Die Esoterik und ihre braunen Freunde

Die Esoterik boomt

Die Verbindung von Esoterik und menschenfeindlichen Ideologien hat eine lange Tradition. Eine neue Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung widmet sich der Geschichte und den Gefahren »brauner Esoterik«.

Esoterik und Aberglaube sind keine Randphänomene. Ganz im Gegenteil erleben wir einen regelrechten Hype um alles, was eine den etablierten Wissenschaften und der evidenzbasierten Medizin entgegengesetzte Form von Weisheit und Wissen verspricht. Pendel, Kristalle und Tarot sind zur überall erhältlichen Massenware geworden und die Selbstinszenierung als Hexe, der vor einigen Jahren auf Tumblr noch der Ruch einer subversiven, irgendwie feministischen Subkultur anhaftete, ist inzwischen auf Tiktok etablierter Teil des Mainstreams. Das Hashtag #witchtok kommt seit Bestehen dort bis jetzt auf über 51 Milliarden Aufrufe, das Hashtag #tarot sogar auf 85 Milliarden.

Ein Großteil dieser verschiedenen Formen des Glaubens an das gut vermarktete Übernatürliche ist, abgesehen davon, dass viele Menschen viel Geld für viel Unsinn ausgeben, sicher vergleichsweise harmlos; auch wenn das Vertrauen auf vermeintliche Naturheilverfahren und ein Abwenden von der evidenzbasierten Medizin in Einzelfällen zu immensem Schaden bis hin zum Tod des Abergläubischen führen kann. Ein Teil des esoterischen Milieus hat jedoch eine klar rechte Ausrichtung und stellt somit eine nicht zu unterschätzende politische Gefahr dar.

Dieser »braunen Esoterik« hat die Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) nun eine Broschüre mit dem Titel »Mystische Menschenfeindlichkeit« gewidmet. »Eine mit extremistischer Ideologie vermischte esoterische Praktik birgt ernsthafte Gefahren für unsere demokratische Kultur«, heißt es dort im Vorwort von Geschäftsführer Timo Reinfrank. Die Ausführungen in den folgenden sechs Fachartikeln untermauern diese Aussage.

»Eine mit extremistischer Ideologie vermischte esoterische Praktik birgt ernsthafte Gefahren für unsere demokratische Kultur.« Timo Reinfrank, Amadeu-Antonio-Stiftung

Dabei sollte im Grunde nicht verwundern, dass Esoterik und extrem rechte Ideologien einander oft bedenklich nahestehen. Immerhin war bereits die »Urmutter« der modernen Esoterik, Helena Petrovna Blavatsky, eine knochenharte Rassistin und Antisemitin. Auch Rudolf Steiner, dessen Anthroposophie auf Blavatskys Theosophie aufbaute, fabulierte von vermeintlichen Wurzelrassen. Und Julius Evola, Säulenheiliger der Neuen Rechten, befasste sich intensiv mit Okkultismus und Alchemie.

Vor allem im historischen Nationalsozialismus verschwimmen die Grenzen zwischen Esoterik, Okkultismus, Neuheidentum und sich an Rosenkreuzern oder Templern orientierenden Ordensstrukturen oft bis zur Unkenntlichkeit. Heinrich Himmlers Haus- und Hofhistoriker Karl Maria Wiligut alias Weisthor, der als Schöpfer des Symbols der Schwarzen Sonne gilt, ist ein gutes Beispiel hierfür. In jungen Jahren in Österreich stand er der Ariosophie nahe und verbrachte einige Jahre in der Nervenheilanstalt, später war er Mitglied der SS und des völkisch-rassistischen Neutempler-Ordens. Er behauptete, hellseherische Fähigkeiten zu haben, und beriet Himmler in Fragen der As­trologie. Nebenher befasste er sich mit Runen und mit etwas, was er für den urtümlichen Glauben der Germanen hielt.

Wiligut starb kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs im hessischen Arolsen. Ein anderes ehemaliges Mitglied der SS, der ebenfalls aus Österreich stammende Wilhelm Landig, übte hingegen noch bis in die neunziger Jahre hinein vor allem mit seiner Romantrilogie über den Thule-Mythos großen Einfluss auf völkisch-esoterische Kreise aus und stellte damit neben Mathilde Ludendorff und deren Bund für Gotterkenntnis eines der wesentlichen Bindeglieder zwischen den völkischen Esoteriker:innen der Vor- und Nachkriegszeit dar.

