt vom Iran finanziert und angeleitet. Rumba ging im vorigen Jahr aus Foxtrot hervor, nachdem es zu einem Zerwürfnis in der Führungsspitze des unter anderem auf Drogenhandel spezialisierten Netzwerks gekommen war. Beide Gang-Chefs haben sich mittlerweile aus Schweden abgesetzt und damit ihren Drogenkrieg unter anderem in die Türkei gebracht, wo Rumba-Boss Ismail Abdo und einige seiner Komplizen am 28. Mai festgenommen wurden. Die interessanteste Person ist jedoch nicht er, sondern Rawa Majid, der als Anführer von Foxtrot gilt.

Majid, bekannt auch als Kurdiska räven, kurdischer Fuchs, wurde am 12. Juni 1986 im Iran geboren, wo seine Eltern auf der Flucht aus dem Irak ­Station gemacht hatten, bevor sie nach Schweden auswanderten. Majid wuchs in Uppsala auf und geriet rasch in kriminelle Kreise, in denen er sich durch Skrupellosigkeit, Gewaltbereitschaft und Geschäftssinn immer weiter hocharbeitete.

Mit 19 wurden er zum ersten Mal inhaftiert, knapp zehn Jahre später galt er dann als einer der gefürchtetsten Kriminellen Schwedens. Nach einer längeren Haftstrafe gelang es ihm 2021, Schweden zu verlassen. Seither hielt er sich in der Türkei, deren Staatsangehörigkeit er 2020 im Rahmen eines speziellen Angebots für Investoren erwerben konnte, und im Iran auf. In der Vergangenheit gab er sich dort als irakischer Reeder aus.

Randvoll mit Geld gefüllte Tasche vergessen

Im April 2022 flog seine wirkliche Identität als von Interpol gesuchter Straf­täter auf, nachdem er in einem Park im türkischen Urlaubsort İçmeler eine randvoll mit Geld gefüllte Tasche vergessen hatte. Ein ehrlicher Finder brachte sie zur Polizei, wo man den Besitzer ermittelte, aber umgehend misstrauisch wurde, als er sich mit gefälschten Papieren auswies. Nach seiner Verhaftung stellte die schwedische Polizei umgehend einen Auslieferungsantrag, den die türkischen Behörden allerdings mit der Begründung ablehnten, dass man keine eigenen Staatsbürger ausliefere.

Mit dem Auslieferungsantrag hatte Schweden via diplomatische Kanäle Informationen, die laut einer Polizeiquelle derart streng geheim waren, dass sie ohne Genehmigung der schwedischen Behörden nicht einmal in einer Gerichtsverhandlung hätten benutzt werden dürfen, über das von Majid geführte kriminelle Netzwerk übermittelt. Bestimmt waren sie eigentlich nur für den Dienstgebrauch des türkischen Geheimdiensts, damit gegen die vom »kurdischen Fuchs« aufgebauten kriminellen Strukturen im Land ermitteln werden konnte. Genau diese Informationen fanden sich dann jedoch einige Monate später im Herbst 2022 auf einem während einer Drogenrazzia im schwedischen Bromma beschlagnahmten Handy eines Mitglieds der Brödraskap.

Die 1995 ursprünglich als Gefängnisgang gegründete und wie ein Rockerclub organisierte Bruderschaft, so der Name auf Deutsch, hatte rasch die damals bekanntesten schwedischen Straftäter angezogen, obwohl einer ihrer Gründer, der mutmaßliche Polizistenmörder Daniel Fitzpatrick, seine Haftentlassung im Januar 1998 nur um wenige Monate überlebte, bevor er von ­einer rivalisierenden Gang erschossen wurde. Heutzutage gilt die Brödraskap als organisierte multikriminelle Vereinigung.

Wie die geheimen Akten auf das Handy des 24jährigen schwedischen Gang-Mitglieds kamen, das mutmaßlich mindestens ein lokaler Anführer der Bruderschaft ist, ist nicht bekannt. Auch über deren Inhalt ist kaum etwas bekannt, außer dass sie unter anderem detaillierte Angaben über Rawa Majid und zehn Top-Mitglieder seines Foxtrot-Netzwerks enthalten, zu denen nicht nur deren Aufenthaltsorte gehören, sondern auch die Verbrechen, derer sie verdächtigt werden.

Enge Zusammenarbeit mit den iranischen Revolutionsgarden

Als die Zeitung Aftonbladet im Herbst 2023 über den Vorfall berichtete, stand im Artikel darüber ein Satz, der im Nachhinein gut zu den nun bekannt gewordenen Verbindungen der Gangs zum Iran passt. Darin heißt es nämlich, dass Foxtrot im Verdacht stehe, verantwortlich für eine ­Reihe »äußerst schwerer Straftaten« wie Morde, Sprengstoffexplosionen und Bombendrohungen zu sein sowie »hinter Anschlägen, von denen auch Dritte betroffen waren«, zu stecken.

Rawa Majid befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Iran, denn kurz nach seiner Festnahme war er von den türkischen Behörden wieder freige­lassen worden. Am 6. Oktober wurde er von der iranischen Polizei in der Nähe der Grenze zum Irak während einer Verkehrskontrolle angehalten und überprüft. Nach Informationen eines schwedischen Fernsehsenders soll Majid sich mit gefälschten Dokumenten ausgewiesen haben und festgenommen worden sein. Ministerpräsident Ulf Kristersson bestätigte gegenüber dem Sender, dass der Gesuchte nach nicht näher spezifizierten und auch nicht bestätigten Geheimdienstinformationen in der Tat von iranischen Polizisten festgenommen worden sei.

Seither ist über Majids Verbleib bis auf eine auf Social Media kursierende, nicht zweifelsfrei als echt verifizierte Sprachnachricht von ihm, in der der Sprecher in schwedischem Slang ­behauptet, nicht verhaftet worden zu sein, offiziell nichts mehr bekannt­geworden – bis Mossad und Säpo nun an die Öffentlichkeit traten.

Israelischen Erkenntnissen zufolge arbeitet Majid bereits seit einigen Monaten eng mit den iranischen Revolutionsgarden zusammen. Er soll unter anderem einen Anschlag auf die israelische Botschaft in Stockholm in Auftrag gegeben haben, bei dem am 17. Mai ein 14jähriger mehrere Schüsse auf das Gebäude abgab. Der Junge wird dem Rumba-Netzwerk zugerechnet.

Auswärtiges Amt bestellte iranischen Botschafter ein

Ob Rawa Majid sich im Iran aber wirklich sicher fühlen kann, ist fraglich – vor ihm war nämlich bereits mindestens ein der organisierten Kriminalität zugerechneter Straftäter in den Iran geflohen, der vor kurzem in Teheran erschossen wurde: Ramin Y., unter anderem ehemaliger Präsident der Kölner Bandidos und ab Ende 2012 mitsamt seinen lokalen Clubbrüdern zu den Hells Angels gewechselt, hatte sich im September 2021 abgesetzt. Mutmaßlich hielt er sich seither durchgängig im Iran auf, wo er für die Revolutionsgarden arbeitete. Darüber hinaus wird er verdächtigt, Drahtzieher eines versuchten Brandanschlags auf die Synagoge in Bochum im November 2022 gewesen zu sein.

Der Täter, ein Deutsch-Iraner namens Babak J., sagte im Dezember 2023 vor Gericht aus, dass Y. ihn rekrutiert habe, als er ihn im Iran besucht habe. Er habe die Tat eigentlich nicht begehen wollen, erklärte er, aber Y. habe ihn und auch seine Familie bedroht. Das Gericht verurteilte den Mann zu zwei Jahren und neun Monaten Haft, J.s ­Beteuerung, dass die Synagoge nicht das Ziel des Anschlags gewesen sei, sondern die daneben gelegene Schule, glaubte es nicht. Das Auswärtige Amt bestellte danach den iranischen Botschafter ein und erklärte: »Wir werden keine ausländisch gesteuerte Gewalt in Deutschland dulden.«

Im April 2024 meldete die iranische Nachrichtenagentur Tasnim, dass Ramin Y. sowie ein weiterer Mann in Teheran auf offener Straße ermordet worden seien. Als Motiv nannte Tasnim »einen persönlichen Konflikt« – Exilmedien berichteten dagegen, dass Y. und ein Mitglied der Revolutionsgarden Opfer eines gezielten Mordanschlags geworden seien.

Auf die Spur von Y. war die Polizei durch ein neues Patch geführt geworden, dass sich der Rocker nach dem Mord an die Kutte hatte nähen lassen. Der Aufnäher mit der Aufschrift »Filthy Few« ist den Regeln der Hells Angels zufolge denen vorbehalten, die jemanden um des Clubs willen umgebracht haben.

Der 1988 in Mönchengladbach geborene Y., dessen Eltern aus dem Iran stammten, war mit internationalem Haftbefehl wegen Mordes und Mordversuchs gesucht worden. 2014 soll er Kai M., einen ebenfalls bei den Hells Angels aktiven Rocker, in einen Hinterhalt gelockt, mit einem gezielten Kopfschuss getötet und anschließend die Leichenteile im Rhein sowie im Rhein-Herne-Kanal entsorgt haben. Kai M. galt als Polizeispitzel.

Auf die Spur von Y. war die Polizei durch ein neues Patch geführt geworden, dass sich der Rocker nach dem Mord an die Kutte hatte nähen lassen. Der Aufnäher mit der Aufschrift »Filthy Few« ist den Regeln der Hells Angels zufolge denen vorbehalten, die jemanden um des Clubs willen umgebracht haben – einen anderen Mord als den an Kai M. hatte es damals allerdings nicht gegeben.

Auf Social Media zu Wort gemeldet

Wie – vielleicht – zuvor bereits Rawa Majid meldete sich auch Y. plötzlich auf Social Media zu Wort, als über ihn in der internationalen Presse berichtet wurde. Am 21. Dezember 2023 schrieb er dort in einem zweiteiligen Tweet über die Vorwürfe gegen ihn: »Aufgrund diverser Anfragen kann ich euch gewiss mitteilen, dass ich alle Vor­­würfe bzgl. Babak J. von mir entschieden zurückweise sowie dementiere und mich wie bereits bekannt ausdrücklich von den Taten distanziere.« Er könne »einzig geschäftliche sowie private Kontakte zu Babak J.« bestätigen. Und weiter: »Dies wurde auch nach dem Entstehen der Vorwürfe auf meinem Instagram-Kanal bestätigt. Zudem bedauere ich die einseitigen, belastenden und anhaltslosen Ermittlungen zu meinem Nachteil.«

Danach hörte man nichts mehr von Y. Auch von Majid gibt es keine neuen Nachrichten. Was mit dessen Kontrahenten, dem mutmaßlichen Rumba-Anführer Ismail Abdo, weiter passiert, scheint immerhin festzustehen: Auch dieser hatte sich im Tausch gegen Investitionen die türkische Staatsangehörigkeit gesichert, nach Schweden wird er wohl trotz eines internationalen Haftbefehls nicht ausgeliefert. Vielleicht gelingt ihm ja ebenfalls die Flucht in den Iran.