Die Islamische Republik Iran versucht, ihren Einfluss in der Sahelzone auszubauen

Mullah-Offensive in der Sahelzone

Die Islamische Republik Iran versucht, ihren Einfluss in den von Militärjuntas regierten Staaten Mali, Burkina Faso und Niger zu verstärken.

Paris. Der Feind meines Feindes ist mein Freund – nach diesem Motto laufen oft politische Annäherungen im sogenannten Globalen Süden ab. Auch ideologisch sehr unterschiedlich ausgerichtete Regimes können damit gemeinsam Position beziehen, was stets auch eine Aufwertung für die jeweils undemokratischsten und menschenfeindlichsten bedeutet.

In den vergangenen drei bis fünf Jahren profitierte in Westafrika vor allem die Russische Föderation von solchem politischen Verhalten; schrittweise baute sie ihren Einfluss aus, vor allem nachdem sich französische Truppen 2022 aus Mali und 2023 aus Niger zurückgezogen hatten. Begonnen hatte dieser Prozess mit dem Rückzug der französischen Truppen aus der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) im Jahr 2016.

Auch ein enger ökonomisch-militärscher Kooperationspartner Russlands versucht neuerdings, Einfluss in der Region zu gewinnen. Es handelt sich um die Islamische Republik Iran, die seit 2015 zusammen mit Russland in Syrien eine Art Kondominium, eine miteinander geteilte offizielle Einflusszone, errichtet hat.

Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian ist in der Region und darüber hinaus in anderen Staaten Afrikas aktiv

Am 3. Januar kündigte der Nationale Übergangsrat (CNT) Malis, das Quasiparlament der 2020 an die Macht gekommenen und 2021 umgebildeten Militärjunta, die Eröffnung zweier vom Iran gesponserter Universitätsfakultäten im laufenden Jahr an: einer Technischen Universität und eines Informatikinstituts. Der Ankündigung war ein Treffen zwischen CNT-Präsident Malick Diaw und dem iranischen Botschafter in Bamako, Hossein Taleshi Salehani, vorausgegangen.

Auch der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian ist in der Region und darüber hinaus in anderen Staaten Afrikas aktiv; er bereiste den Kontinent im August 2023 und besuchte dort Mali und Tansania, nachdem sich bereits der iranische Präsident Ebrahim Raisi auf einer ersten Afrika-Reise im vorigen Juli in Kenia, Uganda und Zimbabwe aufgehalten hatte.

Zum Auftakt seiner Reise im August wohnte Amir-Abdollahian der ersten Sitzung des »Kooperationsausschusses Mali–Iran« bei, der nach dem Besuch seines malischen Amtskollegen Abdoulaye Diop in Teheran im Februar 2022 vereinbart worden war. Der nigrische Außenminister Bakary Yaou Sangaré wiederum hielt sich zusammen mit einer Delegation am 24. Oktober vorigen Jahres in Teheran auf und traf dort unter anderem mit Amir-Abdollahian zusammen.

Das dritte Land des neuen Regionalbündnisses AES (Allianz der Staaten des Sahel), Burkina Faso, kündigte im Januar die Wiedereröffnung seiner seit 20 Jahren geschlossenen Botschaft in Teheran an. Eine erste Sitzung des »Kooperations-ausschusses Burkina Faso–Iran« fand im vorigen Oktober statt. Im Monat davor hatte die burkinische Außenministerin Olivia Rouamba einen Staatsbesuch in Teheran absolviert. Dort traf sie auch mit Präsident Raisi zusammen. Der lobte bei ihrem Termin den »Widerstand afrikanischer Staaten gegen den Kolonialismus und den Terrorismus«. Das iranische Regime unterstützt den militärischen Einsatz der Sahel-Staaten gegen dort aktive sunnitische jihadistische Gruppen, die dem Netzwerk al-Qai-da sowie dem mit ihm rivalisierenden »Islamischen Staat« (IS) angegliedert sind. Amir-Abdollahian verlautbarte bei seiner Visite im August in Bamako, »westliche Einmischung« habe deren Aufschwung begünstigt.

In Westafrika kann das iranische Regime kaum mit seinem schiitisch-islamistischen Charakter reüssieren. Zwar zählen die Einrichtung von Koranschulen und der Bau von Moscheen in mehreren Staaten der Region durchaus zur – mitunter erfolgreichen – soft power – Strategie mehrerer auswärtiger Mächte. Marokko entsendet beispielsweise Koranlehrer und Imame in den Sahel, dessen Länder zu seinen südlichen Nachbarn – im Falle Mauretaniens sogar unmittelbar an seiner Grenze beziehungsweise der der Westsahara – zählen. Die Türkei unterhielt jahrelang Koranschulen in Westafrika, die jedoch meist von der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen kontrolliert wurden, der sich 2016 offen mit seinem früheren Gönner und Förderer, dem damaligen Premierminister und derzeitigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan überwarf. In jüngerer Zeit kamen für die Türkei aber auch Militärabkommen im Sahel hinzu.

Die Wahhabiten wiederum, deren Wohltätigkeits- und Lehrtätigkeit mit saudi-arabischem oder katarischem Kapital aufgebaut wurde, bilden längst eine eigene religiös-ideologische Strömung in Ländern wie Mali; sie sind nicht zahlreich, aber sehr aktiv.