Als legitimer Nachfolger Landigs – zumindest im Bereich der Literatur – kann der russische Autor Wladimir Nikolajewitsch Megre gelten, dessen »Anastasia«-Reihe inzwischen zehn Bände umfasst, von denen der erste 1996, ein Jahr vor dem Tod Landigs, erschien. Inspiriert von dieser Reihe ist in den Jahren seither die Anastasia-Bewegung entstanden, die ihren zweiten Schwerpunkt nach Russland im deutschen Sprachraum besitzt. Seit vergangenem Jahr führt der Verfassungsschutz in Brandenburg die Bewegung als rechtsextremen Verdachtsfall. Mit ihrer zentralen Idee, der Gründung von sogenannten Familienlandsitzen, auf denen die Anhänger:in­nen möglichst autark und ethnisch homogen fernab der liberalen Großstädte in patriarchalen Familienzusammenhängen leben sollen, steht die Bewegung nicht nur ideologisch den »Reichsbürgern« nahe. Auch in der Praxis offenbaren sich immer wieder Überschneidungen zwischen beiden Milieus.

Völkische Spielarten der Esoterik spielen hierbei eine wichtige Rolle als verbindendes Element. So bestehen etwa Kontakte zu dem Phantasiestaat Königreich Deutschland. Dessen selbsternannter Herrscher Peter Fitzek ist ebenfalls Esoteriker. Er betrieb in Wittenberg ein »Lichtzentrum« und ein esoterisches Fachgeschäft namens »Engelswelten«.

Ähnlich sieht es im Milieu der »Querdenker« aus. Als Beispiel dafür nennt die Broschüre der AAS den selbsternannten Finanzexperten und Gründer der esoterischen Initiative »Der Friedensweg«, Erich Hambach. Der von ihm initiierte Verein »Die Akademie« mit Sitz in Gmund am Tegernsee wolle ein »Gegengewicht zum angeblich nicht länger diskursfähigen akademischen Universitätsbetrieb schaffen«. Zu den Dozent:innen gehören der AAS zufolge unter anderem der Esoteriker Robert Stein und die Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen und Daniele Ganser.

Auch beim selbsternannten »König von Wedenland«, Thomas Patock, zeigen sich derartige Verbindungen. In Gerdehaus, einem Ortsteil des niedersächsischen Faßberg, will Patock einen »Familienlandsitz« im Sinne der »Anastasia«-Buchreihe aufbauen. Im Sommer 2022 war laut AAS der Liedermacher Eloas min Barden alias Jens Lachenmayr aus Augsburg in Faßberg zu Gast.

Die Vermischung von »Querdenkern«, »Reichsbürgern«, der Anastasia-Bewegung und Teilen der AfD lässt sich der Studie zufolge als »Conspirituality« bezeichnen; also die Verbindung von esoterischer Spiritualität und endzeitlichem Verschwörungsglauben.

Demnach sind Patock und Lachenmayr gemeinsam auf der Bühne aufgetreten – im Hintergrund: ein Dekoration mit einem verschnörkelten Hakenkreuz. Der Liedermacher stehe der »Querdenken«-Bewegung nahe, heißt es in der Broschüre der AAS. Patocks Bruder, der der Broschüre zufolge auf dem »Landsitz« ebenfalls Gäste empfängt, beteiligte sich im Sommer 2022 an einer AfD-Kundgebung im niedersächsischen Uelzen, rät bei Facebook allerdings zum Nichtwählen.

Die Vermischung von »Querdenkern«, »Reichsbürgern«, der Anastasia-Bewegung und Teilen der AfD lässt sich der Studie zufolge als »Conspirituality« bezeichnen; also die Verbindung von esoterischer Spiritualität und endzeitlichem Verschwörungsglauben, der nicht selten von Rassismus und Antisemitismus durchzogen ist. Diese völkisch-esoterische Szene, die in der Broschüre beschrieben wird, wächst rasant und hat durch den Erwerb von Grundbesitz vor allem im ländlichen Raum bereits Fuß gefasst.

Esoterikkritik sollte daher in der antifaschistischen Praxis eine größere Bedeutung beigemessen werden. Das gilt ebenso für die vorbeugende Aufklärung. Freilich führt #witchtok nicht direkt zu Wurzelrassen. Es braucht jedoch nur wenige Klicks, um auf Amazon oder Instagram von Tarot zu Megres »Anastasia«-Romanen zu gelangen. Immerhin glauben der Leipziger Autoritarismus-Studie 2020 zufolge über 40 Prozent der Befragten an die Wirksamkeit von Glücksbringern, über 30 Prozent trauen Horoskopen korrekte Aussagen zu und 20 Prozent glauben an Wahrsager:in­nen und Wunderheiler:innen. Da ist es zu begrüßen, dass die AAS sich dieses Themas angenommen hat.