Sergio Leonfeld, »Hamburger Initiative gegen Antisemitismus«, im Gespräch über eine Raumabsage in der Roten Flora

»Die Veranstaltung hätte in der Roten Flora stattfinden müssen«

Am 15. April sollte in Hamburg die Veranstaltung »Israel seit dem 7. Oktober – ein Blick von innen« mit dem in Israel lebenden Autoren Oliver Vrankovic in der Roten Flora stattfinden. Doch wenige Tage vorher entschied das Plenum des Autonomen Zentrums, die Veranstaltung abzusagen. Die »Jungle World« sprach mit Sergio Leonfeld von der »Hamburger Initiative gegen Antisemitismus«, die die Veranstaltung organisiert hatte.

Wie sind Sie darauf gekommen, Oliver Vrankovic einzuladen?
Oliver Vrankovic schreibt viel in sozialen Medien und manchmal Texte für die Jungle World, HaGalil und die Jüdische Allgemeine. In einem digital veröffentlichten Vortrag »Israel – eine Innenansicht« schilderte Vrankovic sehr ergreifend und persönlich eine Chronologie der Ereignisse seit dem 7. Oktober. Einen solchen Vortrag wollten wir auch in Hamburg haben.

Wie kam es zu der Absage der Roten Flora?
Es waren eigentlich alle organisatorischen Fragen bereits geklärt gewesen. Auf dem letztmöglichen Termin für Absprachen vor der Veranstaltung wurde innerhalb des Flora-Plenums dann allerdings vom Vetorecht Gebrauch gemacht und uns der Raum wieder entzogen. Es wirkte so, als sei das geplant gewesen. Die Flora verkündete die Entscheidung dann in einem inhaltsleeren Post auf sozialen Medien wie X. Wir wurden wie ein Fremdkörper dargestellt und es wurde so getan, als ob wir in der Vergangenheit nicht bereits eine erfolgreiche Veranstaltung in der Flora durchgeführt hätten.

»Wir wurden wie ein Fremdkörper dargestellt und es wurde so getan, als ob wir in der Vergangenheit nicht bereits eine erfolgreiche Veranstaltung in der Flora durchgeführt hätten.«

Dem Referenten wurde vorgeworfen, zwei seiner Postings seien »menschenverachtend« gewesen, zum Beispiel das Foto einer Trümmerlandschaft in Gaza, über der eine israelische Flagge wehte. Was sagen Sie zu dem Vorwurf?
Vrankovic ist in seinem Vortrag, der dann zum Glück kurzfristig im Club Uebel & Gefährlich stattfinden konnte, auch auf die zwei vom Flora-Plenum skandalisierten Postings eingegangen. Der 7. Oktober hat bei ihm und allen Israelis ein Gefühl völliger Schutzlosigkeit und des Ausgeliefertseins ausgelöst. In dieser Situation hat er die kritisierten Bilder gepostet. Er hat das als Wunsch nach der Wieder­erlangung von Kontrolle und Sicherheit erklärt und nicht als Verhöhnung der Bevölkerung von Gaza. Wir haben ihn eingeladen, um eine authentische Stimme aus Israel zu hören.

Hat es früher bereits Absagen von Veranstaltungen zum Themenkomplex Israel gegeben?
Die Rote Flora sah sich seit den frühen nuller Jahren immer wieder aufgefordert, in den in Hamburg vehement geführten Aus­einandersetzungen um linken Antisemitismus eine Position zu entwickeln. Dies war von zwei unterschiedlichen Bedürfnissen getragen: Einerseits davon, sich von den »Zumutungen« antideutscher Kritik abzugrenzen, und zum anderen, Antisemitismus als einen weiteren zu bekämpfenden Ismus in ihrem linken Milieu zu etablieren. Dass dies nicht ganz ohne Verrenkungen vor sich ging, lässt sich in ihrem bis heute gültigen Positionspapier »The Good and the Evil. Diskussionspapier der Roten Flora zu Antisemitismus« von 2004 nachlesen. Absagen von Veranstaltungen zu diesem Themenkomplex gab es aber bislang nicht, vielmehr schien man in der ­Roten Flora in erster Linie darum bemüht, Konflikte zu vermeiden.

Die Veranstaltung fand dann stattdessen im Club Uebel & Gefährlich statt – also doch ein Erfolg?
Mit 150 Leuten war der Saal komplett gefüllt. Wir sind dem Uebel & Gefährlich sehr dankbar, dass die Veranstaltung stattfinden konnte und dass die Leute, die dort arbeiten, die Durchführung möglich gemacht haben. Wir freuen uns auf weitere Veranstaltungen in dem Club. Was aber nichts an unserer Kritik ändert: Die ­Veranstaltung hätte in der Roten Flora stattfinden müssen! Dort braucht es immer wieder Argumente im Kampf gegen Antisemi­tismus. Und das heißt in der derzeitigen weltweit bedrohlichen Lage für Jüdinnen und Juden auch, ein solidarisches Verhältnis zu Israel als Schutzraum für Juden zu entwickeln und einen ­Umgang mit echten und vermeintlichen Widersprüchen zu ­finden.