Der Prozess gegen einen Redakteur vom Radio Dreyeckland hat begonnen

Auf der Suche nach der Vereinigung

Im vierten Prozesstag gegen Fabian Kienert, einen Redakteur von Radio Dreyeckland, ging es vor allem darum, inwiefern die verbotene Plattform Linksunten Indymedia noch existiert.

Es ist ein Prozess, den das Landgericht Karlsruhe eigentlich gar nicht führen wollte. Seit dem 18. April 2024 verhandelt es gegen Fabian Kienert, Redakteur des freien Radiosenders Radio Dreyeckland aus Freiburg. Ihm wird die Unterstützung der verbotenen Internetplattform Linksunten Indymedia vorgeworfen – weil er in einer sachlichen Meldung einen Link gesetzt hat, der zu einer Archivseite der Plattform führte.

Zwar stellte das Landgericht im Mai 2023 fest, dass das bloße Verlinken einer Archivseite von der Pressefreiheit geschützt sei und nicht als Unterstützung einer verbotenen Vereinigung gewertet werden könne. Nach einer Revision der Staatsanwaltschaft Karlsruhe muss nun aber doch gegen Kienert verhandelt werden. »Der Freiburger Staatsschutz und die Karlsruher Staatsanwaltschaft sind eine Gefahr für die Grundrechte und ich hoffe sehr, dass das im Verfahren herausgearbeitet wird«, sagte Kienert der Jungle World. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu drei Jahre Haft.

Am vierten Verhandlungstag, dem 29. April, sollte es vor allem um die Frage gehen, ob es Linksunten Indymedia überhaupt noch gibt. Zunächst bestimmte jedoch eine Auseinandersetzung zwischen Richter Axel Heim und Staatsanwalt Manuel Gräulich den Prozess. An einem der vorherigen Prozesstage waren Akten aufgetaucht, die es nach Angaben der Staatsanwaltschaft »eigentlich gar nicht mehr geben sollte«.

»Der Freiburger Staatsschutz und die Karlsruher Staatsanwaltschaft sind eine Gefahr für die Grundrechte und ich hoffe sehr, dass das im Verfahren herausgearbeitet wird.« Fabian Kienert, Radio Dreyeckland

Aufgrund der Löschfrist hatte die Staatsanwaltschaft vor Prozessbeginn Akten aussortiert, die die Einstellungsverfügung gegen Linksunten Indymedia betrafen. Während des Prozesses stellte sich jedoch heraus, dass diese beim BKA noch vorhanden waren. Richter Heim hatte diese daraufhin für die Beweisaufnahme angefordert, da davon auszugehen sei, dass sie den Angeklagten entlasten. Das BKA schickte die Akten jedoch nicht an das Gericht, sondern direkt an Staatsanwalt Gräulich; ein Beispiel für die teils problematische Polizeiarbeit in diesem Fall.

Schon am ersten Prozesstag hatte sich Heim kritische Fragen zur Arbeit der Polizei während einer Hausdurchsuchung bei Kienert erlaubt und immer wieder Verhältnismäßigkeit angemahnt. Unter anderem hielt er Fotos, die die Polizei während der Durchsuchung anfertigte, für überwiegend rechtswidrig.

Geplänkel zwischen Richter und Staatsanwaltschaft

Nur neun von insgesamt 26 Fotos schätze er als legitim ein. »Normalerweise sind mir Richter dankbar«, zitiert die Wochenzeitung Kontext die empörte Zeugenaussage eines befragten Beamten der Freiburger Kriminalpolizei. Einen kritischen Umgang mit seiner Arbeitsweise war er offensichtlich nicht gewohnt. Nach seiner Vernehmung legte er einen Aktenvermerk an, den er den Prozessakten beifügte und in dem er sich über die Fragen des Gerichts beschwerte. Die Staatsanwaltschaft trat diesem Vermerk bei, was Richter Heim sichtlich verärgerte. Am vierten Prozesstag klärte er zunächst, welche rechtliche Relevanz seine Kritik habe.

Während des folgenden Geplänkels zwischen Richter und Staatsanwaltschaft zeigte sich Gräulich dünnhäutig. Als sich das Publikum während der Diskussion ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, warf er sowohl dem Gericht als auch dem Angeklagten vor, mit dem Publikum zu kommunizieren. Im Laufe des Tages kritisierte er Heims Prozessführung immer wieder.

Das könnte daran liegen, dass eine Verurteilung Kienerts immer unwahrscheinlicher erscheint. Die Argumentation der Staatsanwaltschaft beruht überwiegend auf der Annahme, dass das Erstellen und Hochladen des Archivs ein Beweis für die Fortführung von Linksunten Indymedia sei. Nur dann kann eine Unterstützung durch Kienert überhaupt in Frage kommen.

»Es geht hier um einen Link im Rahmen einer Berichterstattung und der ist von der Pressefreiheit gedeckt.« David Werdermann, Gesellschaft für Freiheitsrechte

»Wir sind ja immer noch auf der Suche nach der Vereinigung«, so Richter Heim. Der restliche Verhandlungstag drehte sich somit darum, wer die Archivseite online gestellt haben könnte. Stundenlang befragte das Gericht einen IT-Sachverständigen. Der erklärte dem Gericht das Internet: Was ist ein DNS-Server, wie hängen IP-Adresse und Website-Domain zusammen, wer kann Veränderungen an einer Website vornehmen.

»Man kann nicht feststellen, wer die Archivseite erstellt hat«, teilt David Werdermann der Jungle World mit. Er begleitet den Prozess für die Gesellschaft für Freiheitsrechte. Die Rechtslage ist seiner Ansicht nach eindeutig und die Frage nach der Vereinigung hinfällig. »Es geht hier um einen Link im Rahmen einer Berichterstattung und der ist von der Pressefreiheit gedeckt. Deshalb kann er nicht strafbar sein und man könnte sich die Frage, ob es die Vereinigung Linksunten Indymedia noch gibt, eigentlich sparen.«

Das Landgericht jedoch will alle Eventualitäten abklären und geht demonstrativ auf Nummer sicher. Neben dem eigentlichen Vorwurf überprüft es unter anderem die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und die öffentliche Aufforderung zu Straftaten. Insgesamt sind neun Verhandlungstage angesetzt.