Religionsunterricht nach iranischem Vorbild mit schiitischen Glaubensinhalten, zumal in politisierter Form, dürfte in Westafrika hingegen bei den mehrheitlich sunnitischen Bevölkerungen nicht gut ankommen.

Die islamische Konfession der Schia ist vor allem im sogenannten schiitischen Halbmond präsent, zu welchem neben dem Iran Teile Afghanistans, die Südhälfte des Irak, Teile Syriens und des Libanon sowie Bevölkerungsgruppen im Jemen zählen. In diesen Ländern, mit Ausnahme wohl Afghanistans unter den seit August 2021 wieder herrschenden Taliban, sind auch proiranische politisch-militärische Bewegungen und Milizen stark.

Aber auch in Afrika inklusive seines subsaharischen Teils leben nicht immer unbeträchtliche schiitische Gruppen. In den arabischen oder arabisch-berberischen Staaten Ägypten und Marokko ist die Präsenz schiitischer Glaubensgemeinschaften bekannt, die sich nach außen hin ausgesprochen diskret verhalten.

Der Bevölkerungsanteil schiitischer Muslime im westafrikanischen Senegal wird auf sieben Prozent, im Tschad im Zentrum des Kontinents wie auch im ostafrikanischen Tansania auf bis zu 20 Prozent der Bevölkerung geschätzt. Dies geht zum Teil historisch auf die Präsenz von Händler- und Zuwanderer-Communitys zurück. Sie stammten im Fall des Senegal aus dem Libanon – wo, wie auch in Mali und in der Côte d’Ivoire, viele Libanesen im Handel tätig sind –; in Tansania kamen die Schiiten aus Südasien. Im Senegal gründete der aus einer einheimischen Familie stammende Religionsführer Chérif Mohammed Aly Aïdara eine schiitische Organisation unter dem Namen Mozdahir.

Die malische Armee kündigte im Oktober 2023 in einem Kommuniqué eine »Verstärkung der Zusammenarbeit bei Verteidigung und Sicherheit« mit dem Iran an.

Auf diese Einflüsse dürfte der Iran jedoch kaum bauen. Würde das Mullah-Regime sich vor allem auf die schiiti-chen Gemeinden stützen, würden das die sunnitischen Bevölkerungsgruppen wohl als eine Art Kriegserklärung auffassen; bislang prägt in Westafrika eine beträchtliche Toleranz das Zusammenleben unterschiedlicher Religionsgruppen, sofern die Religion nicht politisiert und damit jihadisiert wird.

Eher kann der Iran seinen Ölreichtum und seine Rüstungsindustrie bei den westafrikanischen Regierungen geltend machen – auch Russland setzt inzwischen massenhaft Drohnen aus iranischer Serienproduktion im ukrainischen Kriegsgebiet ein, und die malische Armee kündigte im Oktober 2023 in einem Kommuniqué eine »Verstärkung der Zusammenarbeit bei Verteidigung und Sicherheit« mit dem Iran an. Hinzu verleiht die seit neuestem bestehende Zugehörigkeit des Iran zum Bündnis der Brics-Staaten dem Teheraner Regime mehr politisches Gewicht.

Dieser Länderblock wird in Afrika vorwiegend als Gegengewicht zum Einfluss von USA, Frankreich und deren Verbündeten aufgefasst. Sowohl der Iran als auch sein Nachbar und Rivale Saudi-Arabien wurden am 1. Januar als Brics-Mitglieder aufgenommen, wofür zuvor die Wogen zwischen beiden Staaten geglättet werden mussten; Delegationen beider Staaten waren dafür in Peking zusammengetroffen. Der östliche Nachbar des Iran, Pakistan, hat die Aufnahme in die Staatengruppe beantragt.

Doch derzeit bombardieren der Iran und Pakistan, das bereits Atommacht ist, wechselseitig Teile ihres Territoriums und gehen dort gegen bewaffnete Gruppen vor, die auf das je eigene Staatsgebiet übergriffen. Das pakistanische Regime bekämpft Separatisten aus dem östlichen, pakistanischen Teil Belutschistans, während das iranische gegen Ableger des IS vorgeht.

Der IS hatte sich zuvor zu den beiden mörderischen Bombenattentaten vom 3. Januar in der iranischen Stadt Kerman auf eine Gedenkfeier für den iranischen General Qasem Soleimani bekannt. Der einflussreiche Kommandant der Revolutionsgarden war vier Jahre zuvor im Irak durch einen US-amerikanischen Drohnenangriff getötet worden. Die beiden Bombenexplosionen in Kerman kosteten mehr als 80 Menschenleben.

Die beiden Islamischen Republiken Iran und Pakistan werfen sich gegenseitig das »Gewährenlassen von Terroristen« vor. Eine gute Voraussetzung für stabile Beziehung zwischen dem Brics-Staat und dem Brics-Aspiranten ist das nicht, ebenso wenig dürfte eine politische Koexistenz zwischen dem Iran und Saudi-Arabien sowie dem von antimuslimisch agierenden Hindunationalisten geführten Indien im Rahmen des Bündnisses leicht werden. Geteilte Ambitionen gegen den Westen begründen eben nicht automatisch eine politische Freundschaft